„Zuerst der Elefant, dann der Mensch“

Elephant Special Tours vereint sanften Tourismus mit Elefantenschutz

Herumtollen mit einem Elefantenbaby ist herzerwärmend. Der kleine Dickhäuter hat es jedoch faustdick hinter den Ohren und will ein Kräftemessen. Fotos: Jahner
Herumtollen mit einem Elefantenbaby ist herzerwärmend. Der kleine Dickhäuter hat es jedoch faustdick hinter den Ohren und will ein Kräftemessen. Fotos: Jahner

CHIANG MAI: Thailändische Elefantencamps sind in den letzten Jahren zunehmend in Verruf geraten. Oftmals einem skurrilen Disneyland ähnelnd, wird Dumbo dazu genötigt Fußball zu spielen, Dartpfeile zu werfen oder gar mit einem Tutu bekleidet Urlauber mit Tanzaufführungen zu unterhalten. Kein Wunder, dass Tierschützer Alarm schlagen und auch die meisten großen europäischen Reiseanbieter Elefantenreiten aus ihrem Ausflugsprogramm gestrichen haben. Dass Elefantenschutz und Tourismus dennoch miteinander vereinbar sind, beweist der Deutsche Bodo Förster mit seinem Projekt Elephant Special Tours in der Nordprovinz Chiang Mai. Hier kommt zuerst der Elefant und dann der Mensch.

Elefanten haben eine sehr empfindliche Haut. Sie baden regelmäßig und bewerfen sich nach dem Bad mit Sand oder Heu.
Elefanten haben eine sehr empfindliche Haut. Sie baden regelmäßig und bewerfen sich nach dem Bad mit Sand oder Heu.

„Huuu, huuu...!“ („Vorwärts!“) schallt es durch den dichten Dschungel. Gemächlich stapft eine Gruppe Elefanten durch den Wald. Auf den ersten Blick kein ungewöhnliches Bild in Thailand. Das Besondere steckt auch hier im Detail oder besser gesagt auf den Köpfen der grauen Riesen: Dort nämlich sitzen keine einheimischen „Mahout“ genannten Elefantenführer, sondern deutschsprachige Urlauber, die das riesige Tier mit ihren Anweisungen durch den Dschungel manövrieren.

Die Faszination für Elefanten und das Interesse an ihrer artgerechten Haltung hat die Urlauber der verschiedensten Altersgruppen hier zusammengebracht. Während einige einen zweiwöchigen Ausbildungskurs mit dem Abschluss­ziel „Elefantenführerschein“ absolvieren, befinden sich andere auf einer dreitägigen „Elefanten-Hautnah-Tour“ oder aber auf einer viertägigen Elefanten-Safari.

Vertrauensbildung beim Blind Date

Egal, für welches Elefanten-Erlebnis man sich entscheidet. Für alle beginnt es mit dem Kennenlernen „ihres“ Elefanten. Ein „Blind Date“, das es in sich hat. Noch sichtbar angespannt sitzen die Teilnehmer auf dem lehmigen Boden. Die Dickhäuter werden losgebunden und bilden eng aneinandergerückt einen Kreis um die neuen Gäste. Zwischen den mächtigen Füßen der Drei- bis Fünftonner sitzend, werden sie dann von den Rüsseltieren beschnuppert und abgetastet. Die Begegnung bringt das ungewöhnliche Konzept von Elephant Special Tours auf den Punkt. Sie zielt nicht nur darauf ab, Vertrauen zwischen Mensch und Tier zu schaffen, sondern hilft auch den Betreuerinnen und Betreuern, die Entscheidung zu fällen, welcher Elefant zu welchem Teilnehmer passt.

Elefanten haben eine sehr empfindliche Haut. Sie baden regelmäßig und bewerfen sich nach dem Bad mit Sand oder Heu.
Elefanten haben eine sehr empfindliche Haut. Sie baden regelmäßig und bewerfen sich nach dem Bad mit Sand oder Heu.

Knapp zehn Minuten später stehen die Urlauber ihrem zugeteilten Elefanten gegenüber. Damit sich die Tiere an die fremden Stimmen gewöhnen können, lautet die nächste Aufgabe, ihnen etwas zu erzählen. Was sie dabei in den letzten Jahren alles erfahren haben, behandeln die Dickhäuter natürlich streng vertraulich. Dann beginnt auch schon die erste Reitstunde. Die mächtigen Tiere senken ihre Köpfe, und mit einem gekonnten Sprung hechten die Elefantenführer in spe auf das borstig behaarte Haupt ihres Elefanten. Zweimal drehen, und schon sitzt man reisefertig und das Training kann beginnen.

Auf die Theorie folgt die Praxis

Nun finden auch die zuvor im Theorieunterricht gelernten Befehle Anwendung: „Hu“ bedeutet „Vorwärts“, „hau“ heißt „stopp“, und mit einem kräftigen „kwae“ lenkt man das Großkaliber. Der erste Tag auf dem Elefantenrücken endet nach einer Dschungeltour mit einem gemeinsamen Bad im Fluss, wo die Tiere von Schlamm und Dreck befreit werden. Denn Elefanten lieben es, sich mit Schlamm und kleinen Steinchen zu „bepudern“. Natürlich verhelfen sie dabei auch ihren Führern zu einem natürlichen „Makeup“! Spätestens hier wird allen Teilnehmern unmissverständlich klar, dass Elefanten für ihr Leben gerne baden. „Melo!“, „runter!“, lautet dann auch schon der nächste Befehl, und die Rüsseltiere tauchen ab ins kühle Nass.

Dickhäuter mit Dickköpfen

Je nach gebuchter Tour steht am zweiten Tag zumeist die erste längere Treckingtour auf dem Programm. Dann nämlich holen die Kursteilnehmer die Tiere von ihren Schlafstätten im tiefen Dschungel ab. Eine weitere Besonderheit bei Elephant Special Tours. Denn die Dickhäuter schlafen nicht etwa angekettet in einem Gehege, sondern suchen sich ihre Schlafstätte selbst im Wald aus. Das Trekking beschränkt sich dabei natürlich nicht nur auf die Zweibeiner, sondern gilt besonders auch für die tonnenschweren Tiere, die ihre Geländegängigkeit beeindruckend unter Beweis stellen. Behutsam und doch bestimmend klettern die grauen Riesen die steilen Pisten rauf und runter. Viele Teilnehmer sind nach dem Treck auch um die Erfahrung reicher, dass sich die Bezeichnung „Dickhäuter“ nicht nur auf die „dicke Haut“ der Tiere bezieht, sondern vielleicht auch auf ihren „Dickkopf“! „Kwae, kwae…!“, beinahe etwas verzweifelt brüllt sich der ein oder andere Anwärter eines Elefantenführerscheins seine Stimme aus dem Leib, während es sein zugeteiltes Tier vorzieht, den Kopf ins Gebüsch zu ste­cken, um saftiges Grün zu vertilgen. Der Appetit der grauen Riesen ist enorm. Bis zu 300 Kilogramm Nahrung kann ein ausgewachsener Elefant pro Tag fressen. Das wiederum bedeutet für die Mahouts viel körperliche Arbeit, wovon sich natürlich auch ihre Lehrlinge überzeugen können. So beginnt der dritte Tag mit dem Schlagen von frischem Elefantengras, eine wahrhaftig schweißtreibende Angelegenheit. Mit Sichel und Machete bewaffnet bereiten die Teilnehmer die nächste Mahlzeit ihrer Vielfraße vor, zu der zu ihrer Überraschung auch junge Palmen zählen. Denn letztere, so erfahren sie von ihren Lehrmeistern, seien besonders saftig und süß im Geschmack, weshalb sie vor allem an heißen Tagen eine willkommene Nascherei sind. Abgerundet wird ein jeder Kurs mit der Königsdisziplin des Elefantenführens: dem Stapeln von Baumstämmen. Denn beim Großteil der Tiere im Camp handelt es sich um ehemalige Timber­elefanten. Diese Tradition der Arbeit in der Holzwirtschaft war jahrhundertelang Haupterwerb für die Besitzer der Tiere – und bei Elephant Special Tours will man zusammen mit den Gästen diese Fertigkeiten der Tiere beibehalten. Dabei probieren je zwei Teilnehmer auf zwei Elefanten Baumstämme zu rollen, um sie dann übereinanderzustapeln. Das Ganze klingt natürlich einfacher als es tatsächlich ist, denn die Paare müssen dabei synchron Befehle erteilen und stets beobachten, was der andere tut.

Arbeitslos durch Holzschlagverbot

Die Teilnehmer an den Programmen von Elephant Special Tours erfahren jedoch nicht nur allerlei Wissenswertes über die Besonderheiten im Umgang mit den Tieren, sondern auch über deren Besitzer, weshalb in Nordthailand der Weg fast immer über das Volk der Karen führt. Eine jahrhundertealte Tradition verbindet die Mitglieder der Bergstämme mit den Tieren, die sie oft sogar als ihre Familienmitglieder bezeichnen. Ein Besuch im Dorf Mae Sapok ist deshalb Pflicht, um den Teilnehmern einen Eindruck von der Lebensweise der Lokalbevölkerung zu geben. Denn natürlich spielt heutzutage auch für die Karen der Tourismus eine große Rolle, um ihr Leben finanziell zu bestreiten, nachdem sie – und ihre Tiere – durch das Holzschlagverbot quasi arbeitslos wurden. Dennoch ist die besuchte Siedlung kein Show-Dorf; die Menschen leben in ihren Häusern und freuen sich, wenn sie Fremden ihre traditionelle Lebensweise vorstellen können.

Elefantenreiten: ja oder nein?

Elefantenreiten ist in Verruf geraten. In dem Projekt wird es dennoch angeboten, aber unter Voraussetzungen.
Elefantenreiten ist in Verruf geraten. In dem Projekt wird es dennoch angeboten, aber unter Voraussetzungen.

Das Elefantenreiten wird in westlichen Medien oft pauschal kritisiert und zum Teil einseitig negativ dargestellt. Man argumentiert mit körperlicher Überlastung der Tiere oder psychischen Druck durch Menschen, die den Elefanten auf Dauer schaden würden. Dies mag in Einzelfällen auf Elefantenprojekte zutreffen. Elephant Special Tours dagegen hat sich selbst hohen Ansprüchen verpflichtet: das Tierwohl steht stets an oberster Stelle – man betrachtet sich als ein Elefantenprojekt, das sich durch den Tourismus mitfinanziert – nicht andersherum. Alle Touren ermöglichen den Elefanten unterschiedliche Routen durch die Wälder Nordthailands, in denen sie ausreichend Zeit für körperliche Bewegung haben und gleichzeitig zahlreiche Gelegenheiten, bei denen sie natürliches Futter finden und fressen können. Außerdem stellen ausreichend lange Ruhepausen vor und nach den Touren die Erholungszeit der Tiere sicher.

Mae Sapok 47/3, Moo 5
T. Mae Win
A. Mae Wang
Chiang Mai, Thailand
T: 086-193.0377
www.elephant-tours.de
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Jurgen Steinhoff 29.09.19 21:51
Das wusste ich nicht,
war auch meine Entschuldigung....... In einem meiner ersten Thailandtouren stand natürlich Elefantreiten auf dem Program. Das musste man doch erlebt haben. Als mein Sohn ein paar Jahre später in einem Elefantencamp in Surin ein paar Wochen freiwilligen Pflegedienst geleistet hatte und auch dafür noch bezahlt hatte, musste ich mir anhöhren, wie die Elefanten durch den Tourismus ausgenutzt werden und teilweise leiden. Da hab ich eben etwas dazu gelernt.