Zeitungen zum Geschehen am Samstag

Foto: Pixabay/Gerd Altmann
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«Corriere della Sera»: EU muss Seele ansprechen

MAILAND: Die italienische Zeitung «Corriere della Sera» meint am Samstag anlässlich der Wahlen fürs EU-Parlament zum Zustand Europas:

«In der Politik muss man in der Lage sein, die Seele anzusprechen. Europa hat die Mahnung des großen Europäers Stefan Zweig vergessen, der in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen schrieb, dass man den Kampf gegen den Nationalismus unweigerlich verlieren werde, wenn man nicht zum «Herz» und «Blut» der Europäer spreche. Denn, so fügte er hinzu: «Niemals in der Geschichte ist der Wandel aus der intellektuellen Sphäre oder aus der Reflexion allein gekommen.»

Stattdessen haben die europäischen Eliten letztendlich genau das geglaubt: dass die großen Grundsätze und die konkreten Vorteile, die die Union garantiert, ausreichen, um sich im Bewusstsein der Bürger zu verankern und zu legitimieren. Aber kein politisches Gebilde ist jemals allein durch diese Dinge zusammengehalten worden.»


«The Times»: Politische Landschaft der EU wird sich stark verändern

LONDON: Zur Europawahl kommentiert die Londoner «Times» am Samstag:

«Es besteht kaum ein Zweifel daran, dass sich die politische Landschaft durch diese Wahlen radikal verändern wird. Ungewiss ist jedoch, wie die selbstgefällige EU-Führung darauf reagieren wird.

Die populistischen Parteien lassen sich grob in zwei Fraktionen einteilen: die Europäischen Konservativen und Reformer, angeführt von der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, und die Fraktion Identität und Demokratie von Marine Le Pen. Die derzeitige Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, Spitzenkandidatin der Europäischen Volkspartei (EVP), hat ein Bündnis mit Meloni ins Auge gefasst, um eine zweite Amtszeit zu erreichen. Gleichzeitig wird Meloni von Le Pen umworben, um einen populistischen Block zu bilden. Das Gezerre wird wahrscheinlich verworren sein und sich in die Länge ziehen.

Eine stärker zersplitterte, europaskeptische Union spiegelt dann vielleicht eher die Unruhe in der europäischen Bevölkerung wider; sie wird aber auch schwieriger zu steuern sein. Die Herausforderung, vor der die europäischen Politiker der Mitte jetzt stehen, besteht darin, zu beweisen, dass sie in der Lage sind, auf die Sorgen der Bevölkerung zu hören und gleichzeitig die EU weiter zu führen - also sich zu beugen, aber dabei nicht zu brechen.»


«Magyar Nemzet»: Bei Europawahl stehen Glaube und Nation auf dem Spiel

BUDAPEST: Zur Bedeutung der Europawahl aus Sicht der rechtspopulistischen ungarischen Regierung schreibt die regierungsnahe Budapester Tageszeitung «Magyar Nemzet» in einem Kommentar am Samstag:

«Ohne zu übertreiben, lässt sich behaupten, dass diese Wahl im Leben Europas und Ungarns eine Schicksalswende darstellt. Das Kräftemessen am Sonntag entscheidet nämlich über vieles, was schon seit langem in uns, in anderen, in uns allen rumort. (...) In Kürze wird sich herausstellen, ob die Mehrheit der ungarischen Wähler jenen ihr Vertrauen schenkt, die verkünden, dass die Traditionen, der (christliche) Glaube, die Familie, die Geschlechtsbestimmung, die Zugehörigkeit zur Nation abzuschaffen wären. Die uns einreden, dass wir künftig in den Vereinigten Staaten Europas leben müssen, unter einer Zentralregierung. Oder ob die Ungarn eventuell Abgeordnete (der Regierungspartei Fidesz) ins Europaparlament schicken, die ein Europa der Nationen aufbauen und unsere religiösen, kulturellen und zivilisatorischen Bindungen bewahren.»


«de Volkskrant»: Mehrheit der Niederländer ist proeuropäisch

AMSTERDAM: Bei der Europawahl in den Niederlanden liegt die radikal-rechte Partei PVV von Geert Wilders laut einer ersten Prognose mit 7 von 31 Mandaten knapp hinter dem rot-grünen Wahlbündnis, das demnach auf 8 Sitze kommt. Dazu meint die Amsterdamer Zeitung «de Volkskrant» am Samstag:

«Etwa 56 Prozent der Wähler, die bei der Parlamentswahl im November für die PVV stimmten, blieben zu Hause - was fast 1,4 Millionen Menschen entspricht. Derzeit ist Wilders also so stark, dass weniger als die Hälfte seiner Anhänger ausreicht, um seine Partei fast zur größten zu machen.

Doch selbst das ist nicht das eigentlich Interessante an dieser Europawahl in den Niederlanden. Denn die ewige Fokussierung auf die Frage, wer die größte Partei wurde, lenkt von dem Signal ab, das die Niederlande jetzt nach Brüssel senden. Man hatte befürchtet, dass es der Mittelfinger sein würde. Ziehen sich die Niederlande hinter die Deiche zurück und erwarten nicht mehr viel Gutes von Brüssel?

Das Gegenteil ist der Fall, und deshalb ist es gut, einen Blick auf die Analyse eines Landes zu werfen, das schon seit einiger Zeit nicht mehr dabei ist und dies zunehmend bedauert. Der britische Fernsehsender BBC stellte nüchtern fest, dass "zwei Drittel der niederländischen Sitze an proeuropäische Parteien gehen". (.) Die große Mehrheit der Niederländer ist sich sehr wohl bewusst, dass die Vorteile der EU für ein Handelsland die Nachteile bei weitem überwiegen und dass die Niederlande die großen Herausforderungen unserer Zeit schon lange nicht mehr allein bewältigen können.»

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Ingo Kerp 09.06.24 12:10
Die EU hat die Herzen der Menschen noch nie so richtig angesprochen. Inzwischen hat sie sich mit Reformen und Vorgaben sogar weiter davon entfernt. Dazu zählt u.a. die EU Erklärung, das jetzt Beitrittsverhandlungen mit der UKR aufgenommen werden, da diese die Vorraussetzungen für eine Aufnahme soweit erfüllt hätte. Voellig außer acht läßt man dabei den vor ein paar Tagen aufgeflogenen Korruptionsfall eines Selenskyjs Mitarbeiter, der sich 400.000 US$ in die eigene Tasche gesteckt hat. Ist die EU auf einem oder beiden Augen blind?