Zeitungen zum Geschehen am Donnerstag

Foto: Pixabay/Gerd Altmann
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«Handelsblatt» zu Zukunft Europas

Macron, die tragische Gestalt, Scholz, die traurige Gestalt, und Meloni, die neue Lichtgestalt - das neue "Trio Infernale" Europas ist auf dem besten Weg, auch noch den Rest europäischer Integrationsdynamik zu verspielen.

Es fehlt jegliche Fantasie, wie sich aus dieser Konstellation ein verheißungsvolles Bild für Europa zeichnen ließe. Ein Europa, das angesichts der russischen Bedrohung im Osten und des zunehmend wahrscheinlicheren Trump-Szenarios im Westen ohnehin herausgefordert ist wie seit Jahrzehnten nicht. Hinzu kommt die ökonomische Dimension des Problems. Ausgerechnet in jenen Ländern, die ein veritables Schuldenproblem haben, gewinnen antieuropäische Kräfte an Einfluss. Frankreich liegt mit einer Staatsverschuldung von 3,1 Billionen Euro noch vor Italien (2,9 Billionen) auf Platz eins. Beide zusammen repräsentieren 46 Prozent der Staatsverschuldung der Euro-Länder.


«Stuttgarter Zeitung» zu Asyldebatte

Auch Sahra Wagenknecht hat manchmal recht: In den Debatten über Migrationspolitik fielen sich "Vielredner und Wenigtuer" ständig ins Wort, sagt sie.

Dazu zählt sie den Kanzler. Aber der ist nicht allein. Seit der fatalen Europawahl haben viele in seinem Dunstkreis entdeckt, dass dieses Thema selbst ehemaligen Grünen-Wählern unter den Nägeln brennt. Nun ist ein regelrechter Überbietungswettbewerb zu der Frage entbrannt, wer von den ohne rechtlichen Anspruch Zugereisten unter welchen Umständen wie schnell abgeschoben werden kann.


«Frankfurter Rundschau» zu IMK/Migration

Soll das wirklich ein Modell sein für Deutschland, für Europa? Was mit den Menschen geschieht, deren Asylanträge abgelehnt werden, steht ohnehin in den Sternen.

Ruanda und Albanien werden sich vor die gleichen Probleme gestellt sehen wie Großbritannien, Italien oder Deutschland: Viele Herkunftsländer verweigern die Aufnahme ihrer Staatsbürgerinnen und Staatsbürger. In andere Länder können Geflüchtete aus guten Gründen nicht zurückgeschickt werden, weil ihnen dort Folter oder Tod drohen. Doch selbst das ist für manche Politikerinnen und Politiker kein Grund mehr, um Abschiebungen dorthin - oder in Länder, die die Menschen in diese Unrechtsstaaten weiterschieben - auszuschließen. Die Beispiele zeigen zweierlei: Erstens erzeugen Drittstaaten-Abkommen absurd hohe Kosten, finanzielle, juristische und humanitäre. Zweitens ist der gefühlte politische Druck beim Thema Migration so hoch, dass sie trotzdem ernsthaft in Erwägung gezogen werden.


«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zu Chat-Kontrolle für Kinderschutz

Verbrechen an Kindern rufen verständlicherweise besondere Bestürzung und Empörung hervor.

Sexuelle Gewalt (.) führt (.) zu besonderem Handlungsdruck auf Sicherheitsbehörden und Justiz - und auf den Gesetzgeber. (.) Bei der sogenannten Chat-Kontrolle geht es dagegen um mehr. Online-Diensten würde auferlegt, ihre Inhalte mittels einer Software auf strafbares Material durchsuchen zu lassen. Man braucht keine Künstliche Intelligenz, um zu ahnen, dass hier Missbrauchsgefahr droht. Der Gefahr eines massenweisen anlasslosen Durchforstens auch verschlüsselter privater Kommunikationsinhalte muss rechtsstaatlich begegnet werden. (.) Einstweilen gibt es in der EU hierfür keine Mehrheit. Das entbindet aber nicht von der Pflicht, intensiv nach Wegen zu suchen, die gerade im Netz grassierenden Verbrechen an Kindern zu verfolgen.


«Rzeczpospolita»: Rutte würde sogar den Teufel umarmen

WARSCHAU: Die bevorstehende Ernennung des scheidenden niederländischen Regierungschefs Mark Rutte zum neuen Nato-Generalsekretär kommentiert die polnische Tageszeitung «Rzeczpospolita» am Donnerstag:

«Auf EU-Gipfeln hat sich Mark Rutte als schärfster Kritiker der nationalistischen Regierungen Polens und Ungarns profiliert. In dieser Woche zögerte der niederländische Regierungschef jedoch nicht, eine Vereinbarung mit (Ungarns Regierungschef) Viktor Orban zu treffen, die ihm den Weg für die Übernahme des Amtes des Nato-Generalsekretärs ebnet. Das ist typisch Mark Rutte. Ein Mann, der seit 14 Jahren an der Spitze der steinigen niederländischen Politikszene steht, weil er im Grunde keine eigenen Ansichten hat und bereit ist, mit jedem zu paktieren. Rutte würde mit dem Teufel Kaffee trinken und ihn wahrscheinlich sogar umarmen.

Der Westen wollte keinen Kandidaten aus Mitteleuropa (wie die estnische Regierungschefin Kaja Kallas), weil er eine zu harte Haltung gegenüber Russland befürchtete. Es geht auch darum, die Kommunikationskanäle mit Donald Trump offenzuhalten. In der Vergangenheit hat Rutte gezeigt, dass er im Gegensatz zu Angela Merkel in der Lage ist, sich mit dem Milliardär zu arrangieren. Der Niederländer hält es gerne mit dem ehemaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt: «Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen». Rutte hat keine Familie gegründet, seine Leidenschaft ist die Macht. Er wird sie auch weiterhin behalten.»


«WSJ»: Putin-Pjöngjang-Achse ist Reaktion auf Schwäche der USA

NEW YORK: Nachdem Kremlchef Wladimir Putin und Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un eine noch engere Zusammenarbeit zwischen ihren Ländern vereinbart haben, schreibt das «Wall Street Journal»:

«Für die liberalen Internationalisten im Weißen Haus, die noch in den 1990ern leben, lohnt sich ein Blick auf Wladimir Putins Besuch in Nordkorea diese Woche. Dies ist ein weiteres Beispiel dafür, wie die Achse der Autoritären auf der ganzen Welt gegen Amerika und seine Verbündeten zusammenarbeitet. (...) Die realistische Schlussfolgerung ist, dass Russland und China Nordkorea als atomar bewaffneten Staat wollen, um Südkorea, Japan und die USA zu bedrohen. (...)

Die Diktatoren sind sich nicht in allem einig, und eine geschickte US-Diplomatie würde nach Möglichkeiten suchen, diese Differenzen auszunutzen. Doch zunächst müssen wir uns von der Illusion verabschieden, dass diese Achse verschwindet. (...) Eine weitere Illusion zum Vergessen ist, dass diese Nationen ihre bösen Absichten aufgeben würden, sollten die USA ihnen entgegenkommen und sich auf den amerikanischen Kontinent zurückziehen. Das ist die Fantasie einiger Mitglieder des Trump-Flügels der Republikaner. Die Entstehung dieser feindlichen Achse ist eine direkte Reaktion auf die Wahrnehmung der Schwäche und des Rückzugs der USA. Mehr Schwäche führt zu mehr Aggression.»


«NZZ»: Ausgerechnet China wird zum westlichen Hoffnungsträger

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» kommentiert am Donnerstag die Beziehungen zwischen Russland, Nordkorea und China:

«Russlands Überfall auf die Ukraine muss Kim Jong Un wie ein Geschenk des Himmels vorkommen. Nach bleiernen Jahren, bedingt durch die Corona-Pandemie und ein hartes Sanktionsregime, hat Putins Krieg die marode Wirtschaft Nordkoreas reanimiert. Kims Waffenschmieden produzieren nun im Dreischichtbetrieb, um den Bedarf des russischen Aggressors zu decken. (.) Ballistische Raketen aus nordkoreanischer Produktion töten Menschen inmitten Europas. Kim füllt dadurch seine Kassen, seine Generäle sammeln praktische Erfahrungen im Kriegshandwerk. (.)

Ausgerechnet China wird in dieser verzwickten Lage zum westlichen Hoffnungsträger. Peking verfolgt den Schmusekurs der beiden Diktatoren nämlich mit Unbehagen. Die chinesische Führung befürchtet, Einfluss zu verlieren, sie will aber auch verhindern, dass die Atommacht Nordkorea übermütig wird und Südkorea provoziert. Stabilität auf der koreanischen Halbinsel genießt für die kommunistische Führung in Peking hohe Priorität.

Hinter den Kulissen soll China auf Russland, seinen «besten Freund», einwirken und «rote Linien» ziehen. Eine heißt angeblich: keine hochwertige Atomtechnologie für Pjöngjang.»


«La Repubblica»: Verfassungsreform brächte Regierungschef Supermächte

ROM: Die italienische Tageszeitung «La Repubblica» kritisiert die Pläne von Italiens rechter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni für eine Verfassungsreform, die die Befugnisse des Regierungschefs massiv stärken soll:

«Es gäbe keinerlei Limit für die Supermächte, die die Reform dem Amt des Ministerpräsidenten brächte. Wenn man sie sich von oben bis unten durchliest, findet sich keine einzige Zeile, die den Staatspräsidenten und das Parlament für ihre verlorenen Rechte entschädigt. Ersterer muss auf seine wichtigsten Befugnisse verzichten: die Ernennung des Ministerpräsidenten und die Auflösung der (beiden Parlaments-) Kammern. Diese wiederum werden zu einer Geisel der Regierung, wenn nicht gar zu einem Anhängsel.

Denn die Parlamentskammern werden gleichzeitig mit dem Ministerpräsidenten gewählt, und zwar mit einem Zuschlag für die Mehrheit, wie er in keinem anderen demokratischen Land im Wahlrecht zu finden ist. Und weil die Abgeordneten, wenn sie den Befehlen des Regierungschefs nicht gehorchen, nach Hause geschickt werden und ihre Sitze und Gehälter verlieren. Gewichte ohne Gegengewichte.»


«Financial Times»: Trump könnte US-Wirtschaft schaden

LONDON: Die Londoner «Financial Times» warnt am Donnerstag vor wirtschaftlichen Risiken einer zweiten Amtszeit von Donald Trump als US-Präsident:

«Als Anhänger von Donald Trump am 6. Januar 2021 das US-Kapitol stürmten, warfen viele Wirtschaftsführer, die den scheidenden Präsidenten unterstützt hatten, endgültig das sprichwörtliche Handtuch. (...) Die Gewissensbisse wohlhabender Spender schienen das Ende von Trump anzuzeigen.

Aber «Teflon Don» ist zurückgekehrt. Und das gilt auch für die Unterstützung durch Amerikas Großindustrielle. (...) Sogar traditionell liberale Silicon-Valley-Mogule bieten ihre Unterstützung an. Auch wenn die Begründungen variieren, sagen viele im Wesentlichen, Trump werde «gut für die Wirtschaft» sein.

Dabei werden die großen wirtschaftlichen Risiken übersehen, die eine zweite Amtszeit mit sich bringen würde. Trump und seine Berater haben eine ganze Reihe vager politischer Äußerungen gemacht, von denen viele - wenn sie ernst genommen werden - die grundlegende Arbeitsweise der US-Wirtschaft zu untergraben drohen. (...)

Robert Lighthizer etwa, Trumps potenzieller Kandidat für das Amt des Finanzministers, soll für eine Abwertung des Dollars plädieren, was das Finanzsystem destabilisieren könnte. Auch Trumps Handelspolitik könnte katastrophale Folgen haben. Er hat 10 Prozent Zölle auf alle Importe und 60 Prozent Abgaben auf chinesische Waren vorgeschlagen. Solche breit angelegten Zölle könnten die Inflation wieder anheizen und die USA näher an einen offenen Konflikt mit China bringen.»

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