Zeitungen zum Geschehen am Donnerstag

Foto: Pixabay/Gerd Altmann
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«Stuttgarter Zeitung» zu Steinmeier/75 Jahre Grundgesetz

Bundespräsident Steinmeier bringt einerseits Empathie für diejenigen auf, die aus Überdruss vor ständiger Veränderung und vielen Problemen die Nachrichten am liebsten dauerhaft abschalten würden.

Er entlässt sie aber nicht aus der Verpflichtung, sich aufzuraffen und für die Gesellschaft einzusetzen. Gefordert ist jeder Einzelne. Steinmeiers Aufruf zur Selbstbehauptung ist unbequem, aber richtig.


«Wall Street Journal»: Rafah entscheidend für den Tag danach in Gaza

NEW YORK: Zur Einschätzung der US-Regierung, dass die israelischen Militäroperationen in der Stadt Rafah im südlichen Gazastreifen bislang nicht das Ausmaß erreicht hätten, vor dem das Weiße Haus gewarnt habe, schreibt das «Wall Street Journal»:

«Rafah ist nach wie vor entscheidend für jeden Plan für den Tag danach, denn nichts kann funktionieren, wenn die Hamas das Gebiet mit Militärbataillonen regiert und die ägyptische Grenze kontrolliert. (...) Sobald die Truppen eine Pufferzone entlang der Grenze geschaffen haben, kann Israel die Hamas von Ägypten abschneiden - ein Schlüssel zur Unterdrückung jeglicher Art von Aufständen, die folgen könnten.

Die Frage ist berechtigt, welche Kräfte den Gazastreifen in Zukunft kontrollieren werden. Aber niemand sonst wird für Israel kämpfen und sterben, um die Hamas zu besiegen oder ihr als Zivilmacht Widerstand zu leisten. Schon gar nicht die schwache Palästinensische Autonomiebehörde, die einen Deal zur Machtteilung mit der Hamas in Gaza anstrebt, weil sie weiß, dass sie sonst abgeschlachtet würde. Auch wenn die israelischen Liberalen es nicht gerne hören werden, wird Israel das Vakuum in Gaza wahrscheinlich eine Zeit lang füllen müssen.»


«Rzeczpospolita»: Spaltung der EU zu Palästina-Frage verschärft sich

WARSCHAU: Die polnische Tageszeitung «Rzeczpospolita» kommentiert am Donnerstag die Ankündigungen Norwegens, Irlands und Spaniens, einen Staat Palästina anzuerkennen:

«Spanien, Irland oder Norwegen argumentieren, ihr Schritt bringe eine Friedenslösung in Form der Anerkennung der Zweistaatenlösung näher. Doch in der Praxis ändert er nichts, sondern zementiert die Spaltung innerhalb der EU, deren Linie übrigens nicht zwischen denen verläuft, die den Staat Palästina anerkennen, und denen, die ihn nicht anerkennen. Denn man muss unterscheiden zwischen den acht Ländern, die 1988 Palästina anerkannt haben - zu einer Zeit, als die meisten von ihnen noch zum Sowjetblock gehörten. Diese acht Staaten sind Polen, Tschechien, die Slowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Zypern und Malta.

Es ist schwierig, alle diese Länder als propalästinensisch zu betrachten, und einige - wie Tschechien und Ungarn - gehören sogar zu den größten Verbündeten Israels in der EU. Die Position der Länder, die Palästina jetzt anerkennen, ist anders. Diese Länder sind die größten Kritiker von Netanjahus Vorgehen in Gaza und verteidigen die palästinensischen Interessen auf internationaler Ebene. Die EU ist seit Beginn des Konflikts uneins, wenn es darum geht, die Geschehnisse in Gaza zu bewerten. Die jüngste Entscheidung von Madrid und Dublin zeigt, dass diese Spaltung nicht zu überbrücken ist.»


«Pravo»: Grundgesetz hat sich bewährt

PRAG: Vor 75 Jahren, in der Nacht auf den 24. Mai 1949, ist das deutsche Grundgesetz in Kraft getreten. Dazu schreibt die Zeitung «Pravo» aus Tschechien am Donnerstag:

«Der wichtigste Satz, um den sich die deutsche Geschichte nach der nationalsozialistischen Katastrophe dreht, lautet: «Die Würde des Menschen ist unantastbar.» (...) Die Deutschen sind bis heute stolz darauf, dass sie es geschafft haben, diesen Satz siebeneinhalb Jahrzehnte lang im Gedächtnis zu behalten und mit Leben zu erfüllen. (...) Man kann nur hoffen, dass die Zustimmungswerte der AfD, die um die 20 Prozent liegen, kein Ausdruck einer massenhaften Zuwendung zum Hass sind, sondern ein Ergebnis schlechter politischer Arbeit und schlechter politischer Angebote. (...) Mit der Xenophobie ist es wie mit dem Alkohol: Jeder von der Abhängigkeit Geheilte darf die Droge nie wieder anfassen, da sonst ein schneller Absturz droht. Die Erfahrung zeigt, dass das Grundgesetz ein wirksames Mittel ist, um den Verlockungen der toxischen Vergangenheit entgegenzutreten.»


«El País»: Palästina-Anerkennung ist eine historische Entscheidung

MADRID: Zur angekündigten Anerkennung eines Staates Palästina durch Spanien, Irland und Norwegen schreibt die spanische Zeitung «El País» am Donnerstag:

«Es ist eine historische Entscheidung. (...) Spanien steht damit an der Spitze einer Initiative, die im Einklang mit den Resolutionen der Vereinten Nationen eine unabdingbare Voraussetzung für die Lösung des arabisch-israelischen Konflikts anwendet: die Existenz von zwei Staaten. Es handelt sich um einen der größten diplomatischen Vorstöße seit dem Beginn der Militäroffensive im Gazastreifen, die von der Regierung von Benjamin Netanjahu nach dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober eingeleitet wurde. (...)

Die Tatsache, dass Netanjahu die Bestrafung der Zivilbevölkerung in Gaza nicht beenden will, und die Untätigkeit eines Teils der internationalen Gemeinschaft - die über eine rhetorische Verurteilung nicht hinausgekommen ist - haben mehrere europäische Staats- und Regierungschefs dazu veranlasst, die Anerkennung des palästinensischen Staates zu beschleunigen. Eine Entscheidung, die nicht als israelfeindlich ausgelegt werden kann (...). Mit ihrem Antrag auf Haftbefehl gegen Netanjahu und gegen Hamas-Führer (...) hatte die Anklagebehörde des Internationalen Strafgerichtshofs bereits eine Botschaft übermittelt, die immer mehr in Vergessenheit zu geraten scheint: Die vom humanitären Völkerrecht festgelegten Grenzen können nicht ungestraft überschritten werden.»


«Financial Times»: Wahlaussichten für die Tories sind schlecht

LONDON: Die Londoner «Financial Times» kommentiert am Donnerstag die Ansetzung der nächsten Parlamentswahl in Großbritannien durch Premierminister Rishi Sunak für den 4. Juli:

«Viel zu lange hat sich Großbritannien wie ein Land angefühlt, das ziellos vor sich hin dümpelt. Die Politik wurde durch die Tatsache blockiert, dass die Regierung anscheinend nur noch von geborgter Zeit lebte. Investitionsentscheidungen wurden nicht getroffen; auch anderen schwierigen Entscheidungen wich man aus.

Verwunderlich ist nun zwar, dass ein Premierminister Wahlen früher ansetzt, als er das müsste, während seine Partei in den Umfragen so weit zurückliegt. Doch es ist im Interesse des Landes, dass die Ungewissheit und das Hinauszögern beendet werden und die Wähler endlich die Möglichkeit bekommen, mit ihren Stimmen eine Entscheidung herbeizuführen - auch wenn dies nicht der Hauptgrund für Rishi Sunaks Schritt war.

Die Aussichten für die scheidende Regierung sind verheerend. Die Konservativen liegen in den Umfragen fast 21 Punkte hinter der oppositionellen Labour-Partei zurück. (...) Angesichts ihrer dürftigen Bilanz müssen die Tories nun die Wähler davon zu überzeugen, dass sie Antworten auf die wichtigsten Herausforderungen haben, vor denen das Land steht - und zwar trotz der nur spärlichen Belege, die sie dafür während der letzten Legislaturperiode geliefert haben.»


«NZZ»: Staatliche Anerkennung Palästinas bringt keinen Frieden

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» kommentiert am Donnerstag die Ankündigungen Norwegens, Irlands und Spaniens, einen Staat Palästina anzuerkennen:

«Von einem Staat nach herkömmlichen Kriterien sind die Palästinenser weit entfernt. Warum haben sich die drei europäischen Regierungen dennoch zur Anerkennung entschlossen? Die Antwort ist politisch. Sie erklären ihr koordiniertes Vorgehen mit dem Ziel, eine Zweistaatenlösung zu unterstützen; diese sei der einzig glaubwürdige Weg zu Frieden und Sicherheit. (.)

Die Schaffung und Anerkennung eines palästinensischen Staates muss als Ziel und Anreiz am Ende eines erfolgreichen Reform- und Friedensprozesses mit Israel stehen. Doch Norwegen, Irland und Spanien gehen nun in Vorleistung gegenüber den Palästinensern. Gleichzeitig üben sie einseitig Druck auf Israel aus, dessen Regierung Netanjahu sich vehement gegen die Zweistaatenlösung stellt. Damit bringen sie den Frieden keinen Zentimeter voran.

Einseitiger Druck legitimiert innenpolitisch bloß den Widerstand Netanjahus. Und er gibt den Palästinensern, von denen viele immer noch vom Untergang Israels träumen, das falsche Signal, sie hätten genug getan. Dabei sind noch gewaltige, schier unmögliche Schritte von beiden Seiten nötig, um die Voraussetzungen für ein sicheres und friedliches Zusammenleben in zwei Staaten zu schaffen.»

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