Zeitungen zum Geschehen am Dienstag

Foto: Pixabay/Gerd Altmann
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«Berliner Morgenpost» zu Baerbock

Bei der Abwägung, wann man eine Reise mit dem Flugzeug antreten sollte und wann man lieber am Boden bleibt, gibt es verschiedene Metriken, die relevant sind. Zeit, Euro, CO?-Ausstoß. Für Politikerinnen und Politiker, zumal für die Grünen, außerdem: die öffentliche Wahrnehmung.

Mindestens aus dieser Perspektive heraus hat der relativ kurze Flug, den Annalena Baerbock kürzlich nach dem Länderspiel der DFB-Elf von Frankfurt nach Luxemburg nahm, gar keine gute Bilanz. Denn peinlich und politisch ungeschickt ist es allemal.

Weil es nach 23 Uhr war, hob die Maschine auch zu einer Zeit ab, in der in Frankfurt aus Lärmschutzgründen ein Nachtflugverbot gilt. Baerbock (ebenso wie Scholz, der am selben Abend flog) hatte eine Ausnahmegenehmigung. Begründet wurde diese mit dem öffentlichen Interesse.

Das hilft wenig. Denn die Geschichte bestätgt einen Vorwurf, die ihr Gegner den Grünen schon jetzt gern machen: dass die Regeln, die sie für andere wollen, für sie nicht gelten sollen.


«Stuttgarter Zeitung» zu Parteiwechsel von Melis Sekmen

Ein gewisser Unmut bei den Grünen ist verständlich.

Er ist mit der Tatsache verknüpft, dass Melis Sekmen über die Landesliste ihrer Partei in den Bundestag eingezogen war. Selbstverständlich sind Abgeordnete in der Ausübung ihres Mandats frei. Aber es ist doch zu bedenken, dass Sekmen keinen Wahlkreis direkt gewonnen hat, ihr Mandat also direkter auf den Willen ihrer Partei als auf den Willen des Wählers zurückzuführen ist. Insofern ist es nachvollziehbar, wenn es bei den Grünen Stimmen gibt, die Sekmen auffordern, ihr Mandat zurückzugeben, damit es die Partei nachbesetzen kann. Das wäre die sauberste Lösung gewesen. Es bleibt also ein G'schmäckle.


«Handelsblatt» zu Haushaltstheater der Ampel

Alle drei Parteien sind in den Verhandlungen so hoch auf die Bäume geklettert, dass sie nun kaum wieder herunterkommen.

In allen werden daher bereits Exit-Szenarien durchgespielt: Christian Lindner fragt sich, ob seine FDP nicht wahrscheinlicher über die Fünf-Prozent-Hürde kommt, wenn er den Koalitionsbruch wagt. In der Grünen-Spitze hat sich der Eindruck verfestigt, in der Ampel sowieso nichts mehr durchsetzen zu können. Und SPD-Kanzler Olaf Scholz neigt zwar nicht zu Übersprungshandlungen, bei seiner eigenen Partei kann er sich seit der Europawahl aber nicht mehr so sicher sein.


«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zum Koalitionsstreit um den Haushalt

(.) Das hindert sie aber nicht daran, von einem Streit in den nächsten zu taumeln und dabei auch mit Bruch zu drohen, wie es jetzt Kubicki im Disput über den Haushalt für nächstes Jahr tut.

(.) Mehr Geld für die Verteidigung ausgeben, ohne anderswo zu kürzen - das ginge nur über eine Ausweitung der Verschuldung, zu der SPD und Grüne greifen würden (.) Mit der FDP ist eine Flucht in den Kredit (.) aber nicht zu machen. Als kleinste Partei muss die FDP große Töne spucken, um ernst genommen zu werden. Kubicki ist dafür der Richtige. Kompromissloses Auftreten verkleinert aber auch den Raum für Kompromisse. Auf die Quadratur des Kreises, die die Ampel nun bis zur Monatsmitte vorstellen will, darf man gespannt sein. Denn eines ist klar: Die letzte Frage, die ein Kanzler stellen will, ist die nach dem Vertrauen.


«Dagens Nyheter»: Neuwahl in Frankreich größter Fehler seit Brexit

STOCKHOLM: Die liberale schwedische Tageszeitung «Dagens Nyheter» (Stockholm) kommentiert am Dienstag den Ausgang der ersten Runde der Parlamentswahl in Frankreich:

«Eine Fehlkalkulation von historischem Ausmaß. Anders kann man Emmanuel Macrons Beschluss zum Ausrufen von Neuwahlen der Nationalversammlung nicht beschreiben. Die Franzosen sind unzufrieden mit Macron. Die Europawahl war eine Aufforderung an den Präsidenten, den Kurs zu korrigieren. Daran war er nicht interessiert.

Macrons Projekt liegt in Trümmern, während gleichzeitig der Weg für Marine Le Pen bei der Präsidentschaftswahl 2027 geebnet wird. Sollte sie gewinnen, wäre das schlecht für Frankreich - und lebensgefährlich für Europa. Ihre Partei will wohl nicht mehr die EU verlassen, aber die Überstaatlichkeit soll weg und Frankreich weniger in den Haushalt der Union einzahlen. In der Praxis geht es darum, das Projekt Europa von innen heraus zu demontieren.

Großbritanniens damaliger Premierminister David Cameron versprach 2013 ein Referendum über die britische EU-Mitgliedschaft. Wir wissen alle, wie dieses Wagnis endete: Europa wurde gespalten und Großbritannien geschwächt. Die Fehleinschätzung von Emmanuel Macron könnte noch größere Folgen haben.»


«La Repubblica»: US-Bürger müssen sich Wahl genau überlegen

ROM: Die italienische Zeitung «La Repubblica» meint am Dienstag zur Entscheidung des Obersten Gerichts in den USA, Präsidenten großzügig Immunität zu garantieren:

«Wenn die Amerikaner Donald Trump nicht wieder im Weißen Haus haben wollen, müssen sie dies am 5. November an der Wahlurne entscheiden. Und sie werden sich diese Frage sehr genau überlegen müssen. Denn der Oberste Gerichtshof hat entschieden, dass der Präsident bei Straftaten, die er in Ausübung seiner verfassungsmäßigen Funktionen begeht, absolute Immunität genießt und bei Amtshandlungen teilweise Immunität.

Nach dieser Logik könnte Donald, sobald er wieder an der Macht ist, die Armee anweisen, Washington zu besetzen, und das Justizministerium, einen politischen Gegner zu verfolgen. Jede andere Handlung, die einen normalen Bürger ins Gefängnis brächte, würde nicht gestoppt und strafrechtlich verfolgt. Dies ist ein bedeutender Wendepunkt, der das bisher von Joe Biden erfolglos vorgebrachte Argument wieder aufleben lässt, dass bei der Präsidentschaftswahl das Überleben der amerikanischen Demokratie auf dem Spiel steht.»


«New York Times»: Geschenk für alle künftigen US-Präsidenten

NEW YORK: Zu dem weitreichenden Teilsieg, den Donald Trump in der Frage der Immunität eines Ex-Präsidenten vor Strafverfolgung vor dem Obersten Gericht der USA errang, schreibt die «New York Times»:

«In einem atemberaubenden Finale seiner Amtszeit bescherte der Oberste Gerichtshof am Montagmorgen Donald Trump und allen künftigen Präsidenten, die beabsichtigen, das Gesetz und ihren Eid auf die Verfassung zu verletzen, ein Geschenk von unschätzbarem Wert. (...) Seit Montag ist der Grundsatz, dass niemand über dem Gesetz steht, außer Kraft gesetzt. Ausgerechnet in der Woche, in der die Nation ihre Gründung feiert, untergrub das Gericht den Grund für die amerikanische Revolution, indem es den Präsidenten, wie eine abweichende Richterin es nannte, eine «gesetzesfreie Zone» einräumte (...)

Präsidenten können immer noch wegen ihrer Verbrechen im Amt angeklagt werden, aber es ist schwer vorstellbar, wie sie jemals strafrechtlich verfolgt werden können. Sie können einst unvorstellbare Maßnahmen ergreifen, wie zum Beispiel einen Aufstand am US-Kapitol zu fördern, ohne befürchten zu müssen, später ins Gefängnis zu gehen oder juristisch zur Verantwortung gezogen zu werden.»


«De Standaard»: Frankreich drohen jahrelange Turbulenzen

BRÜSSEL: Zur zweiten Runde der vorgezogenen Parlamentswahl in Frankreich meint die belgische Zeitung «De Standaard» am Dienstag:

«Die Möglichkeit, dass die Rechtsextremen in der zweiten Runde am Sonntag die absolute Mehrheit erringen, ist real. Dann wird Frankreich das bekommen, was bereits als «cohabitation de la folie» (etwa: Zusammenleben des Wahnsinns) bezeichnet wird: Macron als Präsident müsste sich mit einer äußerst weit rechtsstehenden Regierung arrangieren. Ein Kraftfeld, das zu unaufhörlichen politischen Feindseligkeiten und einem unregierbaren Land führen wird. Selbst wenn das Rassamblement National keine absolute Mehrheit gewinnt, aber die größte Fraktion wird, droht Frankreich auf Jahre hinaus in Turbulenzen zu geraten. (...)

Macron hat somit auch auf europäischer Ebene erheblichen Schaden angerichtet. Einst gelang es ihm, Millionen Franzosen mit seiner Vision einer Europäischen Union zu begeistern, die ihre Bewohner zufriedener und sicherer machen werde. Jetzt beschert er Europa einen gigantischen Kater. Denn ein Frankreich, das mit seinen eigenen Dämonen kämpft, wird nicht länger ein europäischer Motor sein, sondern ein zweifelnder und wankelmütiger Unruhestifter. In historischen Zeiten, in denen sich Europa im Krieg mit Russland befindet und möglicherweise eine zweite Amtszeit von Trump ertragen muss, ist dies zutiefst beunruhigend.»


«The Telegraph»: Mitte-Rechts-Wähler könnten Le Pen helfen

LONDON: Die britische Zeitung «The Telegraph» schaut am Dienstag voraus auf die zweite Runde der vorgezogenen Parlamentswahlen in Frankreich:

«Nun wird es zu Manövern und Kuhhandeln kommen, um die Partei von Marine Le Pen in Schach zu halten. In rund 300 Wahlkreisen, in denen es keinen eindeutigen Sieger gab, müssen die Kandidaten entscheiden, ob sie im Rennen bleiben oder sich zugunsten eines Hoffnungsträgers zurückziehen, der den Kandidaten des Rassamblement National (RN) schlagen könnte. In den meisten dieser Wahlkreise liegen die Kandidaten von Präsident Macron an dritter Stelle, was bedeutet, dass sie sich zurückziehen müssten.

Aber für wen? Das Linksbündnis Nouveau Front Populaire, das den zweiten Platz belegte, ist eine bunte Koalition aus Sozialisten, Grünen, Kommunisten und der harten Linken unter der Führung von Jean-Luc Mélenchon. Seine Partei, La France Insoumise, wurde vom Präsidenten als «antidemokratisch, antiparlamentarisch, atomkraftfeindlich und prorussisch» angeprangert. Jetzt drängt er seine eigene Partei, sich mit diesen Leuten zu verbünden, um das RN fernzuhalten. (...)

Doch das ist weniger leicht zu rechtfertigen, seit Marine Le Pen ihre Partei «entgiftet» hat, um das faschistische und antisemitische Image aus der Ära ihres Vaters loszuwerden. Heute sehen viele in der rechten Mitte in ihr und ihrem Schützling Jordan Bardella - dem voraussichtlichen Premierminister im Fall eines Parlaments mit absoluter RN-Mehrheit - eine geringere Gefahr als in der harten Linken.»


«NZZ»: Macrons Spielraum wird eingeengt

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» kommentiert am Dienstag die vorgezogenen Parlamentswahlen in Frankreich:

«Die Aussichten sind wenig erquicklich. Das Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen hat im ersten Wahlgang die meisten Stimmen erhalten. Zudem hat keine Partei so viele Mandate gleich im ersten Wahlgang gewonnen wie das RN. Allein das ist historisch. Doch die Nationalisten haben noch ein höheres Ziel im Blick: Sie wollen eine absolute Mehrheit der Sitze in der großen Kammer, das heißt mindestens 289 Mandate. (.)

Doch haben Le Pen und Co. den Nachteil, dass ihr zusätzliches Wählerreservoir nicht mehr groß ist: ein paar Konservative vielleicht, und womöglich die Stimmen, die im ersten Wahlgang an Éric Zemmour gingen. Für das Linksbündnis sieht es - trotz allen Vorbehalten der Mitte - besser aus. Wer kommende Woche den Auftrag zur Regierungsbildung bekommt, lässt sich also noch nicht sagen. Fest steht nur: Auf der Linie des Präsidenten wird diese Person nicht sein. Hat Macron damit gerechnet, dass er mit der Entscheidung für Neuwahlen auch gleich seinen politischen Spielraum einengt? Viele verstehen seinen Schritt immer noch nicht.»


«de Volkskrant»: Macron hat Frankreichs Zukunft aufs Spiel gesetzt

AMSTERDAM: Zur zweiten Runde der Parlamentswahl in Frankreich am kommenden Sonntag heißt es am Dienstag in der niederländischen Zeitung «de Volkskrant»:

«Jordan Bardella, der Vorsitzende des Rassamblement National (RN), hat erklärt, er wolle nur im Fall einer absoluten Mehrheit für seine Partei Ministerpräsident werden. Ein solches Ergebnis ist weder garantiert noch ausgeschlossen. Unabhängig von der politischen Zugehörigkeit des künftigen Ministerpräsidenten wird das Regieren ohne klare Mehrheit schwierig sein.

Statt mit dem RN zu arbeiten, könnte sich Macron dann für eine Regierung aus Technokraten entscheiden, allerdings mit dem ständigen Risiko eines Misstrauensantrags der Opposition. Macrons Amt als Präsident ist zwar durch das Wahlergebnis vom Sonntag nicht gefährdet. Aber sein Versuch, durch Neuwahlen «Klarheit» zu schaffen, hat seinem Image schweren Schaden zugefügt. Er ist zu einem Präsidenten geworden, der mit einer riskanten Wette die Zukunft Frankreichs aufs Spiel setzt.»

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