Zeitungen zum Geschehen am Freitag

Foto: Pixabay/Gerd Altmann
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«Frankfurter Rundschau» zum EU-Gipfel

Das designierte Führungstrio der EU hat mit dem Votum des Europäischen Rats den ersten Schritt erstaunlich geräuschlos gemacht, verglichen mit den Querelen bei der letzten Wahl, als die Riege der Regierenden EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber durch Ursula von der Leyen ersetzte und damit für viel Unmut gesorgt hatte.

Es wäre hilfreich, wenn das informelle Bündnis aus der konservativen Parteienfamilie EVP, den Sozialdemokraten und Liberalen im EU-Parlament Ja sagt zu der Dreierspitze. Die Allianz könnte ein erstes Zeichen setzen, um den Einfluss der erstarkten Rechtspopulisten und Rechtsextremen gering zu halten. Die Grünen wären gut beraten, das Bündnis regelmäßig zu unterstützen, um einen weiteren Rechtsruck zu verhindern. Eine derartige Zusammenarbeit im Parlament und auch im Rat ist auch nötig, um die anstehenden immensen Herausforderungen bei Verteidigung, Digitalisierung und Klimaschutz genauso zu bewältigen wie die Auseinandersetzungen mit China, aber teils auch mit den USA.


«Stuttgarter Zeitung» zum TV-Duell zwischen Biden und Trump

Die US-Demokraten sind in eine fatale Lage geraten: Eigentlich ist es zu spät, ihren Kandidaten für das Weiße Haus noch auszutauschen.

Das wäre einfacher, wenn Biden verzichtet. Doch der Mann, der sein ganzes Leben in der Politik verbracht hat, will nicht lockerlassen. Zudem würde im Falle seines Abgangs Vizepräsidentin Kamala Harris ihre Ansprüche anmelden. Die aber ist noch unbeliebter als der Präsident. So hat die früheste TV-Debatte in der Geschichte der US-Präsidentschaftswahlkämpfe Bidens Partei in eine schwere Krise gestürzt. Die enormen Gefahren eines Wahlsiegs von Trump nehmen dadurch zu. Deshalb ist es höchste Zeit für einen Notfallplan ohne Tabus: Die Rettung der amerikanischen Demokratie darf nicht am Ego einzelner Personen scheitern - auch wenn es sich um den Präsidenten oder die Vizepräsidentin handelt.


«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zu Bidens Duell gegen Trump

(.) Seit Wochen beschweren sich Demokraten über die missgünstig zusammengeschnittenen Videos, die [Biden] als senilen Greis desavouieren sollen.

Doch auch in der Fernsehdebatte wirkte [er] streckenweise nur noch alt und überfordert. (.) Wer die Debatte wohlwollend verfolgte, wird in Biden trotz alledem einen Staatsmann wiedererkannt haben, der die großen Themen der in- und ausländischen Politik durchdringt und daraus eine halbwegs kohärente Politik ableitet. (.) Das war aber keine Debatte für ein Publikum des guten Willens. Es hätte der Kampf um die "Doppel-Hasser" sein müssen: jene mittlerweile beispiellos große Zahl von Amerikanern, denen es davor graust, zwischen Pest und Cholera wählen zu müssen. Vor dieser Alternative steht jetzt auch die Demokratische Partei. Kann sie wirklich mit Biden in diese Wahl ziehen? (.).


«Washington Post»: Wähler im Dilemma nach Bidens schwachem TV-Auftritt

WASHINGTON: Über das erste TV-Duell zwischen dem amtierenden US-Präsidenten Joe Biden und Herausforderer Donald Trump schreibt die «Washington Post»:

«Die Präsidentschaftsdebatte begann am Donnerstag ohne Handschlag, und von da an wurde es noch schlimmer. (...) Diese Debatte wird vielleicht nicht für das in Erinnerung bleiben, was gesagt wurde, sondern eher dafür, wie es gesagt wurde. Biden versuchte, Trumps Fantastereien-Parade zu unterbrechen, aber seine Darbietung war schwach. Er stolperte über seine eigenen Worte und schien sich in seinen Sätzen zu verlieren (...)

Bidens Aufgabe am Donnerstag war es, die Sorgen zu zerstreuen, dass er zu viel Schwung verloren hat, um das Land für eine weitere Amtszeit zu führen. Am Ende schürte er mehr Bedenken, als er zerstreute. (...) Die Frage ist, ob die Amerikaner über den Stil hinwegsehen und die Substanz bewerten werden. Biden hat es ihnen am Donnerstagabend nicht leichter gemacht.»


«WSJ»: Demokraten sollten über Alternative für Biden nachdenken

NEW YORK: Über das erste TV-Duell zwischen dem amtierenden US-Präsidenten Joe Biden und Herausforderer Donald Trump schreibt das «Wall Street Journal»:

«Nun, das war schmerzhaft - für die Vereinigten Staaten. Präsident Bidens stockender, stotternder Auftritt in der Debatte am Donnerstagabend hat nur allzu deutlich gezeigt, dass er nicht in der Lage ist, vier weitere Jahre im Amt zu bleiben. Zum Wohle des Landes, mehr noch als zum Wohle ihrer Partei, müssen die Demokraten gründlich darüber nachdenken, ob sie ihn an der Spitze ihrer Partei ersetzen müssen. Das ist kein parteipolitischer Gedanke, sondern ein patriotischer. (...) Biden wirkte wie ein schwacher Mann, den kein Amerikaner im direkten Duell mit Putin oder Chinas Xi Jinping sehen möchte. (...) Biden hat die Delegierten, um die Nominierung zu gewinnen, und die einzige Möglichkeit, dass er nicht nominiert wird, ist, dass er entscheidet, sich zurückzuziehen.»


«DNA»: Rechtsnationale in Frankreich wollen Verfassung verwischen

STRAßBURG: Zu den verfassungsfeindlichen Vorstößen im Programm des rechtsnationalen Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen in Frankreich bei der anstehenden Parlamentswahl schreibt die ostfranzösische Regionalzeitung «Les Dernières Nouvelles d'Alsace» am Freitag:

«(...) Überall diskutieren Experten für öffentliches Recht darüber, was im Programm des Rassemblement National verfassungsgemäß wäre und was nicht. Nehmen wir den Vorschlag, Doppelstaatler von bestimmten, als «sensibel» bezeichneten Posten auszuschließen. Er verstößt gegen den in der Verfassung verankerten Grundsatz der Gleichheit aller Bürger. (...) Die «Priorität für Franzosen», seit vierzig Jahren feste Forderung der (Vorgängerpartei Front National) FN und des RN, verstößt gegen die Grundrechte und -freiheiten, die der Verfassungsrat «allen Personen, die sich auf dem Gebiet der Republik aufhalten», garantiert. Und widerspricht nebenbei dem europäischen Recht. (...)

Die Idee, unter 30-Jährige von der Einkommenssteuer zu befreien, verstößt gegen den Grundsatz der Gleichheit vor der Steuer - das RN hat hier übrigens einen Rückzieher gemacht. (...) Marine Le Pen ist Juristin: Sie weiß, dass ein großer Teil des RN-Programms verfassungswidrig ist. Aber eine Idee zu formulieren, bedeutet bereits, sie möglich zu machen. Und die unsichtbaren Grenzen des republikanischen Rechts nach und nach zu verwischen.»


«Verdens Gang»: Biden zuzusehen ist schmerzhaft

OSLO: Die norwegische Boulevardzeitung «Verdens Gang» (Oslo) kommentiert am Freitag das TV-Duell zwischen Donald Trump und Joe Biden:

«Bidens wichtigste Aufgabe vor dieser Debatte war es, die Wähler davon zu überzeugen, dass er gut qualifiziert ist, das Land in den nächsten vier Jahren zu führen. Das ist ihm nicht gelungen.

Stattdessen hat sein schwacher Auftritt die Unruhe in der Demokratischen Partei über seine Kandidatur noch vergrößert. Manchmal war es schmerzhaft, Biden dabei zuzusehen, wie er um die richtigen Worte rang.

Bei einer im amerikanischen Fernsehen übertragenen Präsidentschaftsdebatte geht es um mehr als um unterschiedliche politische Ansichten. Wichtig ist, wie sich die Kandidaten präsentieren.

Biden hat diese Debatte verloren. Nicht, weil Donald Trump eine gute Leistung zeigte, sondern weil Biden schwach wirkte. Wenn man den guten Willen in die Gleichung einbezieht, könnte man sagen, dass Biden die besten politischen Inhalte und das beste Realitätsverständnis hat. Aber es wird schwierig, vielleicht sogar unmöglich sein, den Eindruck eines strauchelnden Präsidenten zu ändern.»


«Repubblica»: Meloni marginalisiert Italien bei EU-Personalien

ROM: Die italienische Zeitung «La Repubblica» meint am Freitag zur Entscheidung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, sich bei der Nominierung von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für eine zweite Amtszeit zu enthalten:

«Vielleicht hofft die Ministerpräsidentin, mit dieser zweideutigen Entscheidung eine Vorzugsbehandlung bei der Verteilung der Stellen in der EU-Kommission zu bekommen. Vielleicht hat sie auch Zusicherungen in diesem Sinne erhalten. Aber mit Sicherheit befreit ihre Position Italien nicht aus dem Zustand der Marginalisierung, in den es durch fehlende Repräsentanz seiner Regierung geraten ist.

Meloni hat es vorgezogen, im Ghetto der Anti-Europäer zu bleiben und hat auch das Land, das sie vertritt, in die politische Quarantäne hineingezogen. Es war keine erzwungene Entscheidung. Italien ist in den Augen der europäischen Staats- und Regierungschefs wichtiger als die Frage, wer das Land regiert. Selbst wenn die, die es regiert, eine Vertreterin der extremen Rechten ist. Deshalb wurden in dieser Nacht der langen Messer (...) die Klingen wieder in die Scheide gesteckt.»


«The Times»: Meloni ist erbost über Brüsseler Kuhhandel

LONDON: Die Londoner «Times» kommentiert am Freitag die Art und Weise, in der die Auswahl des EU-Spitzenpersonals nach der Europawahl erfolgt:

«Wenn es darum geht, die wichtigen Posten der EU-Kommission zu besetzen, ist ein Kuhhandel angesagt. Dabei kommt es auf die Größe an - sowohl in Bezug auf die Länder als auch auf das Gewicht der jeweiligen paneuropäischen Parteienbündnisse, aus denen sich das Europäische Parlament zusammensetzt. Und wie immer neigen Deutschland und Frankreich dazu, das Verfahren zu dominieren. (...)

Italiens populistische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni protestiert gegen die jüngsten Machenschaften im Zusammenhang mit der Europawahl. Sie spricht von einer Intrige durch EU-Staats- und Regierungschefs unter der Führung von Bundeskanzler Olaf Scholz und Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron, die sich wie «Oligarchen» verhalten und EU-freundliche Kandidaten der Mitte und der linken Mitte für Spitzenpositionen bevorzugen und dabei die Wahlgewinne populistischer Parteien ignorieren würden. (...)

Es wäre ratsam, Meloni zu beschwichtigen. Wie die Ernennung aller Kandidaten muss auch die von Ursula von der Leyen durch das EU-Parlament bestätigt werden. Dabei besteht die Möglichkeit, dass liberale und sozialistische Abgeordnete, die gegen von der Leyens Unterstützung für Israel und die Verwässerung von Umweltmaßnahmen sind, sie erfolgreich sabotieren. Das könnte dann mit Hilfe Melonis verhindert werden, die sich gut mit von der Leyen versteht.»


«El Mundo»: Bolivien steht am Rande des Zusammenbruchs

MADRID: Zum Putschversuch in Bolivien schreibt die spanische Zeitung «El Mundo» am Freitag:

«Die Macht von (Ex-Präsident Evo) Morales ist groß: Er beherrscht die Gewerkschaften der Landarbeiter und einen Großteil des Justizapparats, er heizt soziale Proteste an und behindert die Arbeit der Regierung von (Luis) Arce, die außerdem von der Gefahr einer großen Wirtschaftskrise aufgrund der Erschöpfung der Devisenreserven bedroht wird. Die Auseinandersetzungen innerhalb der (Regierungspartei) MAS treiben Bolivien ins Chaos. (...)

Dies ist bereits das zweite Mal innerhalb von fünf Jahren, dass die verfassungsmäßige Ordnung erschüttert wird. Dies offenbart die chronische Instabilität und die Unsicherheit in Bolivien. Es ist das Land, das seit 1950 die meisten Staatsstreiche erlebt hat. Die Herausforderungen sind enorm, das Land steht am Rande des Zusammenbruchs. Das demokratische System wurde durch einen Populismus schwer beschädigt, der nicht nur eine autoritäre Ausrichtung hat, sondern auch in einen ungewissen Machtkampf verwickelt ist.»


«de Volkskrant»: Augen des Westens sind auf Kenia gerichtet

AMSTERDAM: Die niederländische Zeitung «de Volkskrant» kommentiert am Freitag die gewalttätigen Proteste gegen Steuererhöhungen in Kenia:

«Wird Kenias Präsident William Ruto den Geist zurück in die Flasche bekommen? Das ist die große Frage nach den massiven Protesten, die diese Woche gegen die geplanten Steuererhöhungen auf Güter des täglichen Bedarfs wie Brot, Zucker und Windeln ausgebrochen sind.

Mit seiner unerwarteten Kehrtwende durch die Rücknahme des umstrittenen Gesetzentwurfs ist der Konflikt längst noch nicht ausgestanden. Trotz der Zusage, mit den Demonstranten zu sprechen, gingen junge Menschen am Donnerstag erneut auf die Straße. Und nach der Polizeigewalt, bei der am Dienstag 23 Demonstranten getötet wurden, war die Wut der Protestierenden diesmal noch größer.

Ruto muss nun versuchen, die Proteste zu unterdrücken, ohne dabei übermäßige Gewalt anzuwenden. Er weiß, dass die Augen des Westens - bei dem er einen guten Ruf genießen möchte - auf ihn gerichtet sind, und er wird die Unzufriedenheit der Demonstranten ernst nehmen müssen. Die von der jungen Generation geforderten Reformen stehen jedoch im Widerspruch zu den Interessen der etablierten Eliten, zu denen er selbst gehört und auf deren Unterstützung er nicht verzichten kann. Ein teuflisches Dilemma, das Versprechungen auch anderer afrikanischer Staatschefs immer wieder zunichtegemacht hat.»


«NZZ»: Erstarken politischer Ränder gefährdet den Euro

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» macht am Freitag auf Gefahren für den Euro aufmerksam:

«Um eine unvollendete Währungsunion wie die Euro-Zone funktionsfähig zu halten, in der es zwar eine gemeinsame Geld-, aber keine gemeinsame Fiskalpolitik gibt, benötigen die Mitglieder aufgrund der unterschiedlichen nationalen Kulturen und Interessen einen hohen politischen Willen zur Kooperation. Dieser war in den vergangenen Jahren meist vorhanden - und dennoch musste erst die Europäische Zentralbank (EZB) als Ausputzer einspringen, um im Jahr 2012 die Schuldenkrise zu beruhigen. Der Wille zur Kooperation dürfte aber in den kommenden Jahren durch das Erstarken der politischen Ränder in Europa abnehmen.

Parteien vom rechten (und linken) Rand wehren sich nämlich meist noch stärker gegen die in den Maastricht-Verträgen vereinbarten finanzpolitischen Vorgaben als ihre Pendants aus der Mitte. (.) Das Erstarken der politischen Ränder in Frankreich, Italien und etlichen anderen Ländern der Euro-Zone geschieht ferner zu einem Zeitpunkt, in dem die Staatsschulden ohnehin sehr hoch sind und die Einhaltung der Maastricht-Kriterien für viele Mitglieder in weiter Ferne liegt. (.)

Dass die EZB aber tatsächlich auch einer Regierung erneut als Retter in der Not zu Hilfe eilt, die politisch sehr weit rechts steht, sollte man nicht als gegeben ansehen. Die Notenbank könnte außerdem auch Hilfen mit strengen wirtschaftlichen Konditionen versehen - was in Frankreich oder Italien wohl auf große Empörung stoßen würde.»

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