Zeitungen zum Geschehen am Mittwoch

Foto: Pixabay/Gerd Altmann
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«Stuttgarter Zeitung» zu Merih Demirals Wolfsgruß

Die Zeiten, als der britische Schriftsteller George Orwell zum Schluss kam, Länderspiele seien so etwas wie "war minus shooting" (Krieg ohne Schüsse) sind zum Glück lange vorbei - doch der Furor hat in manchen Köpfen überlebt.

Darüber kann auch die Sehnsucht nach einem zweiten Sommermärchen nicht hinwegtäuschen. Doch die Mehrheit der friedlichen Fans, die sich einfach nur am Sport erfreuen wollen, die Spannung des Spiels genießen und Tore bejubeln, haben ein Anrecht darauf, dass Leute wie Merih Demiral und seine Anhänger die rote Karte gezeigt bekommen.


«Handelsblatt» zur EM und zur Wirkung Deutschlands

Es gab ja vor dieser EM Träume, das Sommermärchen von 2006 zu wiederholen.

Die Euphorie, die gute Stimmung, die Bewunderung des Auslands für dieses gut funktionierende Land, was wiederum auf den Standort zurückwirkte. Doch davon ist bisher wenig zu spüren - und das liegt nicht am schlechten Wetter (.). Die Bahn und ihr Vorstand machen das Land international zum Gespött. Von der "New York Times" bis zur spanischen Presse witzeln die Berichterstatter über den Zustand dieses Unternehmens. Derweil belustigen sich Engländer, die infrastrukturtechnisch wirklich nicht verwöhnt sind, über das Nichtfunktionieren der kompletten Logistik an ihren Spielorten. Hinzu kommen Beschwerden über Funklöcher, die Analogfixierung vieler Unternehmen, teure oder gar keine Dienstleistungen. (.) Vielleicht sollte es ein Weckruf für diese Regierung sein, sich doch noch mal mit den Problemen des Standorts, seiner Infrastruktur und seiner Digitalisierung zu beschäftigen.


«Frankfurter Rundschau» zu Wolfsgruß des türkischen Fußballers Demiral

Es ist das Mindeste, dass der europäische Fußballverband Uefa ein Untersuchungsverfahren gegen Merih Demiral eingeleitet hat, nachdem er im EM-Achtelfinale seiner türkischen Nationalmannschaft in Leipzig den "Wolfsgruß" der rechtsextremen und gewaltverherrlichenden "Grauen Wölfe" gezeigt hat.

Doch Demiral war nicht der Einzige. Bereits bei den Vorrundenspielen der türkischen Mannschaft in Dortmund und Hamburg hatten etliche türkische Fans die Symbole der "Grauen Wölfe" gezeigt, deren Zeichen in Österreich seit 2019 verboten sind. In Frankreich hatte der Ministerrat die Auflösung der "Grauen Wölfe" 2020 angeordnet. Am kommenden Samstag spielt die türkische Nationalmannschaft im EM-Viertelfinale gegen die Niederlande. Der Austragungsort ist das Olympiastadion in Berlin, wo die größte türkischstämmige Gemeinde Deutschlands lebt. Dieses Spiel sollte auch ein Anlass sein, um ein Zeichen zu setzen. Gegen die «Grauen Wölfe».


«El País»: Republikanische Front für die Zukunft

MADRID: Die spanische Zeitung «El País» kommentiert am Mittwoch die Lage in Frankreich vor der zweiten Runde der Parlamentswahl:

«Bei den französischen Parlamentswahlen ist noch nichts entschieden. (...) Es ist noch nicht klar, ob es (das rechtsnationale Rassemblement National von Marine Le Pen) die Macht erobern kann. Dies könnte dadurch verhindert werden, dass 218 Kandidaten - die meisten von der Linken, aber auch aus dem Umfeld von Präsident Emmanuel Macron - beschlossen haben, sich von der zweiten Runde am Sonntag zurückzuziehen, um den in ihren Bezirken am besten platzierten Kandidaten gegenüber dem des RN zu bevorzugen. Der Rückzug ermöglicht eine - wenn auch nur vorübergehende und partielle - Wiederbelebung der sogenannten republikanischen Front, des Zusammenschlusses aller linken und konservativen Parteien und Wähler gegen die extreme Rechte. (...)

Die Parteien sollten jedoch über den Nutzen und die Wirksamkeit der republikanischen Front nachdenken, die sich als nützlich erwiesen hat, um die extreme Rechte von der Macht fernzuhalten, nicht aber, um ihren Vormarsch im Laufe der Jahrzehnte zu begrenzen. Das Lager der Demokraten täte gut daran, nach langfristigen Antworten auf das Unbehagen zu suchen, das in der Wahl von Rechtsextremen zum Ausdruck kommt. Frankreich braucht eine republikanische Front, aber nicht nur für den nächsten Sonntag, sondern für die kommenden Jahre. Eine Front, die die Gründe, für Le Pen zu stimmen, entkräftet.»


«Leta»: Neues EU-Spitzenpersonal passt Kreml gar nicht

RIGA: Die lettische Nachrichtenagentur «Leta» kommentiert am Mittwoch aufgebrachte Reaktionen des Kremls und in Propagandasendungen des russischen Staatsfernsehens auf das neu nominierte EU-Spitzenpersonal:

«Diese Hysterie zeigt, dass der Kreml zutiefst enttäuscht ist. Angesichts des Ausgangs der Europawahlen, bei denen rechtsextreme Parteien deutliche Zuwächse erzielten, hatte Moskau auf ein besseres Ergebnis für sich selbst gehofft. Denn Ursula von der Leyen hat sich nämlich bisher als überzeugte Verteidigerin der Ukraine erwiesen, sich für Sanktionen gegen Russland eingesetzt und die Beschlagnahmung und Übertragung eingefrorener russischer Vermögenswerte in die Ukraine verteidigt. Deshalb haben die Russen nun die Hoffnung verloren, dass die EU-Kommission ihren politischen Kurs ändern könnte.

Andererseits demütigt die Ernennung von (Estlands Regierungschefin Kaja) Kallas zur Hohen Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik den Kreml, weil Russland die baltischen Staaten immer nur als zweitklassig betrachtet hat. Und die Aussicht, dass Moskau mit einem Vertreter des verhassten Baltikums am Verhandlungstisch sitzen müsste, gefällt den Russen natürlich nicht. Dies gilt umso mehr, als in Russland insgeheim noch immer die Vorstellung lebendig ist, dass die baltischen Staaten zum Russischen Reich gehöre. Deshalb wird Kallas verächtlich als «estnische Närrin» bezeichnet.»


«Wyborcza»: Scholz nannte keine Summe für Entschädigung von NS-Opfern

WARSCHAU: Die polnische Tageszeitung «Gazeta Wyborcza» schreibt am Mittwoch zu den deutsch-polnischen Regierungskonsultationen:

«Zum ersten Mal seit sechs Jahren haben sich die polnische und die deutsche Regierung zu Konsultationen getroffen. Entgegen der Ankündigung sagte Bundeskanzler Olaf Scholz allerdings nicht, wie viel Geld er für die polnischen Opfer des Dritten Reiches bereitstellen wird. Deutsche Medien hatten berichtet, Scholz wolle in Warschau den Vorschlag unterbreiten, 100 bis 200 Millionen Euro für die noch lebenden Opfer der deutschen Repressionen zu spenden.

Nach unseren Informationen ist der Betrag kurz vor Scholz' Ankunft in Warschau verschwunden. Aus deutschen diplomatischen Kreisen erfuhren wir, dass die Ankündigung vom Streit um den deutschen Haushalt für das kommende Jahr überschattet wurde, dessen Entwurf noch immer nicht verabschiedet ist. Scholz wollte keine Ausgaben im Ausland öffentlich bekanntgeben, da er Kritik sowohl intern als auch von der Opposition fürchtete. Andererseits gab es auch die Befürchtung, dass die Nennung eines Betrags in Polen Öl ins Feuer gießen könnte. Die (frühere nationalkonservative) PiS-Regierung verlangte 1,3 Billionen Euro an Reparationen von Deutschland (Polen hat 1953 offiziell auf Reparationen verzichtet). 200 Millionen Euro sind nur ein Bruchteil dieses Betrags.»


«Aktualne.cz»: Patrioten gegen Europa verbünden sich

PRAG: Parteien aus Tschechien, Ungarn und Österreich wollen im EU-Parlament die neue Rechtsaußen-Fraktion «Patrioten für Europa» gründen. Dazu schreibt das Nachrichtenportal «Aktualne.cz» aus Tschechien am Mittwoch:

«Die Sommerferien haben begonnen, aber über Langeweile können wir uns nicht beklagen. (Der Chef der tschechischen Partei ANO) Andrej Babis hat mit (Ungarns Ministerpräsident) Viktor Orban und dem FPÖ-Parteichef Herbert Kickl die Gründung einer neuen Allianz namens «Patrioten für Europa» bekanntgegeben. (...)

Der Name ist paradox. Wenn man sich das Manifest der Gruppierung durchliest, geht es darum, die EU deutlich zu schwächen und die Nationalstaaten zu stärken. Logischer- und richtigerweise müsste sich das Bündnis also «Patrioten gegen Europa» nennen. (...)

Babis schwebt ein Tschechien nach dem Vorbild Ungarns vor - mit gezähmten Medien, mit niedergewalzten politischen Gegnern und mit Hegemonie für seine Unternehmen. Er spricht von der Souveränität der Nationen, aber (...) er will nur einen souveränen, durch niemanden kontrollierten Babis, genauso wie Orban nur einen souveränen, durch niemanden kontrollierten Orban will.»


«Rzeczpospolita»: Berlin zeigt keine Kreativität bei Wiedergutmachung

WARSCHAU: Die polnische Tageszeitung «Rzeczpospolita» befasst sich mit den deutsch-polnischen Regierungskonsultationen:

«Während der Pressekonferenz des polnischen Regierungschefs Donald Tusk und des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz hörte man nur allzu oft: Wir fangen an, über Details zu sprechen, wir diskutieren, wir starten mit Schwung durch. Das klingt nicht gut, schon gar nicht beim Thema Aufarbeitung der Verbrechen des Dritten Reiches. Zwei Legislaturperioden lang kämpfte die (frühere nationalkonservative) PiS-Regierung um die von vornherein verlorene Frage der Billionen-Reparationen. Die neue polnische Regierung fordert keine Reparationen. Vielmehr möchte sie, wie Polens Außenminister Rados?aw Sikorski vor einigen Monaten sagte, dass die deutsche Regierung in der Frage der Entschädigung für Polen Kreativität zeigt.

Leider hat sie diese Kreativität nicht gezeigt. Und es bleibt nicht mehr viel Zeit, in einem Jahr sind Wahlen in Deutschland, bei denen die Partei des Bundeskanzlers und ihre Koalitionspartner nicht zu den Favoriten gehören. Die schwache Regierung von Olaf Scholz, die sich immerhin - wie die Pressekonferenz zeigt - der Bedeutung der Zusammenarbeit mit Polen in der wichtigsten Frage, nämlich der Sicherheit und dem Krieg in der Ukraine, bewusst ist, sollte viel mehr Kreativität zeigen. Acht Jahrzehnte sind seit dem Zweiten Weltkrieg vergangen. Die letzte Kriegsgeneration in Polen ist am Aussterben.»


«Aftonbladet»: Nicht zu spät, um Biden in Rente zu schicken

STOCKHOLM: Die sozialdemokratische schwedische Tageszeitung «Aftonbladet» (Stockholm) kommentiert den Druck auf US-Präsident Joe Biden nach seinem desaströsen Auftritt beim Fernsehduell gegen seinen Konkurrenten Donald Trump:

«Joe Bidens TV-Debatte gegen Donald Trump wurde zu einer Katastrophe. Es war nicht Bidens leerer Blick und seine träge Rede, die die Sendung so unerträglich machten. Sicher, es war schmerzhaft zu sehen, wie der Präsident jedes Mal, wenn er einen Beitrag beendete, in eine Art Energiesparmodus wechselte. Aber das wirklich Unangenehme war, seine Angriffsversuche auf Trump zu hören. Es lohnt sich nicht, auf Details einzugehen, aber sagen wir mal so: Sowohl Übergewicht als auch das Golf-Handicap kamen zur Sprache.

Die Unzufriedenheit mit Joe Biden wächst. Es ist für die Demokraten weiterhin möglich, den Kandidaten beim Parteitag im August auszutauschen. Aber dann muss Biden selbst die Initiative ergreifen. Das ist nicht sonderlich wahrscheinlich. Viele setzen ihre Hoffnung darauf, dass die Frau des Präsidenten oder seine Schwester ihn überreden, jemand anderen vorzulassen. Ein neuer Kandidat hätte einige Vorteile. Bis zum Wahltag wäre noch viel Zeit für den Wahlkampf. Die Medienaufmerksamkeit wäre garantiert. Ein neuer Kandidat müsste auch nicht für Probleme, wie die hohe Inflation, Rede und Antwort stehen. Vor allem aber würde Trump wie der träge, alte Kandidat erscheinen. Das Problem ist, dass sich die Demokraten nicht die Mühe gemacht haben, geeignete Nachfolger heranzuzüchten.»


«Neatkariga Rita Avize»: Gibt es wirklich niemanden, der besser ist?

RIGA: Die lettische Tageszeitung «Neatkariga Rita Avize» kommentiert am Mittwoch den Präsidentschaftswahlkampf in den USA:

«Um den Posten des Präsidenten des einflussreichsten Landes der Welt - der USA - kämpfen zwei für den Job ungeeignete Personen. Die Hauptfrage, die sich die Menschen nach der US-Präsidentschaftsdebatte stellen, ist vor allem eine: Wie kommt es, dass in einem Land mit 330 Millionen Einwohnern diese beiden älteren Männer, die eigentlich niemand wirklich im Weißen Haus sehen möchte, um diese Position kämpfen? Gibt es wirklich niemanden, der besser ist?»


«The Times»: Sunaks Bilanz ist keine Blamage

LONDON: Die Londoner «Times» kommentiert am Mittwoch die Parlamentswahlen in Großbritannien:

«Nicht einmal Rishi Sunak glaubt, dass Rishi Sunak nach dieser Woche noch Premierminister sein wird. Alle Umfragen deuten auf eine schwere Niederlage der Konservativen hin. In diesem Fall muss Sunak die Verantwortung übernehmen. Eine durchaus nachvollziehbare vorläufige Einschätzung lautet jedoch, dass seine Bilanz im Amt zwar kein Erfolg, aber auch keine Blamage ist. (...)

Der Brexit hat die Wachstumsaussichten Großbritanniens durch die Errichtung von Handelshemmnissen eingeschränkt, aber er geht auf eine Volksabstimmung zurück und musste daher vollzogen werden. Bei der Aushandlung des Windsor-Abkommens mit der EU gelang es Sunak, eine harte Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland zu vermeiden. Und auch in anderer Hinsicht hat Sunak ein sichereres Gespür für praktische Politik bewiesen, als seine Kritiker es zugeben, geschweige denn selbst an den Tag legen. (...)

Das Mindeste, was man über Sunak sagen kann, ist, dass er dieses Schicksal nicht selbst verschuldet hat, dass er versucht hat, den Lebensstandard der Briten vor den Launen der internationalen Ereignisse zu schützen, und er sich für die Ukraine, Israel und die westlichen Demokratien eingesetzt hat. Aber die Herkulesaufgabe, die Reputation der Tories als kompetente und rechtschaffene Partei wiederherzustellen, war zu groß für ihn.»


«Washington Post»: Warnsignale für Biden aus Paris und London

WASHINGTON: Nach dem TV-Debakel muss US-Präsident Joe Biden den Wahlkampf nüchtern betrachten, wie die «Washington Post» am Mittwoch schreibt. Die Lage in Europa zeige, warum das wichtig sei:

«Drei westliche Staats- und Regierungschefs haben große Wetten abgeschlossen, die in rascher Folge nach hinten loszugehen scheinen. Sie haben ihr eigenes politisches Geschick überschätzt und die Stimmung gegen den jeweiligen Amtsinhaber unterschätzt. Präsident Biden sollte genau beobachten, was in Paris und London passiert, während er abwägt, ob er seinen Wahlkampf fortsetzen soll. (...)

Um zu gewinnen, müsste Biden Millionen von Menschen, die ihm die Präsidentschaft nicht zutrauen, davon überzeugen, für ihn zu stimmen. Was in Frankreich und Großbritannien passiert, zeigt, dass das nicht so einfach ist, wie er denkt. (...)

Wenn Biden im Rennen bleibt und die Republikaner in vier Monaten das Weiße Haus und beide Kammern des Kongresses gewinnen, werden die Demokraten bedauern, dass sie in diesem Moment nicht sorgfältiger nachgedacht haben, als sie noch in der Lage gewesen wären, ein solch bedauerliches Ergebnis abzuwenden.»


«Die Presse»: Für Biden kann es im Debakel enden

WIEN: Über US-Präsident Joe Biden und die kommende Wahl schreibt die österreichische Tageszeitung «Die Presse»:

«Man mag es drehen und wenden, wie man will: So wie die Dinge liegen, läuft alles gegen Joe Biden. Dass er das noch nicht selbst längst eingesehen hat, ist auf den Kampfgeist eines oft belächelten, unterschätzten und abgeschriebenen Politikers zurückzuführen. Auf seine "Ich zeige es euch"-Mentalität und auf eine Portion irischen Starrsinns.

Vor dem Parteikonvent der Demokraten Mitte August in Chicago schickt sich der 81-Jährige an, in den Angriffsmodus überzugehen. Er will sich als macht- und verantwortungsbewusster Präsident präsentieren, der in der Lage ist, die Nation - und den Westen - in den kommenden vier Jahren zu führen. Als Amtsinhaber, der das Land nicht der Unberechenbarkeit und Skrupellosigkeit Donald Trumps überlassen mag - und als Einziger, so sein Narrativ, der auch imstande ist, ihn zu besiegen. Dieser Versuch wird womöglich, wie beim TV-Duell, in ein Debakel münden. Zu offenkundig sind seine Schwächen, als dass er und sein Team sie kaschieren könnten.»


«Corriere della Sera»: Britische Wahl kann viele Vorteile bringen

ROM: Die italienische Zeitung «Corriere della Sera» befasst sich mit der Parlamentswahl in Großbritannien an diesem Donnerstag:

«Acht Jahre nach dem Referendum, das das Vereinigte Königreich vom Kontinent getrennt hat, könnte in dieser ersten Juli-Woche die Post-Brexit-Phase beginnen: der Aufbau einer neuen Beziehung, von der beide Seiten profitieren. Großbritannien hat viel zu gewinnen, wenn es seine Beziehung zum europäischen Markt und zur politischen Einheit Europas wiederherstellt. Und die EU kann große Vorteile daraus ziehen, insbesondere in einer Zeit internationaler Unruhen, von Kriegen und einer sich verändernden Weltwirtschaft.

Es ist dieser zweite Aspekt, über den in den letzten Jahren wenig gesprochen wurde: Die Briten haben für ihre Entscheidung und für die Unfähigkeit ihrer konservativen Regierungen, den Brexit positiv zu gestalten, einen Preis bezahlt. Aber auch die Europäer haben - wenn auch im Verborgenen - unter den negativen Folgen des Referendums von 2016 zu leiden. Wenn die politischen Veränderungen, die auf dem Kontinent und in London heranreifen, dazu führen, dass diese doppelte Realität anerkannt wird, wären die Vorteile für alle erheblich.»


«de Volkskrant»: Richter gewähren Trump diktatorische Freiheiten

AMSTERDAM: Die niederländischen Zeitung «de Volkskrant» kommentiert am Mittwoch die Entscheidung des Obersten Gerichts der USA zur Immunität von US-Präsidenten:

«237 Jahre nach der Ausarbeitung der US-Verfassung, ist der Grundsatz, dass niemand im Lande über dem Gesetz steht, aufgehoben worden. Sechs von neun Richtern des Obersten Gerichts entschieden, dass ein Präsident nicht für Handlungen belangt werden kann, die er im Amt begangen hat. Er kann zwar immer noch für Taten verfolgt werden, die nicht in den Bereich seiner Dienstpflichten gehören, aber wo die Grenze zu ziehen ist, muss erst noch rechtlich geklärt werden. Bis auf Weiteres könnte ein Präsident also alles tun und lassen, was er will. (...)

Das ist eine schockierende Ausweitung der Macht eines der mächtigsten Ämter der Welt. Die USA werden damit in unbekanntes Terrain geführt. Vor allem im Hinblick auf die bevorstehende Wahl, die nach dem derzeitigen Stand der Dinge Donald Trump gewinnen wird. (...)

Das Urteil deutet erneut auf einen der schwächsten Punkte der US-Demokratie: die Ernennung der obersten Richter durch den Senat und den Präsidenten. Die Republikaner haben während Trumps Amtszeit drei von ihnen durch extrem konservative Loyalisten ersetzt. Diese drei waren ausschlaggebend dafür, dass nun einem Präsidentschaftskandidaten potenziell diktatorische Freiheiten gewährt werden, wobei Trump gar kein Hehl daraus macht, dass er sie benutzen will.»

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