Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Dienstag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Berliner Morgenpost» zu Xinjiang

Das Hochkommissariat für Menschenrechte der Vereinten Nationen sieht in Xinjiang Hinweise auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegen Uiguren und andere muslimische Minderheiten.

China weist die Vorwürfe zurück. Doch Xinjiang ist zum Synonym geworden für grausame Umerziehungslager und Zwangsarbeit. Dazu befindet sich die Grenzstadt Yining offenbar seit Wochen im Lockdown. Es gilt die Null-Covid-Politik von Staatschef Xi Jinping, der sich im Oktober zum dritten Mal im Amt bestätigen lassen will. Auch die Umerziehungslager gehören zu seiner Strategie. Die Weltgemeinschaft steht hilflos daneben.


Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Dienstag

«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zu Entlastungspakete: Kein Sinn für Prioritäten

Stein des Anstoßes ist vor allem das 9-Euro-Ticket.

... Das Ticket steht nur stellvertretend für Bundespolitiker, die sich beliebt machen, die Zeche aber andere zahlen lassen. Es ist eine Politik, die im Föderalismus den Fehler sucht, den der Zentralstaat verbockt. Wenn die Bundesregierung sich ganz auf die Aufgaben konzentrierte, für die allein sie zuständig ist, wäre das ein politisches Entlastungspaket, das den Namen verdient. Die Schuldenbremse sollte dafür der Hebel sein. Wer daraus in normalen Zeiten nicht schlau wird, müsste es eigentlich in Krisenzeiten schnell lernen. Die Entlastungspakete reihen aber Nötiges und Wünschenswertes aneinander, ohne dass ein Sinn für Prioritäten erkennbar wäre. Dass die Regierung erst jetzt die Nöte des Mittelstands entdeckt, zeigt sehr deutlich, wie verkümmert dieser Sinn ist.


«Handelsblatt» zur Energiepolitik der Bundesregierung

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erweckt den Eindruck, als sei bereits das Wesentliche auf den Weg gebracht worden, um den kommenden Winter und auch die kommenden Jahre einigermaßen unbeschadet zu überstehen.

Aber das ist ein gefährlicher Trugschluss. Die Gefahr einer Deindustrialisierung ist real. Gerade der industrielle Kern aber ist der Ausgangspunkt vieler Wertschöpfungsketten, die für den Aufbau einer auf erneuerbaren Energien beruhenden Energieversorgungsstruktur unerlässlich sind. So löblich die Initiativen des Staates zur Unterstützung der Industrie auch sind, so hilflos sind sie zugleich: Man kann die Knappheit an Strom und Gas nicht dauerhaft wegsubventionieren. Es gibt nur eine Möglichkeit, der Gefahr entgegenzuwirken: Das Angebot an Strom und Gas muss massiv ausgeweitet werden.


«Münchner Merkur» zu Ukraine

Russische Soldaten in wilder Flucht, verlassene Panzer, fassungslose Militärexperten im Staatsfernsehen und Abgeordnete, die offen Putins Entmachtung fordern: Nach der Katastrophe bei Charkiw steht der Kreml unter Schock, werden die Risse im System Putin sichtbar.

Blamiert steht aber nicht nur der scheinbar allmächtige Diktator da, sondern auch Deutschlands Unterwerfungspazifisten, all die Schwarzers, Prechts, Vads und Wagenknechts, die seit Monaten mit dem Ruf nach Kapitulation der angeblich chancenlosen Ukrainer um die Häuser zogen. Die aber kämpfen mit heißem Herzen um ihre und Europas Freiheit, während sie aus Deutschland wohlfeile Ratschläge zu hören bekamen, die mehr um das eigene Wohl kreisten. Ja, die Verteidigung der Freiheit hat auch für uns einen hohen Preis. Aber er ist leichter zu ertragen, wenn man weiß, dass all die Opfer und Entbehrungen nicht umsonst sind. Übrigens: An den Weltmärkten fallen die Gaspreise seit Wochen deutlich. Auch an dieser Front läuft der Krieg für Putin richtig mies.


«Frankfurter Rundschau» zum Streit in der Linkspartei

Sahra Wagenknecht und ihre mal aufs Nationale verengte, mal russlandfreundliche Truppe provozieren und treiben den Rest der Partei in vollem Bewusstsein vor sich her.

Sie gefährden die Linke durch ihre Nähe zu rechten Positionen. Ihre Abspaltung scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Die Fraktionsspitze um Dietmar Bartsch lässt sie gewähren. Die Parteiführung scheint auf Einsicht zu hoffen. Doch damit ist nicht zu rechnen, im Gegenteil. Wagenknechts Gefährte Oskar Lafontaine hat nicht nur mit seinem Affront kurz vor der saarländischen Landtagswahl gezeigt, dass dieser Flügel gerne den Zeitpunkt wählt, der den größtmöglichen Schaden für die Linke anrichtet. Wenn sie das verhindern wollen, müssen die Parteichefs das Heft des Handelns jetzt in die Hand nehmen. Auch um den Preis einer Spaltung, die inhaltlich längst Realität ist. Denn wer Putins Geschäft betreibt, kann nicht länger Teil einer demokratischen Linkspartei sein.


«Washington Post»: Eine Gegenoffensive ist noch kein Sieg

WASHINGTON: Zur bisher erfolgreich verlaufenden Gegenoffensive der Ukraine und dem Rückzug Russlands aus einigen Gebieten im Osten des Landes schreibt die «Washington Post»:

«Die Streitkräfte des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskij haben Einfallsreichtum bewiesen und die von den USA zur Verfügung gestellte starke Artillerie und andere Waffen gut genutzt, um den russischen Nachschublinien verheerend zuzusetzen. Aber eine Gegenoffensive bedeutet noch keinen Sieg. Die Ukraine muss den Druck aufrechterhalten, um Russland aus anderen Gebieten zu vertreiben. Der Kampf um Cherson muss noch geführt werden.

Das Hochgefühl der vergangenen Tage muss dem US-Kongress und Europa in Erinnerung rufen, dass eine maximale Anstrengung zur Versorgung der Ukraine jetzt eine Investition in einen erfolgreichen Ausgang später ist. Die Ukraine hat eine lange Wunschliste an benötigten Waffensystemen. Zumindest ist der jüngste Antrag von Präsident Biden auf 13,7 Milliarden Dollar an Hilfe für die Ukraine sinnvoll und verdient rasches Handeln.»


«Lidove noviny»: Schweden als Gegenpol zu Deutschland

PRAG: Zum Erfolg der rechtspopulistischen Schwedendemokraten bei der Parlamentswahl in Schweden schreibt die konservative Zeitung «Lidove noviny» aus Tschechien am Dienstag:

«Lange wurden die Schwedendemokraten ausgegrenzt, was die Bildung rechter Mehrheiten und Regierungen verhinderte. Diese Ausgrenzung hat nun ein Ende. Die Partei, welche die Einwanderungspolitik der früheren Regierungen ablehnt, dürfte zweitstärkste Kraft im Parlament werden. (...) Schweden ist damit ein starker Gegenpol zu Deutschland, wo die AfD selbst dort ausgegrenzt wird, wo sie mit ihrer Stimme zur Bildung wenigstens irgendeiner Art von Mehrheit beitragen könnte. (...) Wer verfolgt, wie sehr die Europäische Union Wert auf Rechtsstaatlichkeit legt, der wird sich sagen, wie gut es ist, dass in Schweden andere Verhältnisse herrschen.»


«El Periódico»: Gefahr einer Eskalation in der Ukraine

MADRID: Zu den jüngsten Erfolgen der ukrainischen Streitkräfte gegen den russischen Besatzer schreibt die spanische Zeitung «El Periódico» am Dienstag:

«Niemand im Kreml hat wohl geglaubt, dass es in diesem Konflikt zu einem längeren Patt an der Front oder sogar zu einem wirksamen Gegenangriff der ukrainischen Streitkräfte kommen könnte. Und niemand konnte auch vorhersehen, wie weitreichend und wirksam die westliche Hilfe für die Ukraine sein würde. Es bleibt nun allerdings abzuwarten, ob die derzeitige Situation an der Front irgendwann zur Aufnahme von Verhandlungen zwischen den Parteien führen wird, und sei es auch nur durch eine vermittelnde Macht (...) Es besteht die Gefahr, dass die ukrainischen Erfolge, anstatt Gespräche über einen Waffenstillstand zu begünstigen, beide Seiten zu einer Intensivierung der Kämpfe ermutigen.»


«DNA»: Ist Moskau am Ende seiner Kräfte?

STRAßBURG: Zur erfolgreichen ukrainischen Offensive schreibt die französische Tageszeitung «Les Dernières Nouvelles d'Alsace» am Dienstag:

«Die Ukrainer sind dabei, den Krieg in eine neue Dimension zu führen. Die angeblich «zweitgrößte Armee der Welt» ist zwar noch nicht gescheitert, aber sie ist nicht mehr weit davon entfernt.

(...) Niemand kann mehr behaupten, dass Moskau die Mittel hat, um zu reagieren und die Kontrolle über die Situation zurückzugewinnen (...). Angesichts der jüngsten Ereignisse (...) sind zumindest Zweifel daran angebracht.

Die Dynamik ist heute ukrainisch, das ist ganz klar. Dank der Unterstützung des Westens verfügt Kiew (...) über eine technologische Überlegenheit, die man intelligent nutzt und die neue Horizonte eröffnet. Es geht nicht mehr nur ums Überleben. Es geht darum, die Invasoren aus den 1991 gezogenen Grenzen zu vertreiben. Das bedeutet auch von der Krim und aus dem Donbass.»


«The Telegraph»: Deutschland muss die Nerven behalten

LONDON: Der Londoner «Telegraph» kommentiert am Dienstag den Kriegsverlauf in der Ukraine:

«Was ursprünglich im Februar als rasche Übernahme der ukrainischen Hauptstadt Kiew und Einsetzung einer kremltreuen Marionettenregierung geplant war, hat sich für Wladimir Putin zu einem alptraumhaften Zermürbungskrieg entwickelt. (...) Die Gefahr besteht darin, dass er den Krieg noch brutaler als zuvor führt,, um die Hardliner zu beschwichtigen. Außerdem hat er weiterhin die Möglichkeit, Gaslieferungen zu unterbinden, auf die viele westliche Länder angewiesen sind.

Da die Ukraine weiterhin wichtige Waffenlieferungen von der Nato erhält, will der Kreml, dass die Europäer leiden - selbst wenn dies bedeutet, dass seine eigenen Einnahmen geschmälert werden. Länder wie Deutschland, die einer solchen Taktik besonders ausgesetzt sind, müssen im kommenden Winter die Nerven behalten und der Ukraine die Unterstützung geben, die sie für ihren Mut verdient.»


«De Standaard»: Russische Niederlage könnte extreme Kräfte entfesseln

BRÜSSEL: Zum Kriegsverlauf in der Ukraine schreibt die belgische Zeitung «De Standaard» am Dienstag:

«Der Durchbruch der ukrainischen Truppen im Nordosten des Landes ist sicherlich spektakulär und weckt Hoffnungen. Für Russland ist das ebenso demütigend wie die gescheiterte Offensive auf Kiew. Für die Ukraine bestätigt es, wo ihre Stärke liegt. Die ukrainischen Soldaten kämpfen für ihr Land und ihre Freiheit, die Russen für einen mageren Lohn. Die ukrainische Armee ist innovativ, flexibel, jung und stützt sich auf die Initiative der lokalen Kommandeure. Die russische ist korrupt, zentralisiert und kämpft mit Handbüchern aus der Vergangenheit. Gegen die russischen Übermacht bei Panzern und Artillerie kann die Ukraine zunehmend moderne, präzise und hochmobile westliche Waffen einsetzen. (...)

Eine demokratische und souveräne Ukraine muss diesen Krieg gewinnen. Die Frage ist, wozu das in Russland führen würde. Werden sich die Oligarchen für ihr Geld entscheiden und einen Deal zwischen dem Regime und dem Westen forcieren? Werden die Liberalen eine zweite Chance bekommen? Oder wird eine russische Niederlage noch extremere Kräfte als Putin entfesseln? Auch das ist ein Szenario, auf das wir besser vorbereitet sein sollten.»


«NZZ»: In der Ukraine wird auch Deutschlands Sicherheit verteidigt

ZÜRICH: Zur Unterstützung Deutschlands für die Ukraine meint die «Neue Zürcher Zeitung» am Dienstag:

«Die vergangenen Tage haben gezeigt: Berlin wäre gut beraten, der Ukraine mehr Waffen zu liefern - selbst dann, wenn das vorübergehend auf Kosten eigener Bestände oder in der Rüstungsindustrie benötigter Kapazitäten geht. Denn in dem angegriffenen Land wird derzeit auch Deutschlands Sicherheit verteidigt. (...)

Deutschland muss mithelfen, dass Kiews Truppen die Oberhand gewinnen können. So paradox es klingt: Erst eine militärisch erfolgreiche Ukraine wird Moskau an den Verhandlungstisch zwingen.

Deutschland sollte deshalb schnell handeln. Denn auch innenpolitisch steht das Zeitfenster für eine weitergehende Unterstützung nicht unendlich weit offen. Umfragen zeigen, dass noch immer eine Mehrheit der Deutschen eine Unterstützung der Ukraine mitträgt - auch wenn dadurch die Energiepreise und die Lebenshaltungskosten stiegen. Verglichen mit März hat die Zustimmung aber abgenommen. In einem heißen Herbst wird sich dieser Trend nicht umkehren.»


«The Straits Times»: Briten erleben Wendepunkt historischen Ausmaßes

SINGAPUR: Zur Situation in Großbritannien nach dem Tod von Königin Elizabeth II. schreibt die singapurische Zeitung «The Straits Times» am Dienstag:

«Großbritannien ist kein Land für Revolutionen oder andere plötzliche politische Veränderungen. Wie jeder Brite bestätigen würde, kommt der Wandel nur allmählich über die Nation. Doch in den letzten Tagen hat Großbritannien einen seltenen und abrupten Moment der Transformation erlebt: Es gibt sowohl einen neuen König als auch eine neue Premierministerin. (...) Theoretisch bleibt die Liebe des Landes zu Tradition und Kontinuität ungebrochen. (...)

Dennoch bezweifeln nur wenige Briten, dass sie vor einem Wendepunkt historischen Ausmaßes stehen. Das tiefe und aufrichtige Bedauern über den Tod von Queen Elizabeth ist ein Zeichen für dieses Gefühl. Und die heftigen politischen Debatten, die sich kurz nach dem Staatsbegräbnis in einer Woche abzeichnen, werden einen weiteren Beweis für den Bruchpunkt in der Geschichte der Nation liefern.»

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