Zeitungen zum Geschehen am Montag

Foto: Pixabay/Gerd Altmann
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«Frankfurter Rundschau» zu Putins neuen Verteidigungsminister

Der Autokrat Wladimir Putin beginnt seine Amtszeit mit einer Machtdemonstration und setzt Verteidigungsminister Sergej Schoigu ab.

Nach innen sagt er der Korruption den Kampf an, ohne das korrupte System zu ändern. Schoigu wird nur weggelobt und damit für seine Loyalität belohnt. Weitere Konsequenzen muss weder er noch sonst jemand fürchten. Zugleich wird deutlich, wie unzufrieden Putin trotz aller Propaganda mit dem Kriegsverlauf ist. Statt Kiew wenige Tage nach dem Überfall auf die Ukraine zu erobern, kämpft die russische Armee inzwischen über zwei Jahre gegen die Ukraine. Schoigus Nachfolger Andrej Beloussow soll das ändern und sowohl den Militärapparat als auch die Rüstungsindustrie optimieren. Putin rückt den Krieg in den Mittelpunkt seiner fünften Amtszeit. Das ist nicht gut für Russinnen und Russen und schon gar nicht für Ukrainerinnen und Ukrainer sowie deren Verbündete. Denn Putins Regime hält an seinen imperialen Zielen fest und richtet sich auf einen langen Krieg ein.


«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zu Russland

Vermutlich ist die Erklärung von Kreml-Sprecher Dmitrij Peskow zum Wechsel an der Spitze des russischen Verteidigungsministeriums wahr: Der neue Mann, der Präsident Putin lange als Wirtschaftsberater diente, soll die russische Rüstungswirtschaft für Innovationen öffnen.

[?] Es gibt aber noch eine zweite Ebene dieser Personalie. [?] Schojgu war in der Truppe unbeliebt. Die Rebellion des Söldnerführers Jewgenij Prigoschin im Juni vorigen Jahres richtete sich gezielt gegen ihn. Auf paradoxe Weise hat ihn das vielleicht länger im Amt gehalten: Putin trifft keine Entscheidungen auf Druck von außen. Und er belohnt Loyalität: Schojgu bleibt [?] im Zentrum der Macht.


«Aktualne.cz»: EU dient Politikern als Sündenbock

PRAG: Das tschechische Nachrichtenportal «Aktualne.cz» schreibt am Montag zur Europawahl Anfang Juni:

«In der Zeit des Ukraine-Krieges sind wir Teil eines starken Ganzen, das uns in bedeutendem Maße schützt und uns eine sehr solide Existenz ermöglicht. Doch wir nehmen die Europäische Union so nicht wahr. Warum? Schuld daran haben in erster Linie unsere Politiker, welche die EU selbst 20 Jahre nach dem Beitritt Tschechiens weiter so betrachten, wie Kinder ihre bösen, diktatorischen Eltern sehen. (...) Die Bürger übertragen die Verantwortung für ihr Glück und ihre Zukunft auf diese Politiker, welche die Verantwortung auf die EU abschieben: Brüssel zwinge uns den Green Deal auf, diktiere uns den Migrationspakt, nehme unsere Benziner weg und nötige uns, mit dem Rauchen aufzuhören. (...) Das bedeutet, dass unsere Gesellschaft immer noch nicht modern und frei ist. Denn in einer solchen Gesellschaft sind sich die Menschen dessen bewusst, dass sie nicht nur für sich selbst verantwortlich sind, sondern auch für ihre Umgebung, den Staat und seine künftige Ausrichtung.»


«Pravda»: Bürger identifizieren sich zu wenig mit EU

BRATISLAVA: ? Die slowakische Tageszeitung «Pravda» schreibt am Montag zur EU-Parlamentswahl, bei der die Wahlbeteiligung in der Slowakei bisher immer die niedrigste war:

«Obwohl wir die Mitgliedschaft in der Europäischen Union als Selbstverständlichkeit nehmen und niemand auf der politischen Bühne - abgesehen von vereinzelten Randstimmen - sie infrage stellt, schenken die Slowakinnen und Slowaken der Wahl ihrer Vertretung auf EU-Ebene keine große Aufmerksamkeit. Bei einer sehr niedrigen Wahlbeteiligung droht aber, dass Parteien vom Rand des politischen Spektrums ins EU-Parlament kommen und dort die euroskeptischen Stimmen anwachsen lassen.

Das Interesse an der EU-Wahl sinkt aber in der ganzen EU. Seit 1979 können Bürger der EU-Mitgliedsländer Abgeordnete ins EU-Parlament wählen. Während aber damals die Stimmbeteiligung noch fast 62 Prozent betrug, erreichte sie 2019 nur mehr 50,95 Prozent. Die Slowaken nutzen gern die Vorteile der EU, aber in sie eingelebt haben sie sich noch nicht. Noch immer nehmen sie ihre Institutionen als das ?böse Brüssel? wahr, das ihnen etwas vorschreibt.»


«La Vanguardia»: Erfolg für die Politik der ausgestreckten Hand

BARCELONA: Die spanische Zeitung «La Vanguardia» kommentiert am Montag den Wahlsieg der Sozialisten in Katalonien:

«Die katalanischen Nationalisten haben gestern zum ersten Mal seit weit zurückliegenden Wahlen (...) keine absolute Mehrheit erlangt. (...) Die (sozialistische) PSC errang einen Sieg (...) wie nie zuvor. (Ihr Spitzenkandidat) Salvador Illa bezeichnete die Politik der ausgestreckten Hand von (Spaniens sozialistischem Regierungschef) Pedro Sánchez zur Normalisierung des politischen Lebens in Katalonien als entscheidenden Faktor für diesen Erfolg. (...) Es ist klar, dass die Separatisten immer dann ihre besten Ergebnisse erzielt haben, wenn die Zentralregierung mit harter Hand reagierte. Gestern erhielt die Politik von Sánchez die bestmögliche Bestätigung: die an der Wahlurne.

Wie geht es weiter? Für Illa wird es nicht leicht sein zu regieren, und die Gefahr von Neuwahlen ist mehr als offensichtlich. Aber man muss den Parteien jetzt Zeit geben, das Ergebnis zu verarbeiten und die Botschaft der Bürger zu verstehen. (...) Es herrscht Müdigkeit und Erschöpfung. Dies hat zu einer geringen Wahlbeteiligung und einem Anwachsen des Populismus geführt - Vox behält ihre 11 Sitze und Aliança zieht mit zwei Sitzen ins Parlament ein. Neuwahlen könnten diese Unzufriedenheit noch verstärken. Es gibt jetzt eine Gelegenheit, Politik zu machen und die ausgestreckte Hand zu nutzen. (...) Es lohnt sich, den Dialog zu vertiefen.»


«NZZ»: Schoigus Absetzung ist ein indirektes Eingeständnis

ZÜRICH: Zur Entlassung des russischen Verteidigungsministers Sergej Schoigu heißt es am Montag in der «Neuen Zürcher Zeitung»:

«Die Absetzung Schoigus im Zuge der Regierungsumbildung nach dem Antritt von Putins neuer Amtszeit kommt auf den ersten Blick unerwartet, allen Spekulationen zum Trotz. Unerwartet ist daran einerseits der Zeitpunkt. Putin ist nicht dafür bekannt, in die Kritik geratene Personen aus seinem engsten Umfeld zu entlassen. Dass dies während des Krieges geschieht, für den Schoigu mitverantwortlich ist, ist zudem ein indirektes Eingeständnis dafür, dass dieser Feldzug schlecht läuft. (?)

Überraschend ist der Sturz Schoigus, eines einstmals im Volk besonders beliebten Funktionärs und jahrelangen Ministers für Katastrophenschutz, gleichwohl nicht wirklich. Sein Stuhl wackelte praktisch seit den ersten Tagen des Großangriffs auf die Ukraine am 24. Februar 2022. (?) Als Meister erfolgreicher Öffentlichkeitsarbeit gelang es ihm, bei Putin ? und nicht zuletzt auch unter Fachleuten im In- und Ausland ? hohe Erwartungen in die Leistungen der Streitkräfte zu wecken. Umso herber muss die Enttäuschung gewesen sein, als Russlands Invasionsarmee bereits in den ersten Tagen des Feldzugs gegen die Ukraine ein organisatorisch jämmerliches Bild abgab.»


«de Volkskrant»: EU braucht Einigkeit gegenüber China

AMSTERDAM: Die niederländische Zeitung «de Volkskrant» kommentiert am Montag die Spannungen in den Beziehungen zwischen Europa und China:

«Zu Recht pocht der französische Präsident Emmanuel Macron auf die Notwendigkeit der «strategischen Autonomie» Europas. Die EU muss sich unabhängiger von China machen. Unter anderem dadurch, dass sie ihre Industrie vor der Konkurrenz durch chinesische Produkte schützt, die mit staatlichen Subventionen hergestellt oder zu künstlich niedrig gehaltenen Preisen nach Europa exportiert werden. Zudem ist die EU für ihren grünen Umbau zu sehr von China abhängig, das die globalen Lieferketten für wichtige Rohstoffe dominiert.

Es fehlt der EU nicht an Machtmitteln. Der europäische Markt ist für China wichtig, zumal sich die USA immer mehr vor chinesischen Produkten abschirmen. Doch eine entschlossene Haltung gegenüber China setzt natürlich voraus, dass die EU als einheitlicher Block auftritt. Das ist, wie so oft, das Problem. Um Xi Jinpings Besuch in Paris in der vergangenen Woche eine europäische Note zu verleihen, hatte Präsident Emmanuel Macron EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz eingeladen. Von der Leyen kam, Scholz erschien nicht und demonstrierte damit, dass Frankreich und Deutschland in Bezug auf China nicht auf einer Wellenlänge liegen.»


«La Repubblica»: Joe Biden scheint in den Seilen zu hängen

ROM: Zur anstehenden Präsidentschaftswahl in den USA und den Aussichten für Amtsinhaber Joe Biden schreibt die italienische Zeitung «La Repubblica» am Montag:

«Krieg in der Ukraine, Krieg in Gaza oder Krieg bei Tiktok? Welcher Konflikt wird am 5. November bei der Wahl zwischen Joe Biden und Donald Trump um das Weiße Haus schwerer wiegen? (...) Es scheint absurd, dass Tod und Verwüstung die US-Wahl so sehr beeinflussen wie virale Videos, aber es ist so. (...) Und weniger als sechs Monate vor der Wahl scheint Biden in den Seilen zu hängen. Es ist schwierig für ihn, gute Nachrichten aus Osteuropa zu erhalten. Auch der Streit mit Israels Regierungschef Netanjahu bringt Stimmen in Gefahr. (...)

Und auch das Schicksal hat Biden nicht geholfen. In den Wochen, in denen das Land hätte sehen sollen, wie Trump, der erste Präsident auf der Anklagebank, hilflos schnauft, ist die von der Columbia University angeführte Campus-Revolte auf Sendung gewesen. (...)

Ein Experte erklärt, es gebe nicht die Zahlen für eine Pro-Biden-Koalition, aber für eine Anti-Trump-Koalition. Das ist der richtige Weg, auch wenn es Biden nicht gefällt, aber die Alternative ist schlimmer. Im Ausland hat er eine schwierige Aufgabe: Er muss die Oberhand in Osteuropa und Nahost behalten. (...) Diplomatie, Handel und humanitäre Interventionen müssen die militärische Herausforderung ausgleichen, denn ein Scheitern wird nicht zum Frieden führen, sondern zu einer Vermehrung der Kriegsherde und der unschuldigen Opfer.»

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