Nur sechs Monate für Täter im Fall Schwartges?

Verwirrspiel: Kein öffentlicher Mordprozess und ein sehr mildes Urteil

Mordopfer Volker Schwartges: Mindestens Vier Jugendliche Attackierten Den Deutschen Um 6 Uhr Morgens Hinter Der Discothek Sound Club. Einer Durchtrennte Ihm Mit Einem Messer Die Halsschlagader.
Mordopfer Volker Schwartges: Mindestens Vier Jugendliche Attackierten Den Deutschen Um 6 Uhr Morgens Hinter Der Discothek Sound Club. Einer Durchtrennte Ihm Mit Einem Messer Die Halsschlagader.

KOH SAMUI: Die juristische Aufarbeitung des Mordfalles Volker Schwartges vom 20. August 2014 in Chawengs Soi Green Mango hat nach zweijähriger Verschleppung durch die Justizbehörden auf Koh Samui eine neue Wende genommen. Angeblich soll der Hauptbeschuldigte seit drei Monaten verurteilt sein. Ein für 11. November angekündigter Strafprozess durch einen Sprecher des Tourismus Ministeriums erwies sich als Falschinformation.

Obwohl zwei Jahre nach der Bluttat an dem Düsseldorfer Geschäftsmann durch lokale Jugendliche keinerlei Informationen über eine Verurteilung der geständigen Tatverdächtigen nach außen gedrungen waren, scheint hinter den Kulissen ein verwirrendes Tauziehen um eine Fortführung des Mordfalls stattzufinden. Ein von der Tourism Authority Thailand in Aussicht gestelltes Strafverfahren gegen den Hauptbeschuldigten Ittison T. (19) aus Koh Samui stellte sich bei Nachforschungen unserer Redaktion als unzutreffend heraus. Weder die Aktenzeichen noch der Gerichtstermin sind beim Provinzgericht Koh Samui bekannt.

Noch brisanter wird die Abhandlung dieses Falles durch die neue Mitteilung der Staatsanwaltschaft auf Koh Samui, dass der mutmaßliche Haupttäter Ittison T. angeblich doch schon verurteilt worden sein soll. Als Termin für diesen Prozess, von dem weder die Mutter des Opfers noch das Deutsche Auswärtige Amt Kenntnis hatten, wurde urplötzlich der 25. Juli 2016 genannt. Ittison T. soll – falls es zu diesem Urteil überhaupt eine korrekte juristische Verhandlung gab – zu einer milden Jugendstrafe in einer Besserungsanstalt in der Provinzhauptstadt Surat Thani verurteilt worden sein. Strafmaß laut Auskunft der Staatsanwaltschaft: Sechs Monate bis ein Jahr.

Mutter Gisela Schwartges in Düsseldorf musste Ende dieser Woche entsetzt zur Kenntnis nehmen, dass keine der bisher aus Thailand an sie übermittelten Informationen einer Überprüfung standhielt oder gar zu erhellender Transparenz dieses Mordfalles beitrug. Nicht einmal die Ankündigung der Staatsanwaltschaft Koh Samui, sie habe Berufung gegen das Urteil eingelegt, kann die Enttäuschung der Düsseldorferin abmildern. „Ich weiß nicht, was ich überhaupt noch glauben soll“, sagte Gisela Schwartges gestern auf Anfrage unserer Redaktion.

Mit einer Briefkampagne an wichtige thailändische und deutsche Behördenleiter und Ministerien hatte die 71 jährige Mutter des Mordopfers zum zweijährigen Todestag ihres einzigen Sohnes im August dieses Jahres für Furore gesorgt. In deutschen und thailändischen Zeitungen wurde über den couragierten Kampf der Rentnerin aus Düsseldorf berichtet, die trotz mangelnder Informationen nie die Flinte ins Korn warf. „Ich will Gerechtigkeit für meinen toten Sohn“, hatte sie gefordert. ‚Nichts macht Volker wieder lebendig, aber was sich die Justizbehörden hier leisten, das kann kein gutes Licht auf dieses Land werfen“, merkt Gisela Schwartges nach zweijährigem ergebnislosen Kampf bitter an.

Am 11. Oktober hatte sie nach einer sehr freundlichen Mitteilung der Tourism Authority of Thailand und des übergeordneten Tourismusministeriums Hoffnung geschöpft. Darin waren der Öffentlichkeit und der Mutter zwei Aktenzeichen angeblicher Gerichtsakten übermittelt worden sowie ein Gerichtstermin am 11. November am Provinzgericht Koh Samui. Zwischenzeitlich ergaben Recherchen unserer Redaktion, dass – so die Auskunft bei der Staatsanwaltschaft Koh Samui – weder eines der beiden Aktenzeichen bekannt ist noch ein Verfahrenstermin am 11. November.

Auf weiteres Nachforschen rückte eine Sachbearbeiterin mit der überraschenden Information heraus, Ittison T. sei in einer Verhandlung am 25. Juli 2016 zu der Jugendstrafe verurteilt worden. Kurioserweise lag die Akte Anfang November noch immer in der Poststelle der Justizbehörde auf Koh Samui. Dies ergibt keinen Sinn, falls der angekündigte Widerspruch gegen das milde Urteil tatsächlich zu einer fristgerechten Berufung der Staatsanwaltschaft geführt hätte.

Weshalb lag die Akte drei Monate und eine Woche nach dem mysteriösen Urteilsspruch immer noch im Weiterleitungprozess der Anklagebehörde? Normalerweise muss eine Berufung binnen vier Wochen nach einem Urteilsspruch beim Berufungsgericht eingegangen sein. Eine mögliche Fristverlängerung von zwei Wochen zur Berufungsbegründung läge auch schon zwei Monate zurück.

Noch unverständlicher wurde das Verwirrspiel um nebulöse Prozesse und nachgereichte Urteile am gestrigen Freitag, 4. November. Da erhielt Gisela Schwartges eine Email des ‚Foreigner Tourist Assistance Funds‘, der dem Tourismusministerium Thailand zugeordnet ist. Sehr freundlich und kooperativ teilt man Frau Schwartges unter der Anrede ‚Dear Sir‘ (sehr geehrter Herr/die Redaktion) mit, sie solle sich keine Sorgen machen, der Fall werde wie versprochen weiterbehandelt. Kurios nur, dass als Gerichtsort Krabi angegeben wird und als Kontaktstelle bei Gericht ebenfalls die Nachbarprovinz in Krabi. Ein Tötungsfall auf Koh Samui mit einem Hauptverdächtigen aus Koh Samui verlegt in eine nicht zuständige Gerichtsbarkeit?

Die FARANG-Redaktion hat neue Anfragen bei der Tourism Authority of Thailand mit der Bitte um Nachfrage und Aufklärung des Sachverhaltes geschickt. Von der Staatsanwaltschaft Koh Samui erhielten wir nur die Bestätigung des Urteilsspruchs gegen Ittison T. vom 25. Juli 2016 sowie die angeblich laufende Berufung. Weder ein Aktenzeichen wollte die Sachbearbeiterin herausgeben noch Einblick in das schriftliche Urteil gewähren.

Gisela Schwartges sitzt 807 Tage nach dem Mord an ihrem Sohn Volker auf Koh Samui zwischen Hoffen und Bangen in ihrer Wohnung in Düsseldorf - mit erster Tendenz zum Aufgeben. „Wenn diese neue Nachfrage keine glaubwürdige und seriöse Mitteilung der thailändischen Justiz und des Tourismusministerium erbringt, dann sehe ich keinen Sinn in einem weiteren Kampf gegen Windmühlen.“ Die 71 Jahre alte Rentnerin aus Düsseldorf ist müde vom Auf und Ab dieses abstrusen Falles.

Gisela Schwartges: „Wenn ich mir andere Urteile in Thailand ansehe, wie viele Jahre manche Menschen nach fragwürdigen Prozessen hinter Gittern landeten, dann verstehe ich nicht, was so schwer daran sein kann, vier geständige Jugendliche ordentlich abzuurteilen, die durch Zeugen identifiziert wurden, die selbst Tatdetails schilderten und bei denen die Mordwaffe gefunden wurde…“

5. Novemver 2016: Die Mutter von Volker Schwartges klammert sich an den letzten Funken Hoffnung. In Thailand kennt man keinen Advent. Aber vielleicht brennt bis Weihnachten doch noch eine Kerze der Zuversicht für die Mutter, die auf Koh Samui ihr einziges Kind im Blutrausch einer Jugendbande in der Soi Green Mango in Chawengs Vergnügungsszene verloren hat. Und die nichts anderes will als Gerechtigkeit.

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Jack Norbert Kurt Leupi 06.11.16 13:00
Fall Schwartges
Kurz und bündig : wenn man als Mensch nicht mal im "demokratischen " Europa den Gesetzen Gerechtigkeit zu verdanken hat, was darf man dann von einem "third World Country" erwarten ?
Jürgen Franke 06.11.16 12:57
Guten Abend Herr Gruber, Sie müssen wieder
einmal über etwas berichten, was einem auf der eine Seite zutiefst traurig stimmt und auf der anderen Seite ziemlich fassungslos zurück lässt, da viele Fragen unbeantwortet geblieben sind. Für den Außenstehenden stellt sich in erster Linie die Frage, in wie weit hätte in diesem Fall die Deutsche Botschaft helfend eingreifen können. Auch ein anderes Urteil, was vielleicht als gerechter empfunden werden kann, ändert jedoch an dem Tod des Sohnes nichts.