CHIANG MAI: Das Thema Wurst lässt einfach niemanden gleichgültig. Wenn es um die Wurst geht, hat jeder seine Lieblingswurst: ob vom Rost, aus dem Rauch oder gekocht. So scheint einfach die Nahrungsaufnahme, in Form von gewürzter Fleischmasse im Darm, schon immer eine besondere, kulinarische Faszination auf die Menschen auszuüben. Immerhin können selbst eingefleischte Vegetarier auf eine erstaunlich große Auswahl an „Vegi“-Würstchen zurückgreifen.
Was die Regionalität betrifft, gibt es in Deutschland weit mehr Wurst- als Bundesländer. Man denke nur an die Nürnberger, Frankfurter, Thüringer... usw. Auch ein sogenannter Weißwurst-Äquator soll sich durch dieses Land ziehen. Und was wird dort für ein Kult um die Currywurst betrieben! Über allem steht die quälende Frage, wer die Currywurst erfunden hat. Nein, die Schweiz kommt diesmal nicht in Betracht. Aber auch die Schweizer haben ihre Nationalwurst, die Cervelat. Denken wir an die italienische Salsicca, die spanische Corizo oder die portugiesisch-brasilianische Linguiça. Hier und jetzt aber soll es endlich um die Chiang-Mai Wurst gehen, „Sai ua“ (ไส้อั่ว). Denn auch in Thailand liebt man es, Mischungen aus Reis, Fleisch und Gewürzen, mal sauer, mal scharf, in unterschiedlichsten Anteilen, zu verwursten.
Wurst ist nie egal
Die „Sai ua“ ist eine regionale Wurst-Spezialität aus Nordthailand. Sie ist tatsächlich so besonders und vor allem besonders lecker, dass man sie zunehmend auch hier und dort im restlichen Thailand genießen kann. Der Name „Sai ua“ ist Programm. Heißt: „Sai“ steht für Gedärm und „ua“ bedeutet soviel wie etwas einfügen, hineinstopfen. Soweit so schlüssig. Das Besondere an der „Sai ua“ ist natürlich die Füllung. Und die Füllung einer Wurst ist, wie wir alle wissen, immer eine Vertrauenssache. Denn die Masse ist geduldig (hier: die Wurstmasse).
Auch in Chiang Mai schmeckt also die „Chiang-Mai-Wurst“, je nach Zubereitung, immer etwas anders. Der eine mag sie lieber nicht ganz so fettig, mit viel Kräuteraroma, ein anderer fordert höchste Fettanteile mit erbarmungsloser Schärfe. Aber natürlich gibt es Zutaten, die immer drin sein müssen. Zutaten, die diese Chiang-Mai-Wurst so einzigartig (lecker) machen.
Auf jeden Fall enthält sie immer gehacktes Schweinefleisch, mal feiner, mal gröber durch den Wolf gedreht, mit wechselnden Fettanteilen. Weiter dabei, eine rote Currypaste, „Nam Phrik Kaeng Khua“. Diese sogenannte „Sai ua“-Currypaste kann man auch fertig auf Märkten und im Supermarkt kaufen. Darin sind getrocknete, rote Chilischoten, Galgant, Knoblauch, Garnelenpaste, gehackte Limettenschale, Zwiebeln, Korianderwurzel und Zitronengras. Aufs Feinste aufgepeppt wird die Wurstmasse dann noch mit Streifen von Kaffirblättern, Frühlingszwiebeln und mit frischem Koriander. Alles zusammen dann „ua“ in den „Sai“.
Traditionell wird der schier endlose, gefüllte Darm dann für viele Stunden über ein rauchiges Feuer aus Kokosnussschalen gegrillt, bis das Fleisch gar ist und sich das Aroma bis in den letzten Kringel verbreitet hat (Anmerkung: Es gibt keine Zipfel bei der „Sai ua“). Heute wird die Wurst meistens zuerst gebrüht, bis sie gar ist, und kommt dann auf den Grill.
Will noch einer ´ne Wurst?
Eine bestimmte Empfehlung für spezielle „Sai ua“-Verkaufsstellen hier im Norden zu geben, ist sehr schwierig. Meistens sind es kleine Grills, die gegen Nachmittag, gleichmäßig über die Provinz verteilt, aus dem Boden sprießen. Da ist es nicht weiter schwer, ein- oder zwei Stände für seine Lieblings-„Sai ua“ zu finden. Doch leider können diese Quellen eines Tages auch so plötzlich wieder verschwinden, als wären sie nie da gewesen. Eine recht verlässliche und beständige Quelle für die „Sai ua“ befindet sich zum Beispiel auf dem Warorot-Markt, Kad Luang, im chinesischen Viertel von Chiang Mai. Hier gibt es gleich drei große Küchen, in denen die Chiang-Mai-Wurst zubereitet wird. Die Verkaufstellen befinden sich im vorderen Bereich der ersten Markthalle, im Hauptgang, vom chinesischen Tempel aus gesehen. Man sieht genau, wer die Wurst verkauft, die am besten schmeckt. Während man sich an den Nachbarständen in den Tag hinein langweilt, geht es bei einem Stand unglaublich geschäftig zu. Viele kleine Restaurants und Straßenimbisse kaufen hier ihre Wurst ein. Mitarbeiter holen stündlich Nachschub mit Körben voller „Sai ua“-Kringel aus der Küche. Sie ist bereits fertig gebrüht und braucht nur noch eine kurze Zeit auf dem Grill für den letzten Kick. Eine weitere gute Quelle für den Kilo-Einkauf „Sai ua“ ist der Ton Payom Market in Suthep. Er befindet sich hinter der Chiang-Mai-Universitat.
Eine Currywurst ohne Soße? Die Weißwurst ohne süßen Senf? Unvorstellbar. Während woanders die Würste erst durch Soßen und Senf ihr Aroma bekommen, bringt die „Sai ua“ ihr Aroma gleich mit. „Sai ua“ ist im besten Falle allein schon eine Aromaexplosion. Am liebsten isst man sie hier als Zwischenmahlzeit. Zusammen mit Klebreis („Khao niao“) und einigen rohen Gemüsesorten, wie Frühlingszwiebeln, Weißkohl, Koriander, Thaibasilikum und Gurken. Aroy mak mak!