Erfahrung und Therapie ist das Leben selbst!"

Ein kleines soziales Unternehmen: Die Children’s Shelter Foundation

„Willkommen auf unserer kleinen Farm!“.
„Willkommen auf unserer kleinen Farm!“.

Dass sensitiver Tourismus mehr ist als ein in Mode geratenes Schlagwort, beweisen Joy Hanfaifa und Ulrike Meister auf beeindruckende Weise. In der Children’s Shelter Foundation Chiang Mai bieten sie sozial vernachlässigten Kindern nicht nur ein liebevolles Zuhause. Auf der Bio-Farm „Lakeland“ erhalten ihre Schützlinge neben einer schulischen Ausbildung die Chance, praktische Fähigkeiten zu erlernen, die sie später zurück in ihre Dörfer tragen. Bereits jetzt sind die Kleinen große Experten auf den Gebieten biologischer Anbau, Recycling und Naturschutz. Touristen wird die Möglichkeit geboten, für einige Zeit in der Gemeinschaft zu leben und zu helfen.

Etwa 30 Minuten von Chiang Mai entfernt betreiben Thaneen Joy Hanfaifa, kurz "Joy", und Ulrike Elisabeth Meister, kurz "Uli", die Children’s Shelter Foundation. Umgeben von tropischen Wäldern leben in der kleinen Farm "Lakeland" Kinder mit Behinderungen, mit physischen oder psychischen Erkrankungen und Straßenkinder. Doch das Projekt lediglich als ein Waisenhaus zu deklarieren, wäre vorschnell geurteilt: Mittels vielseitigen Schul- und Ausbildungsprogrammen wird den Heranwachsenden die Chance geboten, aus dem Zirkel der Armut auszubrechen. Urlauber erhalten die Möglichkeit, einige Zeit im Projekt zu verbringen und sich sozial zu engagieren.

Beim Tag der offenen Tür werden selbst hergestellte Produkte präsentiert und verkauft (links). Ein Herz und eine Seele trotz Sprachbarriere: Praktikantin Sarah (rechts) kümmert sich liebevoll um die Schützlinge. Fotos: bj/csf
Beim Tag der offenen Tür werden selbst hergestellte Produkte präsentiert und verkauft (links). Ein Herz und eine Seele trotz Sprachbarriere: Praktikantin Sarah (rechts) kümmert sich liebevoll um die Schützlinge. Fotos: bj/csf

Zurzeit wohnen 35 Kinder im idyllisch gelegenen "Lakeland" mit sieben Betreuern, Lehrern und drei Farmerfamilien zusammen. Im Gegensatz zu den Kinderdörfern der großen Touristenzentren, wo viele Heranwachsende aus dem Prostitutionssumpf gerettet werden, stammen Joys’ und Ulis’ Schützlinge primär aus den Bergdörfern des hohen Nordens. "Bei vielen in den Bergen lebenden Minderheiten zählt der Konsum und Handel mit Opium auch heute noch zum traurigen Alltag. Daher stammt der Großteil unserer Kinder aus Drogen-Familien. Spätestens wenn die Eltern ins Gefängnis abwandern, sind die Kleinsten ganz auf sich alleine gestellt", erklärt Uli und fügt hinzu, dass "es sich dabei weniger um die ärmeren und von der Außenwelt abgeschnittenen Bergdörfer handelt, in denen harte Drogen das soziale Gefüge der Dorfgemeinschaft zugrunde richten. Die sozialen Brennpunkte stellen vielmehr stadtnahe Dörfer rings um Chiang Rai dar." Doch auch Kids aus durchaus intakten, aber armen Familien, Straßenkinder sowie stark traumatisierte und missbrauchte Kinder finden in der familiären Gemeinschaft ein neues Zuhause.

Für Taubstumme ist es am wichtigsten, die Zeichensprache zu erlernen (links). Der Unterricht erfolgt bis zur 12. Klasse. Mit einem Studium wird das Bildungsangebot abgerundet.
Für Taubstumme ist es am wichtigsten, die Zeichensprache zu erlernen (links). Der Unterricht erfolgt bis zur 12. Klasse. Mit einem Studium wird das Bildungsangebot abgerundet.

Da überrascht es kaum, dass den Besucher eine bunt gemischte Kinderschar aus verschiedensten Kulturkreisen erwartet. "Bei uns wird nicht nur Thai gesprochen, sondern mehrere Dialekte, zum Beispiel der Akha oder Lahu", erzählt Joy, während sich ein kleiner Junge nähert, der den Autor dieser Zeilen mit verschiedenen Hand-Zeichen freudestrahlend begrüßt und sich sichtlich über den etwas verblüfft wirkenden Besuch amüsiert. "Er ist von Geburt an taubstumm", erklärt Joy und weist im selben Atemzug darauf hin, dass die Gebärdensprache eine weitere Kommunikationsform in der Children’s Shelter Foundation darstellt.

"Viele unserer Kinder erfahren zum ersten Mal in ihrem Leben Liebe, Herzenswärme und Geborgenheit. Besonders die behinderten Kinder sind erstaunt und stolz über all die Dinge, die sie trotz ihrer Behinderung erlernen können", erzählt Uli.

"Für unsere taubstummen Kinder ist es am wichtigsten, die Zeichensprache zu lernen. Denn bisher konnten sie nur das Nötigste kommunizieren, zum Beispiel "ich habe Hunger" oder "ich gehe schlafen". Es macht ihnen sichtbar Spaß, sich mehr und detaillierter mitteilen zu können, und es nimmt ihnen viel Leid", erklärt Joy. "Denn sich anderen mitzuteilen ist ein Grundbedürfnis jedes Menschen. So gestaltet es sich oft als ein quirlig lebendiges Zusammentreffen, wenn Gäste zu Besuch kommen und unsere Kinder ihr neu erlerntes Wissen stolz und übermütig an sie weitergeben."

Gartenarbeit macht Spaß! Auf der eigenen Farm wird zu 100 Prozent biologisches Gemüse und Obst angebaut. Das erlernte Wissen tragen die Kinder zurück in ihre Heimatdörfer.
Gartenarbeit macht Spaß! Auf der eigenen Farm wird zu 100 Prozent biologisches Gemüse und Obst angebaut. Das erlernte Wissen tragen die Kinder zurück in ihre Heimatdörfer.

Die taubstummen Kinder im "Lakeland" werden in allen wichtigen Fächern vom Lehrer Khun Daeng unterrichtet. "Er ist selbst taubstumm und hat sein Studium an der Universität für Taubstumme in Chiang Mai abgeschlossen. An den Wochenenden werden wir außerdem von drei taubstummen Studenten unterstützt, die viele neue Ideen mit Freude und Elan umsetzen", informiert Uli. "Sie arbeiten seit sechs Monaten als Volontäre und sind bereits fest in unserer Familie integriert." Alle anderen Kinder besuchen die nahe gelegene Schule im benachbarten Dorf Pong Khum. Die älteren Kinder werden in der projekteigenen Schule täglich unterrichtet und erhalten nach erfolgreichem Abschluss ein staatliches Zertifikat.

Obst und Gemüse von der Biofarm

Weiter betreiben Joy und Uli im "Lakeland" auf rund 3,5 Hektar eine große Biofarm mit Gemüseanbau, Kräuteranbau und vielen Obstbäumen. Ein junger Lehrer, der ein Studium an der Universität für Agrarwissenschaften abgeschlossen hat, zeigt den Kindern, wie die Farmer der neuen Generation arbeiten und wie wertvoll ein intensives Wissen über Naturdünger, Bodenbeschaffenheit und Anbaureihenfolgen ist. Aber auch Unterricht über Absatzmärkte und Rechnen wird plötzlich lebendig, denn der findet nicht im Klassenzimmer statt, sondern direkt in der "Lakeland"-Farm. "Mit unseren Bio-Erzeugnissen sind wir nicht nur in der Lage, unsere Kinder und Lehrer zu verpflegen. Den Überschuss kauft unser von der Foundation getrennt geführtes Gästehaus Joy’s House auf. Der Gewinn fließt somit wieder vollständig zurück in das Projekt", erläutern Joy und Uli ihr cleveres Absatzkonzept.

Durch die Zusammenarbeit mit den umliegenden Dörfern konnten sie außerdem erfolgreich dazu beitragen, dass nicht nur in der Foundation ein Großteil des anfallenden Abfalls recycelt wird. "Nur mit dem Plastikmüll haben wir noch akute Probleme, weshalb wir dringend Kontakt zu Universitäten oder Firmen suchen, um diesbezüglich neue Recycling-Strategien zu erarbeiten." Seit 2008 gibt die Children's Shelter Foundation in Zusammenarbeit mit dem Bezirk Mae On und Joy's House jugendlichen Schulabgängern, die Waisen sind, aus den Bergdörfern Nordthailands stammen oder aus sehr armen Familienverhältnissen kommen die Chance zu studieren, ihren Schulabschluss zu machen, Praktika zu absolvieren und damit der Armutsspirale zu entrinnen.

Ausbildung im eigenen Gästehaus

"Unsere Teens absolvieren eine komplette Ausbildung und durchlaufen alle Bereiche des Gastgewerbes wie Gästebetreuung, Hauswirtschaft, Küche oder Bürokommunikation. Ergänzt wird das Angebot durch das Erlernen der englischen Sprache, um den Urlaubern auch als Tourguide zur Seite zu stehen", informiert Joy über das ganzheitliche Bildungskonzept. Nach bestandener Ausbildung wird den Berufsanfängern außerdem die Möglichkeit geboten, ein universitäres Studium zu belegen. Damit unterscheidet sich die Children’s Shelter Foundation maßgeblich von anderen Projekten, wo die Kinder nicht selten nach dem Erreichen der Volljährigkeit wieder ihrem eigenen Schicksal überlassen sind. Vom großen Erfolg der Ausbildung können sich Interessierte persönlich in Joy’s House überzeugen.

Weitere Infos: www.childrens-shelter.com

„Wir möchten nicht nur helfen, sondern auch verändern!“

Thaneen Joy Hanfaifa (links mit Tochter Leonie in der Mitte) ist in einer sozial engagierten Familie groß geworden und studierte Hauswirtschaft in Chiang Mai. 2001 eröffnete sie gemeinsam mit ihrer Familie ein Gästehaus für kulturell interessierte Reisende und war Mitbegründerin einer Kinderhilfsorganisation, bis ihre Schwester Siriporn die Leitung übernahm. 2007 gründete die 45-Jährige gemeinsam mit Uli die Children's Shelter Foundation, um benachteiligten und auch behinderten Kindern zu helfen und ihr familienorientiertes Konzept zu verwirklichen. In Zukunft wird sich Joy auf den Aufbau und das Management der Children's Shelter Foundation konzentrieren. Ulrike Elisabeth Meister (rechts) studierte Sozialpädagogik und sammelte Erfahrungen in verschiedenen Einrichtungen und Projekten mit und für Behinderte, alte Menschen und Kinder. Es folgte eine weitere Ausbildung zur Heilpraktikerin mit Spezialisierung auf asiatische Medizin. 2006 verkaufte die 44-Jährige ihre eigene Kurpraxis für chinesische Medizin und ayurvedische Heilkunde und siedelte nach Thailand über, wo sie mit Joy die Children’s Shelter ins Leben rief. Zeitgleich initiierte sie den Freundeskreis Children's Shelter e.V. in Deutschland. In Zukunft wird sich Uli auf den Aufbau und das Management der Children's Shelter Foundation konzentrieren.• •

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