Die Englischstunde

Wer in Thailand Englisch unterrichten will, ist dafür ausreichend qualifiziert, wenn er oder sie Thai spricht, bzw. Thailänder/in ist. Englischkenntnisse dürfen auch vorhanden sein, sind aber nicht zwingend, frei nach dem Motto: „Learning by teaching“. Ein Diplom vorzuweisen kann bei der Bewerbung nützlich sein, auch wenn die Schuldirektion weiß, dass man es zuhause auf dem PC fabriziert hat.

Learning by teaching

Ganz anders verhält es sich, wenn ein Farang sich erdreis­tet, seine Muttersprache unterrichten zu wollen. Da kann er gar nicht genug Oxford- und Harvarddiplome herankarren, es findet sich immer ein Grund, einem Einheimischen den Vorrang zu geben. Hat der ausländische Lehramtskandidat doch tatsächlich alle Hürden überwunden und kann eine Arbeitsbewilligung vorweisen, lauert noch ein letztes Hindernis auf ihn: die Altersguillotine. Ab 60 ist Schluss.

Damit ist jene Zielgruppe betroffen, die nach langjähriger Lehrtätigkeit im westlichen Heimatland hier gerne zu günstigen Konditionen sprachliche Entwicklungshilfe anbieten möchte.

Mit einem Bein im Gefängnis

Mit anderen Worten: Mit Siebzig kannst du noch amerikanischer Präsident werden und den Planeten per Knopfdruck in die Luft sprengen, aber den Thais beizubringen, dass „Farang go home“ nicht „Farang welcome“ heißt, darfst du unter Strafandrohung nicht mehr. Nicht einmal privat und kostenlos.

Eingedenk dieser Tatsachen fiel es mir schwer, der Bitte eines Gärtners aus der Nachbarschaft um Unterricht nachzugeben.

„Mach das doch für ein paar Wochen, der gibt von selbst wieder auf, wenn es ihm zu anstrengend wird.“ Das waren die Worte der weisesten Thai-Frau aller Zeiten.

„Ok, und wer wandert in den Knast, wenn es rauskommt?“

„Das wird nicht passieren, wir sagen einfach, dass ein Missverständnis vorliegt und der Gärtner dir in Wirklichkeit Thai beibringen wollte, ok?“

Wie gesagt, die Weiseste von allen. Wenn sie dabei nur nicht auf den Stockzähnen gelacht hätte, weil sie bei dieser Vorstellung vorauseilendes Mitleid mit dem Mann hatte, da sie bei mir mit Thai-Unterricht nur einen überschaubaren Erfolg hatte.

Dann war es soweit. Der Gärtner kam pünktlich zum Abendessen zum Unterricht. Was heißt hier der Gärtner? Er brachte auch gleich seine Ehefrau und eine Mitarbeiterin mit. Englisch im Multipack also und dies dreimal die Woche zur Essenszeit.

„Hot or cold…?“

Vorerst galt es den sprachlichen Level der Kandidaten abzuklären. Ich habe dabei eine hautnahe Methode entwickelt, die sie zu spontanen Reaktionen zwingt, welche sofort Aufschluss darüber geben. Ich stupste den Mann mit meiner Espressotasse kurz an den tätowierten Oberarm und fragte: „Hot or cold?“

Seine Antwort: „Coffee!“

Diese Reaktion ließ mich hoffen. Wenn tief in seinem Unterbewusstsein eine englische Vokabel existierte, konnte ich davon ausgehen, dass da ein rudimentärer Wortschatz lagert, auf dem sich aufbauen ließ. Der heiße Stupser war dazu unerlässlich, mein Sorry hinterfotzig, aber das Ergebnis überzeugend.

Nun galt es, die sprachliche Fallhöhe seiner Frau zu eruieren. Hier ging ich behutsamer zu Werke, nicht wie ein Sadist, wie ein Gentleman eben. Ich bat sie die Augen zu schließen und die Hand auszustrecken. Dann legte ich einen Eiswürfel hinein und fragte wieder: „Hot or cold?“ Sie wog das Eis ein paar Mal hin und her und fragte dann zögernd: „Not hot...?“

Die zweite Dame hatte bei den Tests wortlos zugeschaut und erst beim „not hot?“ ihrer Chefin beifällig genickt. Damit war alles klar. Der Level der Studenten war ziemlich ausgeglichen, ich konnte sie in einer Klasse unterrichten. Gerechterweise muss ich hinzufügen, dass ich bei einem Thai-Sprachtest zu Beginn auch nicht weit über „Coffee“ hinausgekommen wäre…

Inzwischen sind vier Wochen vergangen. Meine Studenten sind auch schon pünktlich gekommen, haben hin und wieder die Hausaufgaben gemacht und sind immer zum Nachtessen geblieben. Es bleibt vorläufig noch offen, wann sie endgültig einziehen werden. Das Gästezimmer habe ich vorsorglich abgeschlossen, ich will auch einmal weise sein.

Ihr Wortschatz hat sich gegenüber der Testphase mehr als verdoppelt. Hinsichtlich des Englischen haben sie eher eine selektive Wahrnehmung. Das Wort „cut“ hat aus naheliegenden Gründen Karriere gemacht.

„Cut the grass”, „cut the lawn”, „cut the bushes, „cut the branches and the trees”. Meine Gärtner werden bald als ausgereifte „Cutters“ auf die Nobelquartiere von Hua Hin losgelassen. Sprachliche Kompetenz ist erst wirklich relevant, wenn sie in die Tat umgesetzt wird.

Rette sich, wer kann, „but do not cut the bill“.


Über den Autor

Khun Resjek lebt mit seiner thailändischen Frau und Tochter in Hua Hin. Seine Kolumne „Thailand Mon Amour“ illustriert auf humorvolle Weise den Alltag im „Land des Lächelns“ aus der Sicht eines Farang und weist mit Augenzwinkern auf das Spannungsfeld der kulturellen Unterschiede und Ansichten hin, die sich im Familienalltag ergeben. Ein Clash der Kulturen der heiteren Art, witzig und prägnant auf den Punkt gebracht.

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Francis Light 13.09.20 19:07
Bravo!
Musste ein paar Mal herzhaft lachen!
Dracomir Pires 13.09.20 15:37
Huch, wenn das die Behörden lesen ...
... wandert der liebe Schweizer direkt in den Knast.