Bald werde ich reich sein

Ein Stammcafé ist ein Stück Heimat und nicht nur das Personal wächst einem auf natürliche Weise ans Herz, auch mit den anderen Gästen tauscht man sich früher oder später aus und kennt ihre Geschichten, soweit sie Lust haben, sich mitzuteilen.

Ich lese täglich in derselben Bar in Hua Hin die Zeitung, in welcher ein paar Hunde zum Inventar gehören. Sie lungern meist im Hintergrund des Hauses herum und zeigen sich nur zur Begrüßung. Sie schnuppern dann kurz an den ankommenden Gästen und trollen sich wieder. Sie bellen, fauchen und knurren nie, man hat mir aber versichert, dass es keine japanischen „Robot-Hunde“ sind.

Japanische Robot-Hunde

Auch die Tiere anderer Gäste scheinen auf erstaunliche Weise domestiziert, wenn sie mit ihren Lieblingen aufkreuzen. Zwei Farang-Ehepaare erschienen Punkt 11 Uhr mit stattlichen Bellos, aber auch sie wurden von den Haushunden ignoriert, irgendwer muss ihnen „social distancing“ eingebleut haben, bevor es das Wort überhaupt gab.

Es war kein Zufall, dass die Paare um 11 Uhr erschienen, weil in Thailand ab diesem Zeitpunkt die Prohibition endet, Alkohol darf jetzt in den Lokalen bis 14 Uhr konsumiert werden. Den Unterschied zwischen Trinken und Bechern haben mir die beiden Paare beigebracht.

Es fing ganz harmlos mit Gin Tonic an, dann waren ein paar Bierchen dran, ein kleiner Schwenker über Piña Colada und wieder zurück zum Gin, diesmal ohne Tonic. Neben dem Alkohol waren die Hunde das verbindende Element zwischen den Paaren. Alles drehte sich um sie. Ihr Fell glänzte, als hätten sie eben den Hundesalon verlassen und die Besitzer griffen andauernd in irgendeinen Futtersack, um die Tiere mit erlesenen Häppchen zu verwöhnen.

Ihre Gespräche drehten sich meist um Skandale, die die Boulevardpresse in der Heimat mit tiefroten Schlagzeilen verkündete, über Corona, aber hauptsächlich über Irritationen beim Besuch des Immigrationsoffice und den Visabestimmungen, die ihnen ein Rätsel mit sieben Siegeln zu sein schienen.

Hin und wieder baten sie mich um Aufklärung, aber ich hütete mich, darauf verbindlich einzugehen, weil ich zu nüchtern dafür war. Alkoholisiert hat man im Labyrinth der Thai-Bürokratie eher eine Chance einen Volltreffer zu landen. Mal abgesehen davon, dass die Halbwertszeit der neuen Verfügungen von Stunde zu Stunde ändern kann.

Dagobert Duck’s heimliche Tochter

Eine der Frauen sprach regelmäßig von ihrem Vater. „Weißt du, wenn ich mal erben kann, bin ich Millionärin,“ raunte sie mir mit einem verschwörerischen Blick zu und zupfte mich dabei am Ärmel. Ich lachte sie nur an und dachte: Vielleicht ist sie Dagobert Duck‘s heimliche Tochter und keiner weiß es, außer sie selbst.

Nachdem die Paare eine Weile ausgeblieben waren, kam sie eines Morgens alleine in die Bar und ging mit unsicheren Schritten auf den Tresen zu. Sie trug eine Bluse mit üppigen Rüschen und etwas, das ich noch nie an ihr gesehen hatte: Teuren Schmuck, einen Diamantring, große, goldene Armbänder und ein auffälliges Collier, das mit Halbedelsteinen besetzt war.

Da ich fürchtete, dass sie jeden Moment hinfallen könnte, beeilte ich mich, ihr einen Stuhl hinzustellen. Sie setzte sich und sagte nur:

„Er ist gestorben.“

Ich schaute sie fragend an. Wer? Täglich sterben Leute. Oder meint sie ihren Hund?

Sie atmete tief durch und dann:

„Mein Vater ist gestorben, an Covid, ich bin jetzt Millionärin,“ sagte sie fast ausdrucklos, doch mit einem leisen Anflug von Triumph in der Stimme.

Was sagt man jemand, der den Vater betrauert und gleichzeitig erwähnt, dass ihm/ihr dies Millionen einbringen werde?

„Und wenn meine Mutter stirbt, gibt‘s nochmal ein paar Millionen“, fügte sie nun verhalten lächelnd hinzu.

Kondo- oder Gratulation?

Ich war sprachlos und fragte mich, ob ich nun kondolieren oder gratulieren sollte. Um meine Verlegenheit zu überspielen, orderte ich Kaffee für uns beide, aber sie wehrte ab und bestellte bei der Kellnerin eine Flasche Wein zur Leichenfeier des Tages. Die Prohibition rettete mich: Es war bereits etwas nach 14 Uhr, es blieb also beim Kaffee, weil nach Landessitte bis 17 Uhr kein Alkohol ausgeschenkt werden darf.

Lisa kam von nun an nur noch allein in die Bar und machte Anspielungen über die Bankgeschäfte, die sie erledigen müsse. Es nähme sie alles sehr in Anspruch, es sei fast wie Arbeit. Sie wirkte immer ein bisschen verhuscht, so als sei sie zwar noch da, aber in Gedanken schon längst woanders.

Als ich Monate später das Ehepaar, mit welchem sie befreundet war, traf und nach ihr fragte, meinte es nur:

„Die Lisa hat fünf Millionen geerbt und ist in die Heimat zurückgekehrt. Den Hund hat sie auch gleich mitgenommen und von Noel will sie sich scheiden lassen.

Und nach einer Weile:

„Aber saufen tut sie immer noch.“

Ich meinte, da eine gewisse Genugtuung herauszuhören.


Über den Autor

Khun Resjek lebt mit seiner thailändischen Frau und Tochter in Hua Hin. Seine Kolumne „Thailand Mon Amour“ illustriert auf humorvolle Weise den Alltag im „Land des Lächelns“ aus der Sicht eines Farang und weist mit Augenzwinkern auf das Spannungsfeld der kulturellen Unterschiede und Ansichten hin, die sich im Familienalltag ergeben. Ein Clash der Kulturen der heiteren Art, witzig und prägnant auf den Punkt gebracht.

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Sureerat kohlmeier 11.10.21 05:32
Da muss aber jemand Langeweile haben
Übrigens gibt's im Moment auch ab 11. 00 keinen alk. Im Restaurant.
Thomas Sylten 10.10.21 18:00
Die Falle der Inhaltsleere oder Langeweile
Ja, solche Pärchen scheint man in allen Aussteigerdestinationen zu kennen - wer zu viel Geld hat und sich daher (weil "nicht nötig") keine Aufgabe sucht, führt schnell ein inhaltsleeres Leben, welches allzuoft mit Alk o.ä. "gefüllt" wird.

Weshalb ich mir als erstes nen "Job" suchte, der mir Freude macht - aber mich eben auch beansprucht. War'ne gute Idee, denke ich..
Rene Amiguet 10.10.21 17:50
Thai Baht Millionär
Was sind schon ein paar Milliönchen in Baht!