Was ist typisch an Bangkok, worin unterscheidet sich Thailands Hauptstadt von anderen asiatischen Metropolen? Es hat die gleichen Hochhäuser und Glitzerpaläste wie Tokyo, Schanghai oder Kuala Lumpur, dieselben Betonschluchten und Verkehrshöllen, dieselben Supermärkte und Prada, Gucci, Samsung und Starbucks mit ihren haushohen Reklametafeln. Die Welt gleicht sich hier an, wird immer uniformer, mutiert zu einem globalen Einheitsbrei. Wenn man in einer dieser Weltstädte am Morgen aufwacht und aus dem Fenster sieht, kann man lange raten. Bin ich jetzt in Singapur, in Shenzen oder in Dschakarta...? – Lego-Cities soweit das Auge reicht.
Auf Bangkok käme dann allerdings auch ein Blinder. Der Geruch der unzähligen Garküchen und Straßenrestaurants hängt in der Luft, man fühlt sich quartierweise wie in einer Freiluftküche. Das Leben spielt sich hier dank der milden Temperaturen im Freien ab, es wuselt den ganzen Tag über bis weit nach Mitternacht von geschäftigen Menschenmassen. Und überall und zu jeder Zeit wird gegessen. Das macht Bangkok sympathisch, so lässt sich die Glitzerwelt aushalten, Gucci und Prada in friedlicher Koexistenz mit tausend Garküchen.
Garküchen in Lego-City
Neu ausprobiert habe ich bei einem Straßenkoch eine frittierte Kartoffel, die er zu einer Kringel verarbeitet und aufgespießt hatte. Es sah aus wie essbarer Weihnachtsschmuck, ich habe sie nur gekauft, weil sie so drollig aussah und erwartete nicht allzu viel. Sie schmeckte aber köstlich, wie eine Pommes frites, doch federleicht, kein Kartoffelgericht, ein Kartoffelgedicht. Nachdem ich sie gegessen hatte, kehrte ich zurück und bestellte noch eine halbes Dutzend davon.
In Thailand sieht man selten jemand allein an einem Tisch sitzen und wenn, dann ist es meist ein Tourist. Essen hat hier über die reine Nahrungsaufnahme hinaus eine enorme soziale Funktion, und dient der Selbstvergewisserung: Ich esse also bin ich. Die Thais tauschen sich während der Mahlzeiten intensiv aus, vor allem die Frauen. Sie reden ununterbrochen, eine Stimmenkulisse umhüllt sie wie ein akustischer Kokon, das Essen selbst scheint dann nur noch ein Vorwand zu sein, um sich einander nahe und verbunden zu fühlen. Die Qualität der Speisen wird auch weniger beurteilt, als bei uns, es wird sowieso vorausgesetzt, dass es schmeckt, schließlich hat die Thai-Küche Weltruf. Es kommt aber auch hinzu, dass in den Familien immer mehr oder weniger dieselben Gerichte auf den Tisch kommen, Tradition bestimmt die Tafel.
Das Palaver am Tisch mit den Damen stört mich aber gar nicht, es amüsiert mich sogar, auch wenn ich nur einzelne Wortfetzen verstehe. Und wenn ich den Sinn dann endlich entziffert habe, sind sie schon wieder ein paar hundert Sätze weiter.
Mahlzeit im Chatroom
Was mich anfangs eher irritierte war, wie selbstverständlich sich die Freundinnen meiner Frau beim ersten Besuch in Bangkok an den Tisch setzten und es sich schmecken ließen. Egal in welchem Winkel der Stadt wir dinierten, plötzlich tauchten sie „rein zufällig” auf und futterten, als gäbe es kein Morgen. Es waren aber nie dieselben und ich begann nachzurechnen, wie viele Einwohnerinnen Bangkok hat und wie lange es dauern würde, bis alle satt sind. Ich wollte aber nicht Spielverderber sein und sagte nichts, mal abgesehen davon, dass sich keine Gelegenheit bot, sie zu unterbrechen.
Kein Affenhaus für Farangs
Irgendwann wurde mir auch klar, dass die Damen einfach neugierig waren, diesen Farang aus „Switzerland“ kennenzulernen. Ich wurde ziemlich indiskret vor Ort besichtigt und da es kein Affenhaus für Farangs gibt, schleppt man ihn halt in ein öffentliches Lokal. Das gemeinsame Essen besiegelt dann gewissermaßen die Bekanntschaft. Danach wird wild herumtelefoniert und das Ergebnis der Analyse an meine Frau weitergereicht: „Na ja, dein Farang kommt in die Jahre, aber er scheint noch ganz gut im Schuss zu sein...“ (meine Rede!)
Amüsiert hat mich auch die unverhohlene Anmache der Thaifrauen. Sie erkundigten sich unverblümt, ob ich noch einen Bruder hätte (!?). Eine Andere fragte verschmitzt, ob ich mir auch mal ihre Wohnung ansehen wolle. Das Gelächter am Tisch war groß und Lin lachte herzhaft mit. Es ist ihre Art, Sympathie auszudrücken. Für die Thailänderinnen sind westliche Männer mindestens so exotisch, wie umgekehrt. Abgesehen von der wirtschaftlichen Sicherheit, die ein Farang in der Regel garantiert, gelten sie als fürsorgliche Väter und zuverlässige Alimentenzahler.
In Thailand sind Heirat und Scheidung eine rein administrative Formsache, es braucht keinen Gerichtsbeschluss dazu. Eine Besonderheit, die wohl weltweit einmalig ist: Ein Thai, der genug von Frau und Familie hat, kann in einem Kloster untertauchen oder als Mönch umherziehen. Das wird toleriert und dem Vernehmen nach auch gern praktiziert, die Klöster hier sollen sich nicht über mangelnden Zustrom beklagen. Vielleicht macht das Beispiel auch in D-A-CH Schule und Franziskaner, Dominikaner und Trapisten würden dadurch ihre Personalprobleme lösen.
Über den Autor
Khun Resjek lebt mit seiner thailändischen Frau und Tochter in Hua Hin. Seine Kolumne „Thailand Mon Amour“ illustriert auf humorvolle Weise den Alltag im „Land des Lächelns“ aus der Sicht eines Farang und weist mit Augenzwinkern auf das Spannungsfeld der kulturellen Unterschiede und Ansichten hin, die sich im Familienalltag ergeben. Ein Clash der Kulturen der heiteren Art, witzig und prägnant auf den Punkt gebracht.