Im Kino

In Thailand ist das Kino wie überall sonstwo auf der Welt: Ticket an der Kasse kaufen, womöglich eine Tüte mit Popcorn am Tresen erstehen und ab gehts in ein Schattenreich, das dich wie ein schützender Mantel umfängt, in welchem sich das Individuum bis auf seine Konturen auflöst und höchstens noch durch das Rascheln der Knabbertüten bemerkbar macht.

Man sollte es sich hierzulande aber im Sessel nicht gleich allzu bequem machen, denn es gilt vor Beginn der Vorstellung dem Gastland stehend seinen Respekt zu zollen und der Nationalhymne zu lauschen. Ihr ist meist eine Kurzdoku über Land und Leute unterlegt, in welcher die Wehrbereitschaft besonders hervorgehoben wird (da wir beim ersten Kinobesuch einen Trickfilm erwarteten, flüsterte ich meiner elfjährigen Tochter ins Ohr, dass dies noch nicht zur Handlung gehöre – Aladin habe eine Wunderlampe und keine Kanonen).

Kanonen statt Wunderlampe

Dann kam der Vor-Film (Trailer). Auch hier keine Spur von Mickey Mouse, sondern es ging gleich ziemlich zur Sache. Irgendwelche Mafiosi, in Thai-Manier fantasievoll bis zur surealen Kenntlichkeit geschminkt, prügelten und beschossen sich in einer Waldlichtung. In der nächsten Sequenz trugen offensichtlich dieselben Darsteller Uniformen, einfach streng gescheitelt und umgeschminkt.

Der Produzent hatte vermutlich ein knappes Budget und dachte sich: Mafiosi oder Polizei, ist doch Hans was Heiri, merkt doch keiner. Da die Handlung von einer ohrenbetäubenden Filmmusik beschallt wird, hat er wohl recht, die Zuschauer sind eh behämmert.

Nach einer Weile habe ich irritiert auf meine Tochter geschaut und machte mir Sorgen. Gibt es in der Psychi­atrie schon sowas wie einen Kinokulturschock, der das unbedarfte kindliche Gemüt auf Lebenszeit schädigt? Eine kinoposttraumatische Störung, in welcher das Kind nachts aufschreckt, weil es im Traum gesehen hat, wie Donald Duck mit einer Handgranate herumfummelte und damit explodierte?

Kein Alpöhi weit und breit

Als der Film (Aladdin) dann endlich begann, war ich aus lauter Sorge schon dermaßen verwirrt, dass ich ihn mit Heidi verwechselte, auf den Alpöhi und den Geißenpeter wartete und mich wunderte, dass die Schweizer Berge im Wüstensand verschwunden waren. Nach der Vorstellung war die Tochter aber putzmunter, es war klar, wer hier die posttraumatische Störung abbekommen hatte.

Meine Therapie war die Erinnerung an eine Erzählung eines Bekannten. Er darf hier gleich selbst zu Wort kommen:

Ich war in den 70ern in Westberlin und arbeitete in einer Kneipe als Kellner. Als das Hippie-Musical „Hair“ in die Stadt kam, suchten sie noch Schauspieler, die nichts weiter zu tun hatten, als nackt zu den Klängen psychodelischer Musik herumzuhüpfen. Die einzige Bedingung war: Lange Haare, je länger, je besser. Ich meldete mich zum Casting und wurde gleich angenommen, ich trug meine Haare damals schulterlang. Das Musical war ein großer Erfolg, wir spielten jeden Abend vor ausverkauftem Haus, waren gut bezahlt und hatten jede Menge Spaß.

Während einer Nachmittagsprobe stand plötzlich ein Typ vor der Bühne und rief: „Alle mal herhören! Ich bin Regisseur, wir drehen im Nachbarhaus einen Porno und brauchen noch Statisten. Das Ganze dauert zwei Stunden, ich zahle 300 Mark.”

Ich machte mir keine großen Gedanken und meldete mich zusammen mit einem Kollegen an. Wir hatten nichts weiter zu tun, als während einer Einstellung im Hintergrund nackt hin und herzugehen, es war der bestbezahlte Spaziergang meines Lebens.

Ein Spaziergang für die Ewigkeit

Ich hatte die Geschichte schon längst vergessen und lebte Jahre später in Frankfurt in einer WG, als meine Wohngenossen den Vorschlag machten, ins Kino zu gehen, egal was, man wollte sich einfach zusammen einen Film anschauen. Zufällig landeten wir in einem Sexkino und lachten laut bei jeder Szene, die Paare beim Sex zeigten, die klägliche Handlung war nur ein Vorwand dazu.

Plötzlich sah ich mich von der rechten Leinwandseite mit meinem damaligen Kollegen in die Bildmitte hineinspazieren, es war der Film, bei dem ich Jahre zuvor mitgewirkt hatte. Ich sagte natürlich nichts und hoffte, dass mich die anderen nicht erkennen würden, aber plötzlich rief einer: „Hey schaut mal, ist das nicht der Bruno? Der sieht ja genau aus wie Bruno!” Alle schauten nun ungläubig genauer hin, aber da waren wir schon wieder weg. Der Freund, der ausgerufen hatte, sagte noch: „Ich hätte schwören können, dass es Bruno war!” Ich atmete erleichtert auf, stritt alles ab und redete mich auf einen Doppelgänger heraus. Einen Augenblick später wiederholte sich die Szene. Wir spazierten diesmal von der linken Seite in das Bild hinein, blieben in der Mitte stehen und taten so, als würden wir etwas besprechen und gingen langsam wieder ab. Nun hatte jeder ausreichend Zeit zu sehen, dass ich es war. Abstreiten war zwecklos und alle brüllten vor Lachen.


Über den Autor

Khun Resjek lebt mit seiner thailändischen Frau und Tochter in Hua Hin. Seine Kolumne „Thailand Mon Amour“ illustriert auf humorvolle Weise den Alltag im „Land des Lächelns“ aus der Sicht eines Farang und weist mit Augenzwinkern auf das Spannungsfeld der kulturellen Unterschiede und Ansichten hin, die sich im Familienalltag ergeben. Ein Clash der Kulturen der heiteren Art, witzig und prägnant auf den Punkt gebracht.

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Dieter Kowalski 31.08.21 18:20
Kino in Thailand
Im Jahr 2001 war ich das erste, und letzte Mal in Thailand in einem Kino.
Es war der, auch international beachtete Film
Suriyothai der damals gerade anlief. Die Hyme am Anfang gab es damals schon. War etwas eigenartig dass sich alle Kinobesucher dazu erhoben, aber andere Länder andere Sitten.
Was ich und meine zukünftige bessere Hälfte damals nicht wussten, war die Laufzeit des Filmes und die auf 18 Grad eingestellte Klimaanlage des Kinos. Nach mehr als drei Stunden kamen wir unterkühlt und mit klappernden Zähnen aus dem Kino.
Seitdem gibt es für uns in Thailand nur noch Heimkino.
Hans Peter Schärer 29.08.21 15:50
Kino
Im Kino vor Filmbeginn.
Ich glaube das es sich um die Königshymne handelt, und nicht um die Nationalhymne.
Mit freundlichen Grüssen