Das traurige Ende eines lebenslustigen Rheinländers

Barbesitzer aus Düsseldorf auf Koh Samui ermordet – Statt Glück den frühen Tod gefunden

Liebespaar mit Heiratsabsichten: Volker Schwartges mit seiner Thai-Freundin Chariya (39) aus Khon Kaen.
Liebespaar mit Heiratsabsichten: Volker Schwartges mit seiner Thai-Freundin Chariya (39) aus Khon Kaen.

KOH SAMUI: Fünf Jugendliche prügeln und treten einen Deutschen nieder. Wie im Blutrausch schlagen sie auf einem Parkplatz mit Bierflaschen auf ihr wehrloses Opfer ein. Am Schluss springt der Älteste, der 17-jährige Ittisorn Tanprasert, mit einem gezückten Messer in Kung-Fu-Manier auf den taumelnden Mann und zieht die Klinge über seinen Hals. Volker Schwartges (46) aus Düsseldorf bricht in Chawengs Vergnügungsviertel Soi Green Mango zusammen. Minuten später ist er verblutet. Es ist der 20. August 2014, 6.10 morgens. Am Horizont hinter den Bars geht gerade die Sonne über Koh Samui auf.

Die Umstände des Todes von Volker Schwartges sind ebenso unfassbar wie das Alter der mutmaßlichen Täter: 14 Jahre ist der Jüngste der Stunden später verhafteten Thais, zwei sind 15, einer 16 und der überführte Messerstecher wurde vor einem halben Jahr 17. Drei Fragen kreisen seither um diesen brutalen, wie eine Hinrichtung vollzogenen Gewaltakt. Was treiben einheimische Minderjährige um 6 Uhr früh im berüchtigts­ten Vergnügungsviertel Koh Samuis? Weshalb sind sie so roh und gewaltbereit, nur weil sich Schwartges lautstark über die Besetzung seines geparkten Motorrades beschwert hatte? Und: Warum griff niemand ein und half dem Deutschen?

Fassungslosigkeit in Deutschland

Mutmaßlicher Mörder: Ittisorn Tanprasert aus Maenam.
Mutmaßlicher Mörder: Ittisorn Tanprasert aus Maenam.

Es sind die Antworten, die ein düsteres Licht auf diese Geschichte werfen. In der Heimatstadt Düsseldorf, 9.500 Kilometer von Koh Samuis Stränden entfernt, hören sich diese Fragen anders an als auf der Urlaubsinsel im Golf von Thailand. In Deutschland trauert man fassungslos um einen Freund und hofft auf eine schnelle Aufklärung und Verurteilung der Täter. Was im entfernten Thailand passiert ist, erfahren sie durch Presseberichte englisch- und deutschsprachiger Zeitungen. Im ‚Düsseldorf Express‘ prangt es am 21. August von der Titelseite: Auf Trauminsel Koh Samui - Teenager ermordet Düsseldorfer Wirt. Fast alle bundesdeutschen Medien berichten über den Mordfall.

Auf Koh Samui hat die zurückgebliebene thailändische Lebensgefährtin von Volker, Chariya C. (39) aus Khon Kaen, ein handfesteres Problem. Sie muss sich ruhig verhalten und aufpassen, dass Sympathisanten der Jugendbande nicht bei ihr auftauchen. Erste versteckte Drohungen gab es bereits. Fast alle thailändischen Zeugen schweigen. Immerhin hat die Polizei Ermittlungen wegen vorsätzlichen Mordes gegen drei Angeklagte eingeleitet und ermittelt gegen zwei weitere wegen Beihilfe. Ein Gerichtsverfahren ist noch nicht in Sicht. Der öffentliche Druck könnte eine wichtige Rolle bei der Aufarbeitung des Falles spielen.

Mordverdächtiger hat mächtige Freunde

Der mutmaßliche Mörder, Ittisorn Tanprasert, ist Insulaner und hat im Badeort Maenam mächtige Freunde. Das Wort ‚Mafia‘ kreist. Auf Koh Samui lebende Auswanderer wissen, dass mit solchen lokalen Größen nicht zu spaßen ist. Offensichtlich hatte sich die Gruppe um Ittisorn zuvor im Nachtlokal ‚Sound Pub‘ aufgehalten. Es liegt in der Soi Green Mango und ist ein bevorzugter Partytreff lokaler Gangs. Direkt daneben befindet sich die beliebte Bar eines Deutschen, in der Volker Schwartges und seine Lebensgefährtin Chariya bis kurz vor der Tat gemütlich gesessen hatten.

Danach trafen diese zwei Welten aufeinander. Zufällig, weil der Parkplatz für die Vergnügungsmeile hinter den Barbetrieben untergebracht ist, neben der Go-Go-Bar ‚GB-Lounge‘. Chariya C. ging kurz vor 6 Uhr morgens alleine in Richtung Chawengs Strandstraße und wunderte sich nach einigen Minuten, weshalb Volker noch nicht gekommen war. „Er wollte doch nur sein Motorrad holen und uns nach Hause fahren“, schildert sie dem FARANG-Reporter. Beunruhigt sei sie zurückgelaufen und habe ihren Freund am Boden kauernd vorgefunden, alles sei voller Blut gewesen.

CCTV-Kameras filmten den Tatablauf

Schlagzeilen: Der ‚Düsseldorf Express‘ brachte den Fall auf der Titelseite, fast alle deutschen Medien berichteten.
Schlagzeilen: Der ‚Düsseldorf Express‘ brachte den Fall auf der Titelseite, fast alle deutschen Medien berichteten.

Eine Verkäuferin des thailändischen Straßengerichtes ‚Som-Tum‘, die ihren fahrbaren Stand in der Nähe des Tatortes aufgebaut hatte, erzählte aufgeregt, was vorgefallen war. Außerdem konnte die Polizei anhand von CCTV-Überwachungskameras auf Videos sehen, wie die Jugendlichen den Deutschen bearbeitet und abgeschlachtet hatten. Später liefen sie triumphierend in Richtung des Chaweng-Strandes davon. Ihnen war nicht bewusst, dass sie gerade einen Menschen getötet hatten.

Die letzte Frage, weshalb niemand Volker Schwartges zu Hilfe geeilt ist, beantwortet sich für in Thailand lebende Menschen schnell. Kaum einer würde sich mit einer Gruppe von Thai-Männern, auch nicht mit Jugendlichen anlegen, schon gar nicht zu dieser Uhrzeit und an einem Ort mit Vergnügungs-Gastronomie. Das ist der einzige Vorwurf, den man dem 46-Jährigen machen könnte. Weshalb hat er nach zweieinhalb Jahren Existenz in Thailand diese Gefahr so unterschätzt und alleine versucht, den Streit zu regeln? Diese Realität hatte nichts mit der romantischen Verzauberung gemein, die ihn drei Jahre zuvor magisch in das Land gezogen hatte.

Vor drei Jahren für Samui entschieden

Im November 2011 war der Düsseldorfer Unternehmer mit seinem Kumpel John M. erstmals nach Thailand gekommen. In Chaweng fanden sie eine Unterkunft, und das pulsierende Leben traf den lebenslustigen Schwartges wie ein Hammer. „Das ist es, hier will ich hin!“ Schon Wochen später leitete er alles in die Wege, um für immer nach Koh Samui übersiedeln zu können. In Düsseldorfs Altstadt kannte den ehemaligen Gastronomen fast jeder. „Er war ein Urgestein dieser Stadt und aus vollem Herzen ein Kind Düsseldorfs“, sagen seine Freunde John, Peter und Chris­toph. Dennoch warf er das alte Leben weg und wollte in Thailand ein neues beginnen.

Bei Besuchen auf Samui lernten die Freunde später auch seine neue Lebenspartnerin kennen. Mit Chariya C. betrieb Volker Schwartges seit 2012 die ‚Bar 99‘ vor dem Chaweng See, gleich an der Kreuzung in Richtung Reggae Pub. Der Deutsche und seine Geliebte verstanden sich prima. Im Frühsommer 2014 hatten sie in Düsseldorf die Mama und Großmutter von Volker Schwartges besucht und mit Freunden wundervolle Tage verlebt. Alle staunten, dass der ewige Junggeselle sogar von Heirat sprach und bei den Behörden die Papiere für sich und Chariya klarmachen wollte.

Der Wunsch blieb unerfüllt. 27. August 2014: Traurig zeigt Chariya eine Woche nach dem Mord ein Erinnerungsfoto auf ihrem iPhone vor. Man sieht sie inmitten der Familie ihres Verlobten in Deutschland, Volkers Mutter und Oma lachen mit dem Paar fröhlich in die Kamera und ahnen nicht, dass nur einen Monat später alles vorbei sein wird. Die letzte Reise nach Koh Samui war auch die letzte seines Lebens.

Tatort: Hinter der Soi Green Mango am Parkplatz neben der Go-Go-Bar GB Lounge fand die Bluttat statt.
Tatort: Hinter der Soi Green Mango am Parkplatz neben der Go-Go-Bar GB Lounge fand die Bluttat statt.

Volker Schwartges ist nur 46 Jahre alt geworden. Sein Leichnam lag bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe in der Kühlkammer des Städtischen Krankenhauses Nathon. Sobald die Ermittlungen abgeschlossen waren, sollte die Freigabe durch die deutsche Botschaft erfolgen. Volkers sterbliche Überreste werden in einem Tempel bei Chaweng eingeäschert. Die Mutter will die Urne nach Düsseldorf überführen lassen, um in seiner Heimatstadt mit allen Freunden Abschied zu nehmen. Dort vermisst man ihn. Dort gehört er hin.

Auf Koh Samui klang seine Geschichte nur eine Woche nach der Bluttat wie eine traurige Episode. Manche Landsleute sprachen ungerührt davon, dass er sein Schicksal „durch seine laute Schnauze“ selbst besiegelt habe. Mitleid kannten die wenigsten. An der ‚Bar 99‘ seiner zurückgebliebenen Lebensgefährtin tauchten nicht einmal eine Handvoll Leute mit Beileidsbekundungen oder Hilfsangeboten auf. Urlaubsorte wie Koh Samui bieten selten Platz für echte Freundschaften oder Sentimentalitäten.

„Wärst Du doch in Düsseldorf geblieben“

Chariya C. freute sich umso mehr über die Anteilnahme von Volkers Freunden in der alten Heimat. Fast täglich telefonierte oder chattete sie mit ihnen. „Diese Leute wissen, wer hier gestorben ist – nicht nur ein Barbesitzer, sondern ein Mensch aus Fleisch und Blut mit Wurzeln und mit einer Identität.“ Die 39 Jahre alte Thailänderin hat diese, seine Welt, in Deutschland kennenlernen dürfen.

Die letzte Erkenntnis eines Auswandererlebens hat den lebenslustigen Rheinländer nicht mehr erreicht: Die Schattenseite des Paradieses verdunkelte am Ende sein eigenes. Das Lied der Sängerin Dorthe, ein Schlager aus den Kinderjahren von Volker Schwartges, klingt nach wie ein schmerzvoller Abgesang: „Wärst Du doch in Düsseldorf geblieben…“ Die Welt, die er so verlockend und unwiderstehlich fand, sie brachte ihm kein dauerhaftes Glück, sondern den frühen gewaltsamen Tod. Thailands Paradies hat häufig die Hölle mit im Schlepptau.

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Klaus Hoffmann 12.09.14 19:04
Kho Samui - brutaler Mord an deutschen Barbesitzer
Der unfassbar brutale Mord an dem Düsseldorfer Volker Schwartges durch eine Bande thailändischer Minderjähriger hat auch in Deutschland für Entsetzen gesorgt. Die Forderung nach der Todesstrafe für dieses abscheuliche Verbrechen wird immer lauter, ungeachtet dessen, daß der mutmaßliche Mörder erst 17 Jahre alt ist. Völlig unverständlich sind Äußerungen von deutschen Kho-Samui-Residenten, die dem Ermordeten "eine große Schnauze" nachsagen - eine pietätlose Äußerung, wie man sie eigentlich nur in übelsten Proletenkreisen zu hören bekommt. Dabei spielen wohl Neid und Mißgunst eine große Rolle.
Der Familie des Volker Schwartges und seiner thailändischen Freundin gilt unser Mitgefühl.