Da bleibt dir die Spucke weg

Die richtigen Leute zur richtigen Zeit am richtigen Ort zusammenzubringen, ist eine Herausforderung für jeden Gastgeber. Aber bei dieser Einladung war ich mir sicher: Die passen zusammen.

Hans, ein ehemaliger Chefkoch, der in den renommiertesten Häusern der Welt gearbeitet hat und Max, ein Handlungsreisender, der auf allen Kontinenten, außer der Antarktis, zuhause war. Sie trafen Punkt sechs bei uns zum Nachtessen ein. Ich kam kaum dazu, sie miteinander bekannt zu machen. Sie begannen sich unverzüglich lebhaft auszutauschen wie alte Freunde, die sich über Jahre nicht mehr gesehen hatten und nun Versäumtes nachholen wollten.

Ihre beiden Frauen schauten sich verdutzt an. Das war offensichtlich auch für sie überraschend. Um sie nicht sprachlos stehen zu lassen, servierte ich gleich den Apéro und drückte ihnen ein Glas Wein in die Hand. Die Konversation übernahm meine Frau. Sie ist eine wahre Meisterin im Small Talk und bringt mit ihrem „Thinglish“ alle zum Lachen oder wenigstens zum Hinhören, denn es gibt hin und wieder abenteuerliche Umschreibungen zu entziffern.

Wo sind die Lakaien?

Der Abend kam gut in Fahrt, die Vorspeise war verputzt, der Hauptgang konnte von den Lakaien aufgetragen werden, aber außer mir war keiner da. Auch der Wein arbeitete zur allgemeinen Zufriedenheit, er lockerte erfolgreich die Zungen.

Ich bekam nicht alle Details der Tischgespräche mit, weil ich mit dem Service beschäftigt war, aber als der Name eines Schlagerstars aus den 60ern fiel, horchte ich auf. Er war damals der leibhaftige Schnulzenkönig und begleitete meine Jugendzeit nolens volens, weil er aus jeder Musikbox landauf landab trällerte, dass einem das Hören und bei seinen TV-Shows auch gleich das Sehen verging.

Ich hielt es eher mit Mike Jagger und Konsorten, der Schlagerstar war für mich selbstredend der geborene Anti-Stone oder die Spaßbremse schlechthin. „I couldn‘ get any satisfaction…“

Trio infernal

Nun ist es aber so, dass man nicht zum Schlagersänger geboren wird und mir ist auch keine Akademie bekannt, die dafür einen Studiengang mit Bachelor anbietet. Der Weg auf die Bretter, die die Schnulze bedeuten, führt oft über eine Berufslehre. Udo Lindenberg war Kellner, DJ Bobo Zuckerbäcker und „unser Mann“ Koch. Zusammen hätten sie ein Restaurant eröffnen können. Essen beim „Trio infernal“ wäre bestimmt ein gastronomischer Renner geworden.

Der ehemalige Koch ließ es sich – nach einem Bericht von Hans, der damals Lehrling in einem noblen Betrieb war – auch als arrivierter Showstar nicht nehmen, die Küche des Hotels, wo er abgestiegen war, zu inspizieren. Er ging dabei ziemlich unverfroren vor, steckte seine Nase in Töpfe und Pfannen und gab dann seinen Senf dazu. Nach der Mahlzeit erschien er wieder und verteilte Noten wie ein Restaurantkritiker, der für den Guide Michelin arbeitet. Der Sängerkoch war der Schrecken der Küchenchefs, die sich in ihrer Ehre angegriffen fühlten. Man sann auf Rache.

À la mode des chefs!

Als er wieder einmal den kulinarischen Inquisitor gespielt hatte, kam es zum Eklat: Chef und Vizechef, die sonst ein eher gespanntes Verhältnis hatten, spuckten in seltener Einigkeit vor den Augen des Lehrlings abwechslungsweise auf das Filet de bœuf „Charolais“, das für ihn bestimmt war. „Bon Appétit!“

„Das war aber noch nicht alles,“ fuhr Hans fort. „Es war das einzige Mal, in welchem er nach dem Dinner in die Küche gekommen ist und jedes und alles über den Klee gelobt hat, vor allem sein Filet de bœuf à la mode des chefs…!“

Als er wieder weg war, kugelten sich die Köche vor Lachen. Die Anekdote machte die Runde in den Gastrobetrieben. Der Sängerkoch wurde nun überall mit einem süßsauren Lächeln begrüßt, wenn er eine Küche zur Inspektion betrat. Er führte dies auf seine Beliebtheit zurück und verteilte großzügig Autogramme.

Von seinem Vermächtnis, den Schlagern, ist nicht viel übriggeblieben. Die Ohrwürmer von einst werden bestenfalls arg verstümmelt in der Fasnacht zum Besten gegeben. Nur die Anekdote hat überlebt. Literatur ist halt zäher als jeder Schmachtfetzen.


Über den Autor

Khun Resjek lebt mit seiner thailändischen Frau und Tochter in Hua Hin. Seine Kolumne „Thailand Mon Amour“ illustriert auf humorvolle Weise den Alltag im „Land des Lächelns“ aus der Sicht eines Farang und weist mit Augenzwinkern auf das Spannungsfeld der kulturellen Unterschiede und Ansichten hin, die sich im Familienalltag ergeben. Ein Clash der Kulturen der heiteren Art, witzig und prägnant auf den Punkt gebracht.

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Dracomir Pires 28.02.21 10:52
Tolle Story ...
... aber diese schwerfälligen Begriffe "nolens volens", "Lakaien", "Schmachtfetzen", "Inquisitor" ...