«Stuttgarter Zeitung» zum Landesklimaschutzgesetz
Schade, dass sich das ursprünglich vorgesehene innerdeutsche Flugverbot für Landesbedienstete im Gesetz nicht halten konnte.
Regierungschef Kretschmann höchstpersönlich hält das für Symbolpolitik. Eine solche Regelung hätte allerdings einen gewissen Vorbildcharakter entwickelt. Wenn schon den Ministerialbeamten die Bahn (erste Klasse) nicht zuzumuten ist, warum sollen dann andere auf den Berlin-Flug verzichten?.
«Handelsblatt» zur Schuldenbremse
Der manische Blick auf die Schuldenbremse verstellt auch in der jetzigen Krise das Blick aufs Wesentliche.
Finanzminister Christian Lindner hat längst signalisiert, die Schuldenbremse auszusetzen, so nötig. «Nötig» ist hierbei das entscheidende Wort. Statt von der Schuldenbremse her zu argumentieren, muss die Politik vom anderen Ende her denken: Wie schlimm ist die Lage? Wer klagt zu Recht, wer will nur Geld abgreifen? Muss die Politik für bestimmte Bevölkerungsgruppen und Betriebe eine Belastungsobergrenze definieren? Wie lassen sich Hilfen auf den Weg bringen, ohne die Lenkungsfunktion von Preisen auszuhebeln, die fürs Energiesparen entscheidend sind? Und was kostet das? Wenn die Politik zu dem Schluss kommt, die Kosten notwendiger Hilfen übersteigen die Grenzen der Schuldenbremse, wird die Regel ausgesetzt. Aber richtigerweise nur dann.
«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zur Vorratsdatenspeicherung
Die anlasslose Speicherung ist demnach grundsätzlich rechtswidrig.
(...) Es gibt gewiss ein allgemeines Gefühl dafür, dass man oft digitale Spuren hinterlässt, die auch bleiben können. Aber die Bürger können durchaus unterscheiden zwischen einem zulässigen Zugriff auf Verbindungsdaten, der strengen Regeln unterworfen ist, und einem Überwachungsstaat à la Orwell. Wobei genau diese Furcht auch den Europäischen Gerichtshof umgetrieben hat: Es gab und gibt Fälle aus osteuropäischen Staaten, in denen etwa Richter systematisch überwacht wurden. (...) Der Rechtsstaat darf sich gerade in einer digitalen Welt bei schweren Delikten nicht die Möglichkeit des Zugriffs auf Informationen nehmen lassen (...). Die uneinige Koalition wird sich entscheiden - und vor dem Bürger dafür geradestehen müssen.
«Gazeta Wyborcza»: Polens Unterstützung für Ungarn ist empörend
WARSCHAU: Polen will sich der Kürzung von EU-Mitteln für Ungarn widersetzen. Dazu schreibt die polnische Zeitung «Gazeta Wyborcza» am Dienstag:
«Die Erklärung der EU-Kommission, die eine drakonische Kürzung der EU-Mittel für Ungarn forderte, hatte kaum den Drucker verlassen, da kündigte (Polens Regierungschef) Mateusz Morawiecki schon Hilfe an. Der Chef der PiS-Regierung sagte, Polen werde sich «mit ganzer Kraft» den europäischen Institutionen widersetzen, die den Ungarn den Geldhahn zudrehen wollen. Das sind empörende Worte.
Ein einem Moment, wo aus den Massengräbern bei der befreiten Stadt Isjum weitere von den Russen ermordete Zivilisten exhumiert werden, will der polnische Regierungschef mit Einrichtungen der EU kämpfen, die die Ukraine unterstützen, und einen zynischen Verbündeten Wladimir Putins verteidigen. Doch Morawicki unterstützt nicht nur einen Helfer des Kremls, sondern auch einen Kriminellen. Denn der Streit zwischen Budapest und der EU betrifft eine gigantische Korruption.»
«Dziennik»: Russlands Kriegsverbrecher müssen vor ein Tribunal
WARSCHAU: Nach dem Rückzug der russischen Truppen aus dem ostukrainischen Gebiet Charkiw wurden bei Isjum 440 Gräber mit Leichen gefunden. Dazu schreibt die polnische Zeitung «Dziennik Gazeta Prawna» am Dienstag:
«In Isjum und anderen Orten in der Ukraine, die unter russischer Besatzung waren, mag die Entwickung der Ereignisse unterschiedlich gewesen sein, aber es endete immer mit Massenmorden. Die internationale Staatengemeinschaft muss ein spezielles Tribunal einberufen, um die russischen Kriegsverbrecher vor Gericht zu stellen. Weder eine millionenstarke Armee wird sie retten, noch das Bemühen, die eigenen Kräfte durch das Anwerben von Gefängnisinsassen zu verstärken.
Die Befreiung Isjums und die Wahrheit über russische Kriegsverbrechen sollten das Ende von (Putins Ideologie) der «russischen Welt» sein. Ihre Idee entstand als Alternative zum fauligen Westen. Es sollte ein Symbol sein für den Widerstand gegen die USA und ihre Verbündeten. Aber in den vergangenen Monaten hat sich jeder überzeugen können, dass Russland seinen Nachbarn ausschließlich den Tod bringt und eine Bedrohung für die ganze Welt ist. »
«Lidove noviny»: Einzigartige Huldigung der Queen
PRAG: Zu den Trauerfeierlichkeiten für die britische Königin Elizabeth II. schreibt die konservative Zeitung «Lidove noviny» aus Tschechien am Dienstag:
«Ein solches Staatsbegräbnis haben wir zuvor noch nicht gesehen und werden es auch nie wieder sehen. Wir werden eine Situation nicht wieder erleben, in der die Straßen in London voller trauernder Menschen sind, das japanische Kaiserpaar neben anderen Staatsoberhäuptern mit dem Bus fährt und nur US-Präsident Joe Biden eine Ausnahme für seine gepanzerte Limousine erhält. Es war eine einzigartige Atmosphäre. Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass Elizabeth II. die letzte politische Persönlichkeit war, von deren positiver Bedeutung die Mehrheit der Welt überzeugt war. (...) Doch wäre bei uns ein Präsident beliebt, der sich niemals zu irgendetwas politisch äußert? Das ist nur schwer vorstellbar. Es handelt sich um ein Privileg und eine Verpflichtung der Herrscher in konstitutionellen Monarchien.»
«The Guardian»: Die Monarchie ist ein Anachronismus
LONDON: Zur Rolle der Monarchie in Großbritannien meint der Londoner «Guardian» am Dienstag:
«Die Monarchie ist der größte Anachronismus der britischen Gesellschaft. Doch eine Flut von infantilisierender Berichterstattung sowie einige echte Trauer um eine geliebte Monarchin scheinen jede Diskussion über Reformen erstickt zu haben. In einem zerrissenen Königreich sollte das Ableben der Königin jedoch Anlass sein, darüber nachzudenken, was es für ihren Sohn bedeutet, die Nachfolge anzutreten. (...)
Die Monarchie hat nichts Rationales an sich. Wie die Ereignisse dieser Woche gezeigt haben, ähnelt die königliche Familie eher einer Religion, die Emotionen weckt, die mit Logik nichts zu tun haben, sondern mystische Impulse tief in unserer kollektiven Psyche auslösen. Vielleicht hat der Tod der Monarchin eine Welle der Verbundenheit und Solidarität ausgelöst. Aber solche Gefühle können so schnell verschwinden, wie sie gekommen sind. Was bleibt, ist monarchische Macht ohne nennenswerte Rechenschaftspflicht. Der große Erfolg von Elizabeth II. als Königin bestand darin, ihre Machtausübung aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit herauszuhalten, so dass sie nicht durch öffentliche Kontrolle gefährdet war.»
«Dagens Nyheter»: Überlebt die britische Monarchie König Charles?
STOCKHOLM: Die liberale schwedische Tageszeitung «Dagens Nyheter» (Stockholm) kommentiert die Flüche des neuen britischen Königs Charles III. über einen Füllfederhalter:
«Für Großbritanniens König Charles hat es nicht gerade hervorragend begonnen. Er könne es nicht ertragen, sagte der Mann, der in eine der mächtigsten und reichsten Familien der Welt hineingeboren wurde und nicht eine Sekunde lang daran denken musste, wie er sich versorgen soll. «Gott, ich hasse das!» Was ihn störte? Ein tropfender Füllfederhalter, als er seinen Namen in ein Gästebuch schreiben sollte. Diejenigen, die den britischen Regenten über einen leckenden Stift fluchen sehen, glauben kaum ihren Ohren. Hat er nicht für genau diese Rolle fast 74 Jahre lang trainiert? Überlebt die britische Monarchie König Charles?»
«Miami Herald»: Grausame Taktik im Streit um Einwanderungspolitik
MIAMI: Zu dem Streit über die Einwanderungspolitik in den USA und der Taktik republikanischer Gouverneure wie dem von Florida, Ron DeSantis, Migranten in demokratisch geprägte Teile des Landes zu bringen, schreibt die Zeitung «Miami Herald»:
«DeSantis' jüngster Streich, um Präsident Joe Biden in Verlegenheit zu bringen - in der Hoffnung, ihn im Oval Office abzulösen -, bestand darin, an der Südgrenze aufgegriffene Einwanderer in einer schicken Gemeinde in Neuengland abzuladen, die weder damit rechnete noch darauf vorbereitet war, sie aufzunehmen.
Was für ein Brüller, sagen seine politischen Unterstützer. Was für ein cleveres Manöver, Gouverneur. Tatsächlich ist es ebenso clever wie grausam. DeSantis benutzt und demütigt schutzbedürftige Menschen, Menschen, die ihr Leben riskiert haben, um ihre Heimat zu verlassen und in die USA zu fliehen. Er tut es, um ein politisches Zeichen zu setzen - und seine Ambitionen auf die Präsidentschaft voranzubringen. Mehr landesweite Aufmerksamkeit der Presse hätte er sich schließlich kaum erkaufen können.»
«De Standaard»: Nein zur russischen Aggression hat einen hohen Preis
BRÜSSEL: Zur Energiekrise in Europa meint die belgische Zeitung «De Standaard» am Dienstag:
«Es wird kein Winter wie jeder andere sein, so viel ist klar. Seit dem letzten Wochenende sind wir alle im Widerstand gegen Putin. Zumindest diejenigen von uns, die der Versuchung widerstehen konnten, nach dem Ende des Sommers erstmals die Heizung einzuschalten. Bei 15 Grad Außentemperatur geht das noch, aber das kann man auch noch nicht als Kältewelle bezeichnen.
Europa bemüht sich, das Schlimmste zu verhindern. Ermutigend ist, dass sich der Gaspreis nach dem Höchststand im August nun anscheinend in einem Abwärtstrend bewegt. Der Würgegriff des Kremls wird dadurch ein wenig gelockert. Doch der Preis für die moralische Entscheidung, Nein zu sagen zur russischen Aggression, war bereits hoch und wird noch einige Zeit lang hoch bleiben. Das wahre Ausmaß dieser Entscheidung wird in den kommenden Monaten Schritt für Schritt deutlich werden.»
«de Volkskrant»: Orbans Partei kontrolliert Ungarns Institutionen
AMSTERDAM: Die niederländische Zeitung «de Volkskrant» kommentiert am Dienstag das EU-Rechtsstaatsverfahren gegen Ungarn:
«Mit dem neuen Rechtsstaatsmechanismus scheint eine Waffe entwickelt worden zu sein, die tatsächlich wirkungsvoll ist: Wenn Ungarn die Korruption nicht anpackt, wird dem Land der Geldhahn zugedreht. Dieser Mechanismus stammt aus dem Köcher von Ministerpräsident Mark Rutte, der 2020 darauf drängte, dass die Auszahlung von EU-Geldern im Voraus unterbunden wird, wenn ein Empfängerland deren ordentliche Verwendung nicht garantieren kann.
Und das kann Ungarn nicht, wie die EU-Kommission urteilte. In den vergangenen Jahren ist viel EU-Geld bei Verbündeten und Familienangehörigen von Ministerpräsident Viktor Orban gelandet, während sich der Generalstaatsanwalt (ein früherer Parteifreund Orbans) nicht für Betrugsermittlungen erwärmen konnte.
Es ist sicher zu begrüßen, dass diese neue Waffe der EU endlich zu wirken scheint. Aber eine Garantie für Veränderungen ist das nicht. Ungarns wichtigste Institutionen werden von Orbans Partei kontrolliert, und sie haben ein Interesse daran, dass die Korruption fortbesteht. Brüssel muss sehr genau darauf achten, dass es nicht hintergangen wird.»
«NZZ»: Nur Großbritannien kann ein Begräbnis so in Szene setzen
ZÜRICH: Zur nahezu weltweiten Aufmerksamkeit für das Begräbnis der britischen Königin Elizabeth II. meint die «Neue Zürcher Zeitung» am Dienstag:
«Ein wichtiger Teil der Faszination gründet in der Geschichte Großbritanniens als ehemaliger Weltmacht, die stets von der Krone repräsentiert wurde. Ohne das Gewicht der Geschichte wäre die Bedeutung des Hauses Windsor nicht zu denken. (...) Dafür, dass diese große Geschichte nicht in Vergessenheit gerät, tun das britische Königshaus, der Staat, die Medien und die Bevölkerung gemeinsam sehr viel. Ohne die tiefe Verbundenheit einer großen Mehrheit der Briten mit ihrer Königin hätte sie nie dieses Ansehen erhalten.
Hinzu kommt die sorgfältige Pflege der Tradition. Geschichte und Bedeutung leben auf in großartigen Inszenierungen wie dem zwölftägigen Abschied von Königin Elizabeth. Kein Land kann ein Begräbnis derart bombastisch, würdevoll und ausdauernd in Szene setzen wie Großbritannien. Die Paraden, die bunten Uniformen, die gotischen Bögen der Westminster Abbey - alles fügt sich zusammen zu einem einzigartigen Ereignis.»
«Sydney Morning Herald»: So etwas werden wir nie wieder sehen
SYDNEY: Zum Staatsbegräbnis für Königin Elizabeth II. schreibt die australische Zeitung «Sydney Morning Herald» am Dienstag:
«So etwas werden wir nie wieder sehen. (...) Nie wieder werden wir eine solche Zusammenkunft von Staats- und Regierungschefs in der Westminster Abbey erleben. Es ist unwahrscheinlich, dass jemals wieder solche Menschenmassen nach London strömen werden. In den letzten zehn Tagen ist deutlich geworden, dass es bei der Trauer um die Königin um etwa viel Größeres ging als nur um eine gestorbene Monarchin. In vielerlei Hinsicht war es die Durchtrennung unserer Verbindungen zum 20. Jahrhundert und zu einer Lebensweise, die jetzt überholt ist. (...)
Selbst für diejenigen, die von der von ihr geleiteten Institution nicht mehr viel halten oder dies noch nie getan haben, war klar, dass die Königin etwas bedeutete. Sie rief eine emotionale, fast instinktive Reaktion bei Millionen von Menschen hervor, die glaubten, in jeder anderen Hinsicht modern und demokratisch zu sein. Sie verkörperte letztendlich viele Instinkte, die in der heutigen Welt bedroht sind: Anmut, Menschlichkeit und Standhaftigkeit. So etwas werden wir nie wieder sehen.»