Die Banalität des Glücks

Die Banalität des Glücks

Ein Feiertag, ein Festessen mit guten Freunden, Whisky, guter Wein oder Champagner: Das ist für die meisten Menschen Glück, für die Thais Sanuk und Sabai.

Dasselbe jeden Tag: Das wäre bescheuert. Eine Zumutung! Unerträglich!

Wenn Wilhelm einmal im Jahr für 14 Tage nach Thailand kommt, dann empfindet er jeden Tag, jede Stunde als Glück.

Carlos lebt hier das ganze Jahr, und er fragt sich oft: Wo ist das Glück geblieben? Das gab es doch einmal. Auch für Carlos. Aber es hat sich banalisiert, verflacht, ist fade geworden.

Ist er des andauernden Glücks müde geworden oder hat er es durchschaut als eine verlogene Maske der Verführung zu Müßiggang und Völlerei?

Er weiß es nicht, hat nicht einmal darüber nachgedacht, hat es einfach hingenommen als Tatsache.

War es Goethe, der einst schrieb: "Nichts ist schwerer zu ertragen, als eine Reihe von schönen Tagen"?

Der kurze Kick des GlücksWir gewöhnen uns schnell an die angenehmen Seiten des Lebens. Das Glücksgefühl wird zur Gewohnheit, und wir versuchen immer neue Tricks, um den kurzen Kick des Glücks einzufangen und zu halten. Der normale Weg dorthin führt über den Alkohol: Glas für Glas nähert man sich dem "Kick", aber wenn man ihn erreicht hat, geht es auch schon wieder abwärts, manchmal bis unter den Tisch.

Drogen aller Art sind die gefragtesten Glücksbringer und stehen weltweit an erster Stelle, aber nach dem "Glücks-Kick" kommt sofort der Absturz, und wenn nicht schnellstens nachgeschossen wird, sieht das Elend gar nicht mehr glücklich aus, bleibt am Ende der "goldene Schuss".

Die Sucht nach dem Glück – oder was man darunter versteht – endet häufig im Unglück. Man rennt einem Phantom hinterher und landet – im schlimmsten Fall – in der Psychiatrie.

Viele Farangs kamen nach Thailand. Warum? Psst! Die Antwort kommt später.

Zunächst kommen sie, weil sie Urlaub machen wollen, Entspannung suchen, das gute Wetter hier genießen wollen, gutes Essen, schöne Tempel und das Leben am Strand. Mag ja sein. Für ein paar Tage des Glücks reicht es ja auch. Aber fehlt dann nicht etwas? Und schon beginnt die Jagd nach dem neuen Glück, in diesem Fall wahrscheinlich meistens nach dem Sex.

Aber auch der hat die Angewohnheit, nach der Erfüllung zu erschlaffen, um kurz darauf neue Forderungen zu stellen: Lust fordert neue Lust, neues Suchen nach dem Glück. Jeder Orgasmus wartet schon auf den nächsten. Die Berg- und Talfahrt darf nicht stillstehen, bis nichts mehr geht. Und dann?

In Thailand wird diese Frage vom Buddhismus beantwortet, von den vier Weisheiten, die, in Kürze gesagt, vom Leiden sprechen, das auch im vergänglichen Glück enthalten ist, die das Streben nach Glück, Lust und Besitz für alles Leid verantwortlich machen, die zur Überwindung dieser Gier raten und den "Achtfachen Pfad" empfehlen:

Diese Schritte sind: Die richtige Erkenntnis, das richtige Denken, die richtige Rede, die richtige Tat, der richtige Lebenserwerb, die richtige Anstrengung, die richtige Achtsamkeit und die richtige Konzentration.

Okay, schon verstanden: Wir sind vom Nirwana noch eine ganze Strecke entfernt. Aber Carlos traut sich, ganz persönlich, hinter den achtfachen Forderungen fünf Haken zu machen: Erfüllt. Die restlichen kommen, wenn er alt ist und aller Laster ledig. Aber das hat noch Zeit!

Zurück zum Glück in der Gegenwart: Es muß ja nicht gleich das große Los sein.

Es sind die kleinen Dinge im LebenAls Carlos heute Morgen aus dem Fenster schaute und sah wie die Sonne aufging, da empfand er ein kurzes Glücksgefühl. Später, unter der Dusche, als kaltes, erfrischendes Wasser über seinen Körper rann, dachte er, ja, das ist gut, das ist Glück, und auch beim Frühstück, bei frischem Toast mit Rührei und dampfendem Kaffee fühlte er sich glücklich. Später am Tag, beim Anruf seines Sohnes aus Deutschland, als der ihm verkündete, seinem Enkel gehe es wieder gut, er wäre aus dem Krankenhaus entlassen worden, ja, da war Carlos richtig happy.

All diese Glücksmomente zusammen sind vielleicht nur Sekunden, aber wenn man die nicht mehr als Glück erkennt, dann wird man wohl noch lange dem Phantom hinterherlaufen, auf der Suche nach dem großen Glück.

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Bernd 20.08.13 05:59
Hallo, schade, nach 7 Tagen kein Kommentar...
Wenn man sich ein wenig mit B. bechaeftigt und auch als Farang versucht , den mittleren Weg zu gehen,
kann man Dir fuer diese wahrhaftige Kolumne nur dankbar sein.
Sollte zumindest fuer jeden ein Denkanstoss sein.
Bin Jan.Febr. 2011 mal wieder im Seebad.
Acht Jahre nicht da gewesen. Sicher interessant, zu sehen,
wie sich vieles veraendert hat.
Dafuer bin ich dankbar und werde es als eine glueckliche Zeit geniessen,
trotz langjaehriger, nicht immer erfreulicher, Thailanderfahrungen.
Alles Gute
Bernd