Kinderarbeit in Thailand

Kinderarbeit in Thailand

Das Kinderheim des Human Help Network in Pattaya, wo die Kleinen frei, fröhlich und behütet aufwachsen können.

Natürlich ist Kinderarbeit inzwischen auch in Thailand verboten, aber wenn man abends durch die Touristenzentren des Landes schlendert, sieht man sie überall: Kleine Kinder, Mädchen und Jungen, oft erbärmlich anzuschauen, vielfach aus Kambodscha eingeschleust, laufen mit einem Bauchladen durch die Stadt, durch die Straßen und Bars und versuchen – unter den Augen ihrer Aufseher und gleichzeitig unter Nichtbeachtung durch die Polizei – den Farangs ihre Kaugummis, Bonbons oder Blumen zu verkaufen, lächelnd, flehentlich oder schmusend.

Und oft fällt es schwer, dieser Bitte zu widerstehen. Aber wer sich erweichen lässt, tut genau das Falsche, denn die erfolgreichsten Verkäufer bekommen kaum eine Chance auszusteigen. Schlimmer noch die Frauen, die mit einem Baby im Arm am Wegesrand hocken und um Almosen bitten. Häufig sind diese Babys gemietet und mit Tabletten ruhig gestellt. In solchen Fällen bleibt Carlos grundsätzlich hart: Wenn er diese zum Himmel schreiende Ungerechtigkeit schon nicht verhindern kann, so will er sie zumindest nicht fördern.

Wo arbeiten die Kinder?

Einfach mal zu den Fakten: Von den knapp ca. 90 Millionen Einwohnern in Thailand sind 20 Prozent unter 14 Jahre alt. 13 Prozent der Kinder zwischen 10 und 14 Jahren arbeiten nach Schätzungen des Bureaus of International Labour Affairs. Und wo arbeiten sie? In der Landwirtschaft, in der Textilindustrie, in der Fischerei oder Shrimpszucht, in Industriebetrieben, Steinbrüchen oder im Drogenhandel.

Eltern verkaufen aus Not ihre Kinder, die angeblich in einem wohlhabenden Haushalt leichte Arbeiten übernehmen sollen, dabei gleichzeitig eine gute Ausbildung erhalten und ein Gehalt, mit denen sie die Eltern unterstützen können. Von einem Gehalt aber können diese Kinder in den meisten Fällen nur träumen. Stattdessen werden sie geschlagen, gefoltert und nicht selten missbraucht.

Schätzungen gehen davon aus, dass 800.000 Kinder unter 18 Jahren und 200.000 Kinder unter 12 Jahren der Prostitution nachgehen. Wo die Korruption alltäglich ist, ist auch die Prostitution und der Missbrauch Minderjähriger normal.

Carlos zitiert: "Thailand ist Ausgangs-, Durchgangs- und Zielland für Kinderhandel. Die Kinder werden aus Burma, Laos, Kambodscha und Südchina nach Thailand verschleppt."

Nach Angaben der Gesundheitsbehörden sind etwa 300.000 von ihnen HIV-infiziert. Die meisten von ihnen haben den vorgeschriebenen Schulunterricht abgebrochen. Grund dafür ist zumeist die Armut der Eltern, die selbst nicht mehr wissen, wie sie überleben können. Die Kinder arbeiten wie Sklaven bei reichen Thais, sie arbeiten in Fabriken, wo sie Kessel reinigen müssen, deren giftige Dämpfe sie schon in jungen Jahren zu Invaliden werden lassen, oder sie gehen auf den Strich. Das wiederum zieht viele Pädophile ins Land, wo sie leicht an ihre Beute kommen. Allerdings hat sich auf diesem Gebiet in den letzten Jahren einiges zum Guten verändert:

Zum einen haben NGO’s (Nicht-Regierungs-Organisationen) aus verschiedenen Ländern Leute engagiert, die wie Scouts den Markt überwachen und eng mit der lokalen Polizei zusammenarbeiten. Zum anderen werden die überführten Täter inzwischen in ihre Heimatländer abgeschoben, wo sie ihrer gerechten Strafe nicht entgehen werden.

Außerdem sollten die Europäer angesichts dieser Tatsache nicht allzu hochmütig auf die Thais herabschauen. Es ist gerade mal knapp einhundert Jahre her, als bei uns die Kinderarbeit eingeschränkt wurde, und die war zum Teil noch schlimmer als das, was heute hier passiert.

Die Kinder mussten für einen Hungerlohn im Bergwerk arbeiten, weil die Stollen für Erwachsene zu eng waren, unter Umständen, die in der Regel zu einem frühen Tod führten. Carlos weiß, hier in Thailand wird es noch lange dauern, bis die Kinderarbeit allgemein geächtet und verschwunden ist, bis es genug Heime gibt, wo Straßenkinder wieder in ein geordnetes Leben zurückgeführt werden können.

Solange das Leben als unauffällige Drogenhändler und Kinderkuriere einen Riesengewinn abwirft, der ihnen ein Leben im Heim als unattraktiv erscheinen lässt, sind die Scouts um ihren Job nicht zu beneiden. Es ist erst einige Tage her, dass Carlos von einem Jungen angesprochen wurde, der nicht nur sehr jung und ausnehmend schön war, sondern der ihm Drogen anbot.

Kinderkuriere sind schwer zu überwachen

"Sir, ich kann alles besorgen", sagte er. "Ya-Ba, Ice, was Sie wollen." "Okay", erwiderte Carlos, "setz Dich erstmal hin. Magst Du eine Cola?"

"Ja, gern."

"Warum machst Du das? Hast Du keine Angst, erwischt zu werden und im Gefängnis zu landen?"

Der Junge sah Carlos an, als ob der vom anderen Stern käme und antwortete: "Ich bin allein, ich muss sehen wie ich zurecht komme."

"Aber da gibt es doch andere Möglichkeiten."

"Glauben Sie noch an Wunder? Ich nicht."

Seine Augen sahen dabei sehr traurig aus. Irgendwie erloschen und völlig desillusioniert. Carlos drückte ihm die Karte von Human Help Network Asia in die Hand und eine vom Child Protection and Development Center, die er stets bei sich trägt und erklärte ihm: "Hier finden Straßenkinder und alleinstehende Minderjährige Aufnahme und Hilfe." Aber er bezweifelt, dass der Junge dieses Angebot annehmen wird, denn der trollte sich unbeeindruckt von dannen. Carlos kämpfte anschließend vergeblich gegen seine Tränen an.

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