Die "Engelmacher" von Thailand

Die

Für die allermeisten Menschen Sinn und Freude des Lebens, ein eigenes Kind zu lieben und zu umsorgen.

Abtreibungen sind in Thailand verboten – mit wenigen Ausnahmen: Vergewaltigung oder die Gefahr für das Leben oder die Gesundheit der Mutter.

Die finanzielle Gesundheit der sogenannten "Engelmacher" beiderlei Geschlechts profitiert davon - nicht schlecht. Überall im Land, in miesen Hinterhöfen, in dreckigen Kaschemmen oder in ihren Wohnungen üben sie ihr illegales Handwerk aus. In feineren Kreisen nennen sie sich "Institut für Familienplanung". Neueste Statistiken gehen von 400.000 Abtreibungen jährlich aus. Inoffizielle Zahlen liegen weit darüber.

Keiner weiß, wie viele Frauen daran sterben. Unbekannt ist auch die Zahl der Frauen, die eigene Versuche anstellen, den Fötus zu entfernen, sei es mit Reinigungsmitteln oder speziellen Aktivitäten.

Wo bleibt die Verantwortung?

Carlos fragt nach den Gründen und erfährt dabei, dass die ungewollte Schwangerschaft meistens daran liegt, dass die Betroffenen zu jung sind, nicht aufgeklärt sind, nichts wissen von Kondomen und Pillen. Wenn es dann zu spät ist, beginnt das Problem in den Familien. Der junge Freund verlangt die Abtreibung, die junge Frau hat Angst vor der Reaktion der Familie, die sie oft verstößt. Was bleibt ihr übrig? Bekommt sie das Kind, ist ihr Ruf und der ihrer Familie ruiniert. Lässt sie abtreiben, ruiniert sie vielleicht auch ihr eigenes Leben. Und ihr Freund, der Samenspender, ist längst über alle Berge.

Viele Bardamen in den Touristenzentren von Thailand haben Kinder, die bei den Großeltern aufwachsen. Einen Großteil ihrer Einnahmen schicken sie deshalb heim, und gleichzeitig gibt es den Druck, diesen Job weiter auszuüben, denn das Geld wird zuhause gebraucht.

Jay hat Carlos berichtet, dass sie zwei Kinder hat, die bei ihren Eltern im Isaan leben. Jeden Monat muss sie mindestens 6.ooo Baht schicken, damit die Ersatzfamilie überleben kann. Ihre Freundin Nok hat damals abgetrieben. Heute bedauert sie es, denn sie kann keine eigenen Kinder mehr bekommen. Carlos versucht, sich aus all dem einen eigenen Reim zu machen. Da sind zunächst die jungen Leute, unaufgeklärt, aber rattengeil.

Vor den Konsequenzen drücken sie sich, der Mann haut ab, die Frau lässt abtreiben, um ihren guten Ruf zu bewahren. Und die "Engelmacher" reiben sich die Hände, sind zum Teil hochangesehen, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, bis es möglicherweise mal durch eine Anzeige zu einer Razzia kommt, die sie ins Gefängnis bringt. Kein Problem: Unter anderem Namen wird morgen ein anderer diese Praxis fortführen. Der Bedarf ist da, und der Bedarf wird natürlich befriedigt.

Wir alle wissen, dass es diesen Notstand früher auch in einigen Ländern Europas gab. Betroffene reisten ins Ausland, um dieses Problem zu lösen.

Heute geht man damit liberaler um, und Carlos meint, das ist gut so. Welche Hölle bleibt ungewollten Kindern erspart? Sie treiben sich auf den Straßen in Südostasien - und nicht nur dort – massenweise herum, prostituieren sich, stehlen und sind nur in seltenen Fällen für ein normales Leben zu retten Die Kinder im Child Protection and Development Center, eine von Human Help Network aus Deutschland gegründete Einrichtung für Straßenkinder in Pattaya, könnten davon viel erzählen. Sie haben alle Dramen, alles Ungemach der Welt erlebt, bis sie schließlich ihr Überleben auf der Straße gesucht haben.

Tschai sagte: "Mein Vater war Trinker. Er hat mich täglich verprügelt. Meine Mutter war drogenabhängig, hat sich nie um mich gekümmert." Mit neun Jahren ist er davongelaufen.

Heute ist der "Schnüffler" von der Straße einer der intelligentesten Schüler und darf auf eine erfolgreiche Karriere hoffen. Und die "Engelmacher"? Sie werden ihr unheilvolles Gewerbe fortsetzen, große Gewinne dabei erwirtschaften und nebenbei Tote in Kauf nehmen.

Das ist ja das Merkwürdige an Thailand: Hier darf man als gläubiger Buddhist keiner Ameise ein Leid antun, aber mal eben ein erwachendes Leben beenden – na und? Immer noch besser, als Schmach und Tratsch über die Familie zu bringen. Diese Ehrpusselei in thailändischen Familien, die nichts anderes ist als der Versuch, ein Scheinbild für die Umwelt zu erhalten, kostet oft ein Vermögen und bringt meistens nichts ein. Carlos ist ein aufgeklärter Europäer. Er hat den langen Kampf der Frauen miterlebt, die dafür gekämpft haben, selbst zu entscheiden, ob sie ein Kind haben wollten oder nicht. Er stand immer an ihrer Seite.

Die Zukunft soll selbstbestimmt sein

Aber "Engelmacher" sind ihm doch zu suspekt. Er wünscht sich eine klare gesetzliche Regelung, auch in Thailand, die dann auch zu einem von verantwortlichen Ärzten durchgeführten Abbruch der Geburt führt und den Quacksalbern ein Ende ihres kriminellen Geschäftes bereitet. Wir leben im 21. Jahrhundert. Wir sind weder Sklaven noch Untertanen. Wir, unsere Vorfahren haben für die Freiheit gekämpft, jetzt ist es an der Zeit, all denen gegenüberzu-treten, die diese demokratisch erworbenen Rechte rückgängig machen wollen. Die sogenannten Herrscher sind die von uns gewählten Vertreter unserer Ansprüche. Nicht sie haben zu bestimmen, was für die Bevölkerung das Richtige ist, sondern die Wähler entscheiden, wo es langgehen soll. Die Wähler sind die Chefs, und wenn sie sich gemeinsam gegen "Engelmacher" und deren Praktiken wenden, dann haben die Herrschenden ihrem Auftrag zu folgen. So sieht Carlos die Demokratie, so hofft er auf die Zukunft. Auch und besonders in Thailand. Aber noch traut er den vielen hoffnungsvoll dekorierten Vorhängen nicht, hinter denen das Elend und die Korruption sich verbergen.

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.
Pflichtfelder
Jürgen Franke 14.01.17 18:03
Der Artikel ist von 2012, das Problem
dürfte doch längst erledigt sein.
Jürgen Franke 14.01.17 18:01
Auch dieses Thema gehört in erster Linie
zur Erziehung der Kinder in das Elternhaus und in zweiter Linie als Sexualkundeunterricht in die Schule. Erst ganz zum Schluß kommt das Gesetz, an das sich dann sowieso niemand hält.