Botschafter Georg Schmidt

Botschafter Georg Schmidt

Seit dem zweiten Halbjahr 2018 ist S. E. Georg Schmidt der deutsche Botschafter in Thailand. Der 56-jährige Diplomat stammt aus Freiburg im Breisgau, ist verheiratet und hat eine Tochter. Sein besonderes Interesse für fremde Kulturen führte ihn bereits mit 22 Jahren nach Asien, um Chinesisch zu lernen. Aus einigen Monaten Aufenthalt wurden mehrere Jahre. Nach verschiedenen Jobs in der freien Wirtschaft absolvierte er ein Bachelor-Studium in Geschichte und Volkswirtschaft an der Hong Kong University, gefolgt von einem Master-Studium in Fernoststudien an der SOAS University of London. Seine Karriere im Auswärtigen Amt begann im Jahr 1995 und es folgten Stationen in Japan, Mali und Sri Lanka, wo er nach der verheerenden Tsunami-Katastrophe von 2004 die deutsche Hilfe koordinierte. Nach seiner letzten Tätigkeit als Afrikabeauftragter in der Zentrale des Auswärtigen Dienstes in Berlin sehnte sich Schmidt nach Asien zurück. Ein beruflicher Wunsch, der mit der Ernennung zum Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Thailand in Erfüllung ging. DER FARANG unterhielt sich mit Schmidt über Sympathiewerbung für Deutschland, die Arbeit der Rechts- und Konsularabteilung sowie die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Thailand. Durch das Interview führte Björn Jahner.

Sehr geehrter Herr Botschafter, Sie leben jetzt seit einem Jahr in Thailand. Wie sind Ihre Eindrücke?

Thailand ist nicht nur landschaftlich ein faszinierendes Reiseland, sondern auch von seiner Kultur eine eindrucksvolle Synthese aus verschiedenen Einflüssen. Ich finde hier viel China, aber auch Indien, Japan, Malaysia und Kambod­scha. Wie die Thais daraus eine ganz eigene Kultur machen, ist schon etwas Besonderes. Von der guten thailändischen Küche muss ich nicht viel erzählen, das liegt auf der Hand.

Die deutsche Auslandsvertretung wird an ihrer Arbeit gemessen. Gute Arbeit ist gute Werbung für Deutschland. Wie sehen Sie Ihre Aufgaben und wo setzen Sie Schwerpunkte?

Das Produkt „Deutschland“ ist sehr diffus und nicht so einfach zu bewerben wie Küchengeräte oder Fahrzeuge. Dennoch ist es auch Aufgabe der Botschaft, für Deutschland Sympathiewerbung zu betreiben. Ob das mit einem Augenzwinkern ist, wie beim Video der Botschaft zum Songkran-Festival, über das sich sehr viele Thais sehr gefreut haben, oder jetzt unsere Veranstaltungsreihe zu 30 Jahren Mauerfall und 70 Jahre Grundgesetz. Dabei geht es nicht nur um eine Leistungsshow nach dem Motto „Schaut her, wie toll Deutschland ist“, sondern viel mehr um Neugier, Interesse und Dialog.

Ein Beispiel dafür ist der Klimaschutz. Auch in Thailand ist klar, was für Auswirkungen extremere Wetterschwankungen wie Stürme, Trockenheit und Überschwemmungen haben können. Deutschland ist wichtigster bilateraler Klimaschutzpartner Thailands. In den letzten 10 Jahren führte Deutschland Umwelt- und Klimaschutzprojekte in Höhe von über 60 Millionen Euro in Thailand durch, u.a. für nachhaltigen Reisanbau, effizientes Müllmanagement, Flutprävention und energieeffiziente Klimaanlagen. Wenn Deutschland und Thailand zeigen können, dass man eine moderne Indus­triegesellschaft und gleichzeitig nachhaltig sein kann, ist das ein wichtiges Signal an andere Länder. Ich sehe hier einen wichtigen Schwerpunkt, der Klimaschutz und Wirtschaftsförderung verbindet.

Die deutsche Botschaft ist eine Serviceeinrichtung für die Menschen aus Deutschland und aus Thailand. Welche Aufgaben übernimmt sie und welche nicht?

Die Botschaft kümmert sich natürlich um die Deutschen in Thailand. Das beinhaltet sowohl die ungefähr 850.000 Touristen als auch die ungefähr 30.000 Deutsche, die hier wohnen. Den Rahmen für die Betreuung setzt das deutsche Konsulargesetz und andere Regelungen sowie die Rechtsordnung des Gastlandes.

Die allermeisten Touristen verbringen einen angenehmen Urlaub hier und denken nicht an die deutsche Botschaft. Wenn aber ein Pass oder das Geld weg ist, oder bei schweren Krankheiten und Todesfällen, sieht es anders aus. Bei allen Fällen gilt, dass wir Hilfe zur Selbsthilfe geben. Bei den vielen Sterbe-, Haft- und Krankenfällen sind die KollegInnen der Rechts- und Konsularabteilung für viele der erste Anlaufpunkt für die Angehörigen und Freunde.

Pro Jahr haben wir ca. 350 Sterbefälle. Und hinter jedem „Fall“ steckt ein eigenes menschliches Schicksal. Die Kollegen beraten z.B. bezüglich der Bestattungsformalitäten. In Kranken- und Hilfefällen stellen wir den Kontakt zu Krankenhäusern her, helfen bei der Neuausstellung von Ausweispapieren oder geben Beratung zur Geldbeschaffung. Die Botschaft kann aber gerade in diesen Fällen keine Entscheidungen für die Betroffenen selbst treffen, zum Beispiel ob eine bestimmte OP durchgeführt werden soll oder nicht. Wir sind keine Ärzte.

Natürlich sind wir nicht nur in der Not da. Viele kommen zur Passbeantragung (2.500 pro Jahr), Ausstellung einer Einkommensbescheinigung für hier lebende Rentner, oder bei der Geburt eines Kindes oder einer Eheschließung zu uns. Wir legalisieren thailändische Urkunden, damit diese Urkunden dann im deutschen Rechtsverkehr Verwendung finden können.

Es gibt viele Fragen rund um das Thema Geburt, Namen und Ehe an uns. Die Botschaft stellt zum Beispiel Konsularbescheinigungen aus, die für eine Eheschließung in Thailand benötig werden; sie nimmt Unterschriftsbeglaubigungen vor (wenn z.B. jemand eine Wohnung in Deutschland kaufen oder verkaufen möchte) und kann für bestimmte Rechtsbereiche Beurkundungen vornehmen (meist geht es dabei um Vaterschaftsanerkennungen, eidesstattliche Versicherungen zum Familienstand, um Erbscheinanträge oder um Adoptionsangelegenheiten). Gerade bei Fragen aus dem familienrechtlichen Bereich ist von den Mitarbeitern viel Fingerspitzengefühl, aber natürlich vor allem ein extrem großes rechtliches Wissen gefragt. Die Botschaft kann dabei immer nur über deutsches Recht verbindlich beraten, nicht jedoch zu thailändischem Recht.

Auch sonst gibt es Grenzen. Das Konsularreferat ist z.B. nicht befugt, deutsche oder thailändische Staatsangehörige anwaltlich zu vertreten. Ebenso wenig sind wir eine Bank. Wir sind an deutsches Recht gebunden und können daher nicht alle Wünsche erfüllen.

Auch thailändische Staatsangehörige beschäftigen uns sehr. Dazu gehört insbesondere der Visaservice. Im August 2019 haben wir die Antragsannahme für Schengenvisa an einen externen Dienstleister ausgelagert. Die Entscheidungen trifft weiterhin die Botschaft.

Das war jetzt eine lange Antwort. Aber die Arbeit der Rechts- und Konsularabteilung ist ein ganz wichtiger Teil der Tätigkeit der deutschen Botschaft hier in Thailand. Wenn Sie noch mehr wissen wollen, schauen Sie auf unsere Homepage. Und wenn Sie sich registrieren wollen, geht das unter https://bangkok.diplo.de/th-de/service/elefand.

Zwischen Thailand und Deutschland boomt der Warenaustausch. Auf welchen Branchen liegt der Fokus?

Deutschland ist innerhalb der EU wichtigster Handelspartner Thailands. Der bilaterale Handel erreichte 2018 das neue Rekordniveau von 11,2 Milliarden Euro. Dabei ist es ein ziemlich ausgeglichener Handel. Wichtigste Güter sind Maschinen, Elektronik und Fahrzeuge. Wir haben hier ca. 600 deutsche Firmen, die über 42.000 Menschen beschäftigen. Nur ein Beispiel: Wenn Sie in Bangkok mit der U-Bahn oder mit dem Skytrain unterwegs sind, fahren sie mit Zügen des deutschen Siemens-Konzerns.

„Made in Germany“ steht heute nicht mehr nur für Qualität, sondern zusätzlich auch für Nachhaltigkeit und Energieeffizienz. Der Bausektor ist ein Beispiel dafür. Benötigt man in Deutschland die meiste Energie für Heizung, ist es hier die Kühlung. Wir unterstützen die Einführung von hohen Effizienzstandards, um den Energieverbrauch hier zu verringern. Effiziente Technologien helfen nicht nur dem Klima, sie zahlen sich auch wirtschaftlich oft schon nach relativ kurzer Zeit aus.

Thailand wäre als Standort für die Wirtschaft noch interessanter, wenn die Integration in ASEAN besser funktionieren würde. Zwar sind die Zollschranken abgebaut, aber es gibt noch viele andere Hindernisse.

Ein Freihandelsabkommen der EU mit Thailand könnte Handels- und Investitionsbeziehungen intensivieren. Dabei haben deutsche Unternehmen Inte­resse an öffentlichen Aufträgen und in Dienstleistungssektoren, wie Versicherungen, freie Berufe, Logistik, Medizindienste.

Thailand will das Wirtschaftsumfeld aktiv gestalten und hofft auf ausländische Investitionen, z.B. im Eastern Economic Corridor (EEC). Gleichzeitig müssen die sozialen Probleme im Land gelöst werden. Kann Deutschland dabei behilflich sein?

Deutsche Unternehmen inves­tierten 2018 421 Millionen US-Dollar in Thailand. Im EEC sind deutsche Unternehmen vorwiegend im produzierenden Bereich tätig, insbesondere in den Branchen Automobilbau und -Zulieferer, Chemie und bei Sanitärarmaturen. Mehr als 60 deutsche Unternehmen sind im EEC, sie beschäftigen über 16.000 gut bezahlte und qualifizierte Mitarbeiter. Bei vielen der neuen Infrastrukturprojekte, sei es Bahnverbindungen, Flugzeugindustrie oder Flughafenbetrieb, sind deutsche Unternehmen mit ihrer zuverlässigen Technologie interessiert.

Sie sprechen Probleme an: Eine schnell alternde Bevölkerung und der Fachkräftemangel sind für beide Länder eine Herausforderung. Wir haben nicht die „goldenen Lösungen“, wie man einen Sozialstaat gestaltet, aber eine Menge in Deutschland erreicht. Es lohnt sich auf jeden Fall, die Erfahrungen auszutauschen. Daran sind hier viele beteiligt: die Handelskammer, die politischen Stiftungen, die GIZ.

Ein besonders wichtiger Bereich ist die berufliche Bildung. In Thailand gibt es großes Inte­resse daran, wie wir in Deutschland Fachkräfte für die Praxis ausbilden. Die Zusammenarbeit hat eine lange Geschichte, die Jahrzehnte zurückgeht. Derzeit ist die 2013 ins Leben gerufene Ausbildungsinitiative „German Thai Dual Excellence Education, GTDE“ mit insgesamt über 800 Absolventen eines der Flaggschiffe. Im Oktober 2019 haben erstmalig in Thailand Azubis ihre Ausbildung nach den höchsten deutschen Standards (A-Zertifikat) abgeschlossen. Ich war bei der Übergabe der Abschlusszeugnisse dabei. Eine ganz starke Leistung.

Welche gemeinsamen Inte­ressen gibt es aus Ihrer Sicht für Thailand und Deutschland in Südostasien?

Deutschland setzt sich für eine multilaterale, regelbasierte Weltordnung ein. Im Klartext, es geht nicht um das Recht des Stärkeren. Internationale Fragen können nur in Abstimmung und Verhandlungen gelöst werden. Das gilt für Gebietsansprüche wie für Umweltschutz, für Kriminalitätsbekämpfung wie für den Klimawandel. Wir sehen in Thailand als Gründungsmitglied von ASEAN einen wichtigen Partner in der Region. Deutschland hat im Rahmen des ASEAN-Gipfels am 2. November das Beitrittsdokument zum „Treaty of Amity and Cooperation“ von ASEAN unterschrieben. Damit unterstreichen wir unser Engagement in Südostasien.

Sie haben die Schirmherrschaft des ersten Charity-Golfturniers des Rotary Club Phönix Pattaya übernommen. Wie kam es dazu?

Als die Idee der Schirmherrschaft an mich herangetragen wurde, habe ich nicht lange gezögert. Hier geht es darum, Menschen zusammenzubringen. Der Sport kann das. Zusätzlich kommt noch etwas für den guten Zweck dabei heraus. Ich freue mich über die Unterstützung für den Deutschen Hilfsverein, der schon so vielen Deutschen und Thailändern unter die Arme gegriffen hat, und für das Child Protection and Development Center. Und, es ist auch eine gute Portion Spaß dabei.

Spielen Sie selbst Golf?

Nein, leider nicht. Ich möchte gerne wieder mehr Sport treiben. Ich habe 40 Jahre aktiv Fußball gespielt und war in Berlin jeden Tag mindestens eine Stunde auf dem Fahrrad unterwegs. Ich vermisse das im täglichen Leben in Bangkok.

Haben Sie ein offenes Ohr für die Sorgen Ihrer Landsleute in Thailand?

Zuhören ist immer gut – auch wenn wir nicht alle Wünsche erfüllen können, wie zum Beispiel bei TM30. Aber ich kann die Sorgen und Ansichten viel besser an unsere thailändischen Ansprechpartner weitergeben, wenn ich sie aus erster Hand gehört habe. Bei meinen Reisen außerhalb von Bangkok versuche ich immer, ins Gespräch zu kommen. Wir hatten eine sehr interessante Runde im Isaan, dazu Treffen im Norden und auch im Begegnungszentrum in Pattaya. Und zum Glück bin ich nicht allein: Auch die Kolleginnen und Kollegen der Botschaft bieten viele Gesprächsmöglichkeiten an. Bangkok ist wichtig, aber Thailand ist sehr viel mehr als Bangkok.

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