Zeitungen zum Geschehen am Sonntag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Frankfurter Rundschau» zu Grüne am Scheideweg

Die Wählerinnen und Wähler haben bei der Europawahl ein hartes Urteil gesprochen: Die Grünen machen ihren Job als Regierungspartei nicht gut. Und sie haben den Kontakt zur Stimmungslage der Wählerschaft verloren.

Wenn die Grünen ihre Chancen wieder verbessern wollen, müssen sie Antworten auf die Themen finden, die die Wählerschaft in einer gegenüber 2019 völlig veränderten Welt umtreibt, als der Klimaschutz dank der Fridays-for-Future-Bewegung das beherrschende Thema war. Corona-Pandemie und Energiekrise infolge von Putins Krieg haben die Koordinaten verschoben. Aktuell treiben die ungelösten Folgen der Zuwanderung und die wirtschaftliche Krise die Menschen um, und zwar nicht nur die AfD-Wähler, sondern auch die der Grünen. Klimaschutz ist nur eines von mehreren wichtigen Themen, auch wenn in diesem Jahr nun schon zum dritten Mal eine Flut hereingeschwappt ist.


«The Observer»: Macrons Strategie ist hochriskant

LONDON: Die britische Sonntagszeitung «The Observer» kommentiert die von Präsident Emmanuel Macron veranlassten vorgezogenen Parlamentswahlen in Frankreich:

«Ein eindeutiger Sieg der Rechtsextremen in den beiden Wahlgängen, die am 30. Juni beginnen, könnte Macron zu einer «lahmen Ente» machen, die dazu verdammt ist, mit einer offenkundig xenophoben, islamfeindlichen, autoritären und illiberalen Regierung zurechtzukommen, die voraussichtlich von Jordan Bardella - Le Pens jungem Schützling - geführt wird. (...)

Macrons Kalkül für diesen Fall scheint zu sein, dass die harten Realitäten und schwierigen Entscheidungen, die mit der tatsächlichen Übernahme der Regierungsverantwortung verbunden sind, Le Pens Rassamblement National (RN) als das entlarven werden, was sie wirklich ist - eine Partei des Protests und der Vorurteile, die nicht regierungsfähig ist. Das wiederum könnte das verhindern, was ansonsten unausweichlich schien: einen Sieg von Le Pen bei der Präsidentschaftswahl in drei Jahren und damit einen gefährlichen Sprung ins Ungewisse.

Das ist eine hochriskante Strategie. Wenn sie schiefgeht, wird Macrons Partei zerschlagen. Er würde dann der extremen Rechten die Schlüssel zu einem der führenden Länder Europas überlassen - ein Ergebnis, das wahrscheinlich gleichgesinnte Extremisten überall inspirieren würde, nicht zuletzt in Deutschland. Aber wenn es funktioniert, wird Macron sich als durch die Geschichte bestätigter Held darstellen, der einen Schlussstrich gezogen, die vorrückenden Mächte der Finsternis zurückgeschlagen und Frankreich vor sich selbst gerettet hat - das war schon immer sein bevorzugtes Selbstbild.»


«El País»: Frankreich und die Versuchung des Radikalismus

MADRID: Die spanische Zeitung «El País» kommentiert am Sonntag die innenpolitische Lage in Frankreich vor der Neuwahl:

«(...) Frankreich sitzt auf einem politischen und sozialen Pulverfass. Die beiden politischen Optionen, die am wahrscheinlichsten gewinnen werden, die extreme Rechte und die radikale Linke, sind die Antwort auf ein (...) Unbehagen, das in der Gesellschaft immer stärker wird. (...) Sie teilen die Diagnose, dass ein radikaler Umschwung notwendig ist, um den weiteren Verfall der französischen Gesellschaft zu verhindern. Macron wird damit zum einzigen Vertreter der Art und Weise, Politik zu machen, die - mal mehr rechts, mal mehr links - die Regierungsweise der vergangenen Jahrzehnte liberaler Demokratien Europas kennzeichnet.

Rechtspopulismus gegen Linkspopulismus. Volksfront gegen Front National. Und dazwischen Macron, der versucht, sein Projekt aufrechtzuerhalten. (...) Sowohl für Mélenchon als auch für Le Pen kann die Lösung der Probleme Frankreichs nur in der Wiederherstellung der Macht des Nationalstaates liegen, zum Nachteil supranationaler Projekte wie der EU. (...) Nur Macron ist ein Botschafter der EU, die als ein Kompendium des permanenten Gleichgewichts zwischen der Rechten, der traditionellen Linken und den Liberalen verstanden wird. (...) Die beiden anderen spielen ein anderes Spiel. Ein Spiel, auf das man sich einlässt, wenn man davon überzeugt ist, dass Mäßigung nicht mehr zeitgemäß ist. Schlechte Zeiten, denn es sind immer schlechte Zeiten, wenn man auf Fronten zurückgreifen muss.»


«NZZ am Sonntag»: Farage rückt die Tories nach rechts

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung am Sonntag» kommentiert die Rolle des Rechtspopulisten Nigel Farage und seiner Partei Reform UK bei der britischen Parlamentswahl:

«Ein halbes Dutzend Mal ist Farage zu solchen Wahlen angetreten, erfolglos. Dennoch hat er die Politik Großbritanniens wie kein anderer geprägt. Er trug maßgeblich dazu bei, dass die Briten Ja sagten zum EU-Austritt, und er hat mit seiner damaligen «Brexit-Partei» mitgeholfen, die damalige Premierministerin Theresa May zu stürzen. Farage rückt die Konservativen seit Jahren nach rechts.

Eine Wahlumfrage dieser Woche zeigt nun, dass Farages Kandidatur richtig war. Seine Partei Reform könnte sogar besser abschneiden als die Tories. Das dürfte die sich anbahnende Wahlniederlage der Konservativen noch verstärken. Und schon wird darüber spekuliert, ob die Tories bald mit Reform fusionieren müssen. Mit Farage als Chef? Wir werden es sehen. Erstaunlich ist, dass heute niemand mehr über den Brexit spricht. Am wenigsten Farage. Dabei bestreitet heute niemand mehr, dass der EU-Austritt ein großer Fehler war. Und wer übernimmt nun die politische Verantwortung? Farage sicher nicht. Er spricht nun lieber nur noch über Migration.»

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