Zeitungen zum Geschehen am Mittwoch

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Stuttgarter Zeitung» zu US-Wahl

Den Schlüssel für den Ausgang der Wahlen im November halten nicht Demokraten oder Republikaner in den Händen, sondern die Unabhängigen, die laut Gallup 43 Prozent der Gesamtwählerschaft ausmachen.

Dort stellen Demoskopen eine selten hohe Offenheit für dritte Kandidaten fest. Robert F. Kennedy junior, die Grüne Jill Stein und der Progressive Cornel West ziehen schon jetzt genügend Interesse auf sich, den Ausgang der Wahlen in den umkämpften Swing States zu beeinflussen. Mit Spannung erwartet wird, was nun die Zentristen der Organisation NoLabels tun. Wenn sie formidable Kandidaten ins Rennen um das Weiße Haus schicken, sind alle Wetten offen. Das Vakuum bei Präsidentschaftswahlen war nie größer als dieses Mal. Deshalb sollte der Ausgang der Vorwahlen an diesem Super-Dienstag mit Vorsicht bewertet werden. Es könnte sich herausstellen, dass der triumphale Durchmarsch Bidens und Trumps am Ende in der Sackgasse endet.


«Münchner Merkur» zu Merz

Friedrich Merz fühlt sich "fit" für die Kanzlerkandidatur.

Dass ein locker dahin geschlenzter Interviewsatz des 68-Jährigen reicht, um alle Scheindebatten über die Ersatzkandidaten Wüst oder Söder zu beenden, unterstreicht die herausragende Rolle, die sich der Oppositionsführer in Berlin erarbeitet hat. An ihm führt kein Weg vorbei. Dafür hat auch der Kanzler selbst gesorgt. Nur an Merz arbeitet sich Olaf Scholz im Bundestag ab, nicht an den beiden anderen. Das hat zu einer medialen Fokussierung geführt, die Merz als einzigen auf Augenhöhe mit dem Amtsinhaber hob. Damit ist nicht nur Merz an seinem vorläufigen Ziel, sondern auch Scholz. Denn er bekommt nun voraussichtlich seinen Wunschgegner. Der Kanzler hält den kantigen CDU-Chef in der Zuspitzung "er oder ich" für schlagbar, erst recht in der Rollenzuschreibung, an der Scholz und seine SPD schon eifrig stricken: der Friedenskanzler gegen den Kriegskanzler Merz.


«Handelsblatt» zu Wahlen/USA

Wer sich nirgendwo mehr vertreten fühlt, wer Biden zu uninspirierend und Trump zu brutal findet, hält den Schlüssel zur Macht in der Hand.

Im Mittelpunkt dieses Wahlkampfs steht nicht die Frage, wer überzeugender ist, sondern, wer die Verluste möglichst klein halten kann. Die Wiederauflage des Rennens zwischen Trump und Biden fühlt sich für einen Großteil der Amerikaner an, als würden sie einen Kinofilm sehen, den sie beim ersten Mal schon öde fanden. Das ist für die älteste Demokratie der Welt ziemlich blamabel.


«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zu Bürgerpflicht und Bürgergeld

(.) Gerade die Zeitenwende(.) schreit geradezu danach, den Staat auf seine Leistungsfähigkeit zu überprüfen.

Dazu gehören Wehrhaftigkeit und Widerstandskraft, aber auch Entschlackung von Abläufen, Beschleunigung von Verfahren, Versorgungssicherheit. Und der Sozialstaat muss wieder beim Wort genommen werden: Schutz und Hilfe für Bedürftige. (.) Das Bürgergeld muss generell infrage gestellt werden. Wurde der alte Begriff der Sozialhilfe als abfällig empfunden, so wird nun suggeriert, der Stolz des Bürgers bestehe im Empfang von staatlichen Leistungen. Dabei ist der Bürger frei, und der Staat sollte ihn in seiner Freiheit bestärken (.) - ihm aber starke Bildung, Gesundheitsversorgung und Infrastruktur zur Verfügung stellen und ihn vor äußeren und inneren Gefahren schützen. Diese Freiheit in Sicherheit muss aber auch verteidigt werden. (.).


«Politiken»: Es ist Zeit, dass Biden ihnen ein paar Wahrheiten sagt

KOPENHAGEN: Die liberale dänische Tageszeitung «Politiken» (Kopenhagen) kommentiert am Mittwoch den Gaza-Krieg:

«Präsident Biden muss endlich einsehen, dass die USA Netanjahu in Gaza viel zu freie Hand gelassen haben. Natürlich hatte Israel das Recht, auf die terroristische Aktion der Hamas am 7. Oktober zu reagieren. Aber das Recht, gegen die Hamas vorzugehen, hat sich in einen unverhältnismäßigen Angriff auf die Zivilbevölkerung im Gazastreifen verwandelt.

Dennoch schicken die USA weiterhin Bomben nach Israel und Brot an die Palästinenser. Den ersten Punkt kann Biden mit Israels prinzipiellem Recht auf Selbstverteidigung verteidigen. Für den Zweiten braucht es nicht viele Argumente: Natürlich haben auch die Palästinenser ein unbestreitbares Recht auf Leben.

Wenn Biden ein Freund Israels und ein Verteidiger der Palästinenser sein will, ist es höchste Zeit, dass er ihnen - wie es Vizepräsident Harris gerade getan hat - ein paar Wahrheiten sagt und auf den einzig möglichen Ausgang ihrer Tragödie besteht. Die Hamas muss die Geiseln freilassen. Netanjahu muss Hilfe sicherstellen, einen Waffenstillstand akzeptieren und mehr als das: Israel muss akzeptieren, dass die Palästinenser ein Recht auf einen Staat im Gazastreifen und im Westjordanland neben Israel haben.»


«La Repubblica»: EU soll Russen humanitäre Visa ausstellen

ROM: Die italienische Tageszeitung «La Repubblica» sieht angesichts der Schwierigkeiten der verbliebenen russischen Opposition die EU-Länder in der Pflicht:

«Die Oppositionellen, von den bekanntesten bis zu den weniger bekannten, stehen alle vor dem gleichen Dilemma: weiter in ihrem Heimatland leben und ihr Leben riskieren oder auswandern? Und verdammt die zweite Option sie unweigerlich zu einer marginalen Rolle?Die, die zurückkehren, legen ihren unbewaffneten Körper in die Hände des Henkers, um zu zeigen, dass sie keine Angst haben.

Für die, die sich aus moralischen Gründen zur Auswanderung entschließen, sollten die Regierungen der Europäischen Union die Ausstellung von humanitären Visa erleichtern. Vom Ausland aus können russische Bürger und Bürgerinnen eine entscheidende Rolle dabei spielen, den Konsens des Regimes zu untergraben, mit Verwandten und Freunden in Kontakt bleiben und diese daran erinnern, dass eine andere Welt möglich ist.»


«Wall Street Journal»: US-Wahlen werden Wettbewerb der Unbeliebtheit

NEW YORK: Zum Siegeszug des früheren US-Präsidenten Donald Trump am «Super Tuesday», dem Vorwahl-Marathon in mehr als einem Dutzend Bundesstaaten, schreibt das «Wall Street Journal»:

«Donald Trumps Dominanz bei den Vorwahlen am Super Tuesday bedeutet, dass die Würfel für eine Wiederholung seines Duells gegen Präsident (Joe) Biden 2020 gefallen sind. Es ist kaum zu glauben: Die zwei großen Parteien sind dabei, die womöglich einzigen Kandidaten zu nominieren, die gegen den jeweils anderen verlieren könnten. Es ist Amerikas großer Präsidentschafts-Unbeliebtheitswettbewerb. (...)

Die öffentliche Stimmung ist auf einen Triumph der Republikaner im November eingestellt. (...) Den meisten Wählern gefallen die Ergebnisse von (Bidens) Politik in den Bereichen Wirtschaft, Außenpolitik, Einwanderung und fast allem anderen nicht. (...) Trump hat bislang davon profitiert, weniger in den Nachrichten zu sein als Biden, aber der Republikaner wird jeden Tag im Mittelpunkt stehen, wenn der Wahlkampf Fahrt aufnimmt. Biden wird ihn wie einen Tanzbären anstupsen und hoffen, dass er sich aufspielt und die Wähler daran erinnert, warum sie ihn vor vier Jahren abgewählt haben. (...)

Wir halten die Warnungen der Demokraten vor einem Putsch Trumps gegen die Demokratie für übertrieben. Zweifellos war die Präsidentschaft Trumps ein Stresstest für die US-Institutionen, aber die Kontrollmechanismen haben gehalten. (...) Aber die Parteien lassen den Amerikanern eine unglückliche Präsidentschaftswahl (...).»


«NZZ»: Linke Extremisten sind so gefährlich wie rechte

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» kommentiert am Mittwoch den Anschlag auf die Stromversorgung des Tesla-Autowerks bei Berlin:

«Die Tat reiht sich ein in eine Serie von Brandstiftungen, zu denen sich Linksextreme bekennen. Oft trifft es Strecken der Deutschen Bahn - und damit ganz unmittelbar die Allgemeinheit. Die Täter von heute und die RAF haben einiges gemein: Sie messen linken Leitmotiven wie dem Antikapitalismus eine alles überragende Bedeutung zu, die Zerstörung und Heimtücke legitimiert. (.)

Gegen Rechtsextremismus wird viel getan und fleißig demonstriert. Aber wo gab es in Deutschland in der jüngeren Vergangenheit eine größere Kundgebung gegen Linksextremismus? Ein Aktionsplan der deutschen Regierung gegen Rechtsextremismus existiert natürlich, einen ähnlichen Aktionsplan gegen Linksextremismus gibt es nicht, obwohl Brandanschläge auf die Infrastruktur Deutschland schweren Schaden zufügen. All dies führt zum Schluss, dass deutsche Politiker und Medien bei den Extremismen mit zweierlei Maß messen.»

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