Zeitungen zum Geschehen am Donnerstag

Foto: Adobe Stock/©Elis Lasop
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«Frankfurter Rundschau» zur Debatte/Litauen-Brigade

Eines kann man dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron nicht absprechen: Seine Liebe zu "Europe", wie er die Europäische Union nur nennt, mündete in ein flammendes Bekenntnis zu den humanistischen Werten der europäischen Demokratien.

Dass sein Auftritt in der altehrwürdigen Universität Sorbonne in Paris zugleich biedere wahlpolitische Akzente barg, ist für den 46-jährigen Franzosen kein Widerspruch. Anderthalb Monate vor den Europawahlen verlangte er für die französischen Landwirte offen eine "Stärkung" der gemeinsamen Agrarpolitik, was so viel heißt wie mehr finanzielle Hilfen. In ersten Reaktionen in der französischen Hauptstadt fragten denn auch einzelne Kommentatoren, ob sie den Diskurs eines europäischen Staatsmannes gehört hätten - oder den eines Wahlkampfchefs. Der Grüne Daniel Cohn-Bendit lobte dagegen einen "klaren und luziden" Auftritt, der die humanistischen Werte ebenso hoch hänge wie die Notwendigkeit einer beschleunigten Rüstungsproduktion.


«Stuttgarter Zeitung» zur Eintrittsgebühr in Venedig

Viele Städte, Regionen oder Länder haben schon Bezahlmodelle entwickelt, um Touristenströme zu limitieren.

Andere von Überfüllung betroffene Städte wie Barcelona, Hallstatt, Amsterdam oder Brügge werden nun genau hinschauen und auch überlegen, ob man Besucher über den Griff in den Geldbeutel stoppen kann. Vermutlich klappt das jedoch nicht. Die Menschen werden weiter in beliebte Orte strömen. Ab einer bestimmten Summe aber kommen nur noch diejenigen, die es sich leisten können. Ist das gerecht? Wir alle sollten unseren Herdentrieb überwinden und aus Prinzip keine ausgetretenen Pfade mehr wählen. Wer genau das meidet, wo alle hinrennen, entdeckt Ecken dieser Welt, von denen man noch nicht Tausende Bilder im Internet gesehen hat. Warum sich nicht einfach mal was Neues ansehen? Es könnte eine krasse Entdeckung dabei sein. Auf jeden Fall aber entgeht man herben Enttäuschungen.


«Handelsblatt» zu Macrons Weckruf/Deutschlands Zaudern

In Berlin spricht man viel von der Zeitenwende in der Verteidigung und europäischer Souveränität in der Wirtschaft.

Faktisch bleibt Deutschland aber ein militärischer Zauderer und klammert sich an die Hoffnung, dass die USA der sicherheitspolitische Garant bleiben. Die Sache mit Donald Trump werde schon gut gehen - das trifft ungefähr die Tragweite des strategischen Denkens.


«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zu Lauterbachs Steuervorschlägen

Wie (.) wäre es, zur Abwechslung nicht bei der Einnahmenseite anzusetzen, sondern bei den Ausgaben? Der zuständige Sachverständigenrat hat soeben festgestellt, dass sich Deutschland eines der teuersten Systeme der Welt leiste und die Versorgung trotzdem allenfalls durchschnittlich sei.

Zu viel Geld und Arbeitskraft versickert in einem ineffizienten Dschungel, vor allem in den Kliniken. Das Sparpotential ist enorm. Außerdem ließen sich die Versicherungen intelligenter ausgestalten, mit Karenzzeiten oder Staffelmodellen zur privaten Vorsorge je nach Einkommen. Und bevor nach neuem Geld gerufen wird, sollten erst einmal die versprochenen Mittel fließen: die Investitionen der Länder und die Übernahme der versicherungsfremden Leistungen, wie es der Koalitionsvertrag vorsieht.


«Münchner Merkur» zu Habeck/Atom-Aus

Zwar hatte der gesunde Menschenverstand schon immer nahegelegt, dass es keine gute Idee ist, wenn Deutschland mitten in Putins Gaskrieg auf die bewährte und sichere Energiequelle Atomkraft verzichtet.

Aber jetzt ist erstmals jetzt der Vorwurf belegt, dass die Leitung von Habecks Wirtschaftsministerium von den eigenen Beamten vor dem Atom-Aus zur Unzeit gewarnt wurde, sich aber darüber hinwegsetzte, Deutschlands Versorgungssicherheit gefährdete und die Öffentlichkeit darüber täuschte. Nichts war den Grünen wichtiger als die Erreichung ihres Lebenstraums. Deshalb wurde den Bürgern erzählt, ein "ergebnisoffener" Prüfprozess habe ergeben, dass es keine Bedenken gegen den Atomausstieg gebe. Die Ampel hat nicht nur mit ihren Haushaltstricks die Verfassung gebrochen, sondern auch beim Atomausstieg betrogen. Es sind schon Regierungen wegen geringerer Verfehlungen zurückgetreten.


«Hospodarske noviny»: US-Hilfen reichen nicht für Offensive

PRAG: Nach der Freigabe neuer Ukraine-Hilfen durch den Kongress hat US-Präsident Joe Biden ein sofortiges neues Militärpaket in Höhe von rund einer Milliarde US-Dollar für das von Russland angegriffene Land angekündigt. Dazu schreibt die Zeitung «Hospodarske noviny» aus Tschechien am Donnerstag:

«Wenngleich Amerika damit gezeigt hat, dass es Europa noch nicht abgeschrieben hat, sind die weiteren Aussichten beunruhigend. Unter Experten herrscht die Meinung vor, dass die Ukraine für rund zwölf Monate mit den nötigsten Mitteln ausgerüstet sein wird, wenn man das amerikanische Paket, die Gelder der Europäischen Union, die Hilfe aus Großbritannien und aus weiteren Ländern sowie die tschechische Munitionsinitiative zusammenrechnet. Doch für irgendwelche Träume von einer Offensive und einer Zurückeroberung der von Russland besetzten Gebiete, wie sie vor einem Jahr beschworen wurden, wird das nicht reichen. Das realistischste Szenario für die Ukraine lautet nun, sich einzugraben, die Front zu halten und sich eine politische Lösung auszudenken. (...) An die Stelle der Siegesrhetorik ist Schweigen getreten. Das könnte der Vorbote einer Debatte über eine Form von Waffenstillstand und eine Lösung wie in Korea sein.»


«El País»: Tage der Ungewissheit in Spanien

MADRID: Zu den Rücktrittsgedanken von Ministerpräsident Pedro Sánchez schreibt die spanische Zeitung «El País» am Donnerstag:

«Das vergiftete öffentliche Klima in Spanien (...) hat zu Angriffen der Rechten und der extremen Rechten geführt, bei denen ihm (Sánchez) immer wieder Straftaten angelastet werden. Die sozialistischen Politiker werden mit Kundgebungen vor den Parteizentralen und Privatwohnungen bedrängt. Und im Parlament werden Obstruktionstaktiken angewandt, die die Institutionen zermürben und von den wirklichen Herausforderungen ablenken, vor denen Spanien steht. Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, war die Einleitung der gerichtlichen Untersuchung gegen seine Frau, die seit Jahren Zielscheibe von Verleumdungen aller Art in den sozialen Netzwerken ist. Sánchez fragt sich, ob es sich lohnt, unter diesen Umständen an der Spitze der Exekutive zu bleiben. (...)

(Bei der Rücktrittandrohung) handelt es sich um eine Art persönlichen Vertrauensantrag vor der Öffentlichkeit mit plebiszitären Elementen. Die von Sánchez angekündigte viertägige Nachdenkzeit werden Tage der Ungewissheit sein in einem europäischen Land mit einer robusten Wirtschaft und einem wachsenden Gewicht auf der internationalen Bühne, das aber auch eine ethische Erneuerung des öffentlichen Diskurses, seiner Justizorgane und seiner Medien benötigt.»


«Der Standard»: Tiktok mit Salto und Pirouette

WIEN: Zum möglichen Verbot von Tiktok in den USA schreibt die Wiener Zeitung «Der Standard»:

«Bei aller Kritik an dem Gesetz muss man aber auch dazu sagen, dass Tiktok wirklich alles in seiner Macht Stehende getan hat, um möglichst rasch verboten zu werden. Als das Repräsentantenhaus im März über ein Verbot der Video-App diskutiert wurde, forderte Bytedance die Nutzerinnen und Nutzer auf, ihre Abgeordneten anzurufen und diese aufzufordern, gegen ein Verbot zu stimmen. Praktischerweise reichte dazu ein Druck auf einen extra in der App installierten Button aus. Die Büros der Politiker wurden durch einen Tsunami an Anrufen lahmgelegt, bis oft nur der Ausweg blieb, die Telefone abzuschalten. Dies wurde von Demokraten wie Republikanern als chinesische Einmischung in die US-Politik, Wählermanipulation und Einschüchterungsversuch gewertet, wohl nicht zu Unrecht.

Tiktok hätte es besser wissen müssen. Schon im Vorjahr machte Tiktok-CEO Shou Zi Chew mit einem Kurzvideo Stimmung gegen die Pläne des US-Kongresses. Schon damals wurde Chew versuchte Manipulation der US-Innenpolitik vorgeworfen. Die US-Höchstrichter werden nun abwägen müssen, ob die Gefährdung der nationalen Sicherheit die Einschränkung der Redefreiheit durch einen Tiktok-Bann rechtfertigt. Die Argumente dafür hat Tiktok selbst geliefert und ist ins offene Messer gesprungen. Mit Salto und Pirouette.»

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