Vettel zieht mit Senna gleich: «Sieg für Jules» - Mercedes in Not

Foto: epa/Srdjan Suki
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BUDAPEST: Sebastian Vettel widmete seinen Sieg noch im Auto dem toten Kollegen Jules Bianchi, auf dem Podium küsste erstmals in diesem Jahr keiner der Silberpfeil-Piloten einen der Pokale. In einem völlig verrückten Rennen mit Pech und Patzern bei WM-Spitzenreiter Lewis Hamilton und dessen Mercedes-Kollege Nico Rosberg gelang Vettel ein historischer Triumph. Mit seinem 41. Grand-Prix-Erfolg zog der Ferrari-Pilot am Sonntag mit Formel-1-Ikone Ayrton Senna gleich und feierte auf dem Hungaroring den ersten deutschen Sieg seit Michael Schumacher 2004.

«Ein unglaublicher Tag», schwärmte Vettel nach seiner perfekten Vorstellung beim Großen Preis von Ungarn. «Aber dieser Sieg gehört Jules.» Nach der Zieldurchfahrt hatte er mit zittriger Stimme gesagt: «Danke Jules. Wir wussten, früher oder später würde er für dieses Team fahren.» Auch der zweitplatzierte Daniil Kwjat und sein Red-Bull-Teamkollege Daniel Ricciardo dachten auf dem Podest an Bianchi.

Erstmals seit dem 24. November 2013 stand dort oben keiner der beiden Mercedes-Stars. Der von der Pole Position gestartete Hamilton kam nicht über Platz sechs hinaus. «Viele Antworten habe ich nicht, ich muss mich beim Team entschuldigen. Ich werde versuchen, das in den nächsten Rennen wieder zurechtzurücken», sagte der Doppel-Champion.

Rosberg landete nach einem Plattfuß kurz vor Schluss nur auf Rang acht. «Heute hat es mehr Schwierigkeiten in einem Rennen gegeben als in der gesamten Saison», räumte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff ein. «Wir müssen uns auf jeden Fall Gedanken machen.»

In der WM-Wertung machte Vettel vor der Sommerpause Boden gut auf das Silberpfeil-Duo. Hamilton bleibt Erster mit 202 Punkten, Rosbergs Rückstand vergrößerte sich (181). «Wenn es ein bisschen anders gelaufen wäre, wäre ich nun zur Halbzeit vorne», meinte Rosberg und sieht immer noch ein gute Chancen, Hamilton abzufangen. Von hinten meldet sich aber Vettel mit seinem zweiten Saisonsieg nach Malaysia wieder deutlicher zu Wort, er liegt ebenfalls 21 Punkte zurück. Und wie stark die Ferrari sind, bewies lange auch auch Kimi Räikkönen, auf Rang zwei liegend erst gegen Ende immer langsamer wurde und letztlich wegen Antriebsproblemen ausschied.

Die Szenen auf dem Podium wurden allerdings auch durch die Erinnerungen an Bianchi geprägt. Er war vor gut einer Woche mit gerade mal 25 Jahren an den Folgen seines schrecklichen Unfalls im Oktober 2014 in Japan gestorben und am Dienstag beerdigt worden. Auch Vettel hatte den Sarg getragen. Bianchi kam aus der Ferrari-Schmiede und galt als künftiger Kandidat bei der Scuderia.

Vor dem Rennen hatte die gesamte Formel-1-Gemeinde dem am 17. Juni gestorbenen Ex-Piloten gedacht. Es waren bewegende Momente, wie sie die Motorsport-Königsklasse seit den letzten tödlichen Fahrer-Unfall 1994 von Senna am 1. Mai 1994 und Roland Ratzenberger am 30. April 1994 nicht mehr erlebt hat.

Eine Viertelstunde später wich das Schweigen den lärmenden Motoren. Hamilton kam nach seiner 46. Pole Position ganz schlecht los, binnen weniger Meter lag Vettels roter Renner gleichauf. Dahinter drängte auch Räikkönen. Letztlich zog das Ferrari-Duo an beiden Silberpfeilen vorbei. Wie schon in Silverstone verpatzten beide Mercedes-Männer nach den Quali-Rängen eins und zwei den Start.

Und dann patzte Hamilton noch einmal: Beim Versuch, Rosberg wieder einzuholen, musste er durch den Kies. Hamilton reihte sich auf Rang zehn ein und ätzte, Rosberg habe ihn abgedrängt. Da wurden bereits Erinnerungen wach an die Eskalation des Teamzoffs bei Silber vor einem Jahr, ebenfalls in Ungarn. Damals hatte sich Hamilton der Teamanordnung widersetzt, Rosberg vorbeizulassen. Nach dem Rennen nun wollte sich Hamilton an die Szene nicht erinnern.

Er versuchte auf einem seiner Lieblingskurse, auf dem er bislang vier Siege feierte, alles. Als Nico Hülkenbergs Force India in der 42. Runde den Frontflügel verlor und der Emmericher in die Reifenstapel krachte, lag er bereits auf Rang vier. Das Safety Car kam raus, alle Vorsprünge waren dahin; Hamiltons und auch Rosbergs Chance.

Als es wieder losging, demolierte sich Hamilton aber den Frontflügel beim Duell mit Ricciardo. Er musste noch mal an die Box, reihte sich auf Platz zwölf wieder ein und musste dann noch eine Durchfahrtsstrafe hinnehmen. Als wäre auf dem Kurs, dem bislang der Ruf als Langweiler vorauseilte, nicht schon genug passiert, schlitzte Ricciardo Rosberg den Hinterreifen auf. «Zweiter Platz wäre ideal gewesen, deswegen sehr, sehr schade», meinte Rosberg.

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