Ein Leser möchte das hartnäckig in den Köpfen vieler Farangs festsitzende Gerücht entkräften, dass der Isaan das „Armenhaus“ Thailands sei:
Es erschien mir schon nach meiner ersten Reise in den Isaan als nicht gerechtfertigt, die Region als das Armenhaus Thailands zu bezeichnen. Ich hatte bereits ein paar Jahre in Pattaya gelebt, als ich zu einem Bekannten in den Isaan reiste.
Die Stadt Pattaya, die ich durch die Zeit dort recht gut kannte, was Restaurants, Einkaufsmöglichkeiten, Shopping Malls etc. anbelangte, war mein Zuhause. Ich kannte nicht nur die offiziellen Strecken in die Stadt von Jomtien aus, auch die Schleichwege, ohne Verkehrsstau, waren mir inzwischen bestens bekannt.
Ich wohnte mit meiner Lebensgefährtin in einem schönen Eckcondo, das einen Blick auf verschiedene Seiten wie Straßen und Meer bot. Bei uns war die Welt in Ordnung. Doch manchmal fuhren wir durch Nebenstraßen, in denen es wirklich schlimm aussah, was die Wohnverhältnisse anbelangte: Bretter- und Wellblechhütten aus billigstem Material, die auf keinen Fall dem nächsten Sturm hätten standhalten können. Auch die dort lebenden Menschen zeugten von Armut, was die Kleidung und das Aussehen anbelangten.
Bereits auf unserer ersten Tour in den Isaan war mir aufgefallen, wie ordentlich und breit die Straßen dort waren. Am Straßenrand war es sauber und teilweise blühten dort schöne Sträucher und Bäume. Das war für mich erstmal erstaunlich, da ich mir den Isaan bis dahin nur aufgrund der Erzählungen der mir bekannten Farangs als Armenhaus vorgestellt hatte. Überhaupt, es stimmte nichts mit dem überein, was man mir erzählt und mir mit auf den Weg gegeben hatte.
Die Thaifamilien hatten alle mehr oder weniger ein Haus, das auf jeden Fall besser aussah als die Wellblechhütten in Pattaya. Auch waren sie wesentlich (gast-)freundlicher gesinnt als die Pattaya-Thais. Das ist sicherlich auch in der Lebensform begründet. Im Isaan kann die ganze Familie zusammenleben, in Pattaya hingegen, wo das Leben in allen Bereichen wesentlich teurer ist, leben nicht zwangsläufig alle Familien in einer billigen Behausung zusammen.
Jetzt, in der schrecklichen Corona-Krise, zeigt sich schon ein gravierender Unterschied zwischen dem Isaan und Pattaya. Während hier die Preise auf den Märkten immer schon günstiger als in Pattaya waren, kommt den Isaan-Bewohnern zugute, dass die meisten Land besitzen. Auf dem kann und wird alles angebaut, was man zur täglichen Nahrungsversorgung benötigt. Wer kann das schon in Pattaya machen, wo man kein Anbauland besitzt? Deshalb muss im Isaan auch niemand verhungern.
Auch wenn ich in meinem Condo in Pattaya gerne gelebt habe, entschied ich mich dennoch nach vielen schönen Jahren, es doch zu verkaufen. Der Entschluss fiel mir auch nicht schwer, nachdem ich nach vielen Aufenthalten im Isaan erkannt hatte, dass ich auch dort mein „Farangleben“ weiterführen konnte, wenn ich das so will. In der nicht weit von unserem neuen Zuhause entfernten Großstadt kann man alles einkaufen, was das „Farangherz“ begehrt, genauso wie in Pattaya auch. Daneben gibt es auch gute Restaurants und Shopping Malls. Da ich in Pattaya nie am Nachtleben teilgenommen habe fehlt mir dies auch hier im Isaan nicht. Natürlich gibt es sowas auch hier, wenn man danach suchen würde.
Jetzt lebe ich seit einigen Jahren mit meiner Lebensgefährtin im Isaan. Wir haben ein schönes großes Haus, sitzen am frühen Morgen mit einem Becher Kaffee in der Hand auf der Terrasse und sehen zu, wie unser Sohn mit seiner Mannschaft in zwei oder drei Pick-ups zur Arbeit startet. Ja, Arbeitslosigkeit ist hier auf dem Land ein Fremdwort. Zwangläufig sind in Pattaya viele Menschen arbeitslos, allein durch die Tatsache, dass die Touristen wegbleiben und somit auch die Haupteinnahmequelle. Da der Isaan – touristisch betrachtet – immer wie die Diaspora war, leidet hier keiner unter ausbleibenden Touristen.
In Pattaya bereitete ich morgens den Kaffee in der Condoküche zu und trank ihn dann auf dem Balkon mit Blick aufs Meer. Hier, im Isaan, bereite ich den Kaffee in meiner Küche zu, die größer ist als mein Condo in Pattaya. Dann sitze ich auf der überdachten Terrasse und blicke statt aufs Meer auf die Reisfelder. Dabei stören weder Abgase von LKWs noch der Krach von Bussen. So kann ich dann, wenn alle morgens zu Arbeit losgefahren sind, unbekümmert mit meinen Hunden über die Reisfelder spazieren gehen, ohne einem Auto zu begegnen. Auf dem Rückweg sehe ich dann unser Dorf vor mir. Jede Familie hat ein Haus, ordentlich, aus Stein gebaut, im Isaan-Stil. Mietwohnungen gibt es lediglich ein paar in der sechs Kilometer entfernten Kreisstadt.
Da sage noch mal einer, der Isaan wäre das Armenhaus. Nein, der größte Teil der Menschen hier lebt um ein Vielfaches besser als ein großer Teil der Thais in Pattaya. Zumindest was unsere freundlichen Nachbarn in unserem Dorf anbelangt.
Ingo Kerp, Korat
Die im Magazin veröffentlichten Leserbriefe geben nicht die Meinung der Redaktion wieder. DER FARANG behält sich darüber hinaus Sinn wahrende Kürzungen vor. Es werden nur Leserbriefe mit Namensnennung veröffentlicht!