Mann oder Frau – wer weiß das genau?

Mann oder Frau – wer weiß das genau?

Carlos las kürzlich, dass ein Model namens Andrey Pejic weltweit zur Nummer eins auf dem Catwalk geworden ist, sowohl als männliches als auch als weibliches Model. Ja, was denn nun? Mann oder Frau oder beides? Oder gelten diese Unterschiede gar nicht mehr?

Carlos lebt seit vielen Jahren in Pattaya, und Schwule und Gathoeys gehören hier ebenso zum Alltag wie alte Farangs mit blutjungen Thai-Ladies oder mit jungen Boys. Er hat mit Fachleuten gesprochen, um zu erfahren, warum Schwule und Lady-Boys hier so auffällig sind. Der Sozial-Psychologe Professor Dauser aus München führt das Phänomen darauf zurück, dass die Erziehung in Thailand nicht geschlechtsspezifisch erfolgt. Hier kann jeder sich selbst entwickeln, ohne gemaßregelt zu werden. Wie hieß der Schlagerhit von Milva? "Man wird als Frau nicht geboren, man wird zur Frau erst gemacht." Und umgekehrt gilt das genau so. Dass es trotzdem so viele Schwule in den Metropolen des Landes gibt, erklärt ein in Pattaya praktizierender Arzt damit, dass es diese homosexuell veranlagten Menschen in die Touristenstädte zieht, weil sie nur hier eine Chance sehen, ihr Leben nach eigenen Vorstellungen zu gestalten oder um hier damit Geld zu verdienen. "Das ist nicht viel anders als beispielsweise in Berlin oder in anderen Großstädten Europas," sagt er, "da zieht es auch all die Betroffenen aus der Provinz hin, weil sie dort zumindest anonym ihr eigenes Leben verwirklichen können." Trotzdem ist nicht zu übersehen, dass die Gathoeys, das sogenannte dritte Geschlecht, sich hier unübersehbar häuft. Aus jungen Männern wurden nach einer Operation junge Frauen, die wiederum zu einem großen Teil darauf angewiesen sind, ihr Leben durch Prostitution zu verdienen. Trotzdem sind sie im Land akzeptiert, weil hier Schönheit allein ein Wert an sich ist. Es gibt hier Misswahlen und Schönheitswettbewerbe für Lady-Boys, an denen das ganze Land übers Fernsehen Anteil nimmt. Nur ein Beispiel, um die Akzeptanz zu unterstreichen: Inzwischen gibt es in vielen Schulen neben den Toiletten für Jungen und Mädchen eigene Aborte für Ladyboys. Diese Menschen sind hier anerkannt, auch wenn in den letzten Jahren kriminelle Attacken aus diesen Kreisen ihr Image deutlich beschädigt haben.

Geschlechtsum-wandlung in Bangkok

Insbesondere an der Beach-Road werden sie oft als störend empfunden, zumal sie sich nicht darauf beschränken, Farangs anzusprechen, sondern gelegentlich handgreiflich werden. Immer wieder mal sammelt die Polizei sie ein, um sie nach Zahlung einer Strafe in Höhe von 200 Baht wieder laufen zu lassen.

Viele Hospitäler in Bangkok haben sich darauf spezialisiert, Geschlechtsumwandlungen vorzunehmen. Da gibt es seriöse Anstalten und andere, die im Untergrund arbeiten und deren Ergebnisse nur als katastrophal zu bezeichnen sind. In die angesehene Klinik Bumrungrad in Bangkok kommen Menschen aus aller Welt, die aus ihrem "Geschlechts-Gefängnis" befreit werden wollen. Der zuständige Chirurg spricht vor jeder Operation lange mit ihnen. Er weiß um ihre Probleme und überprüft die Ernsthaftigkeit ihres Verlangens, denn danach gibt es kein Zurück mehr. Ja, und danach stehen viele dieser Wesen, engelsgleich, am Rande der Beach-Road und warten darauf, dass ein Farang sich ihrer erbarmt. Eigentlich sind sie dafür viel zu schön, aber alle können nicht in den beliebten Travestie-Shows aufgefangen werden. Und was soll, wer auf Frauen steht, mit diesen Zwischentypen schon anfangen? Carlos hat zudem das Problem, sie überhaupt zu erkennen. Mann oder Frau – wer weiß das genau? Inzwischen hat er gelernt, wenn sie sich einen Tic weiblicher geben als Thai-Frauen, dann sind sie wahrscheinlich Lady-Boys. Die Frage nach der sexuellen Identität ist damit jedoch nicht gelöst.

Was Männer hier können, die auf junge Thai-Ladies scharf sind, das können Männer, die auf das eigene Geschlecht gepolt sind, hier auch problemlos erleben. Kein Wunder, dass es so viele ältere Homos nach Pattaya zieht. Viel wichtiger aber erscheint Carlos ein Argument, das ein höchst angesehener Expat aus Bonn ihm im vertraulichen Gespräch berichtete:

Deutschland hat meine Jugend gestohlen

Als er dem Oberbürgermeister, mit dem er befreundet war, sagte, er würde nach Thailand auswandern, fragte dieser ihn: "Warum? Deutschland ist doch deine Heimat." Die Antwort war eindeutig und für Carlos nachvollziehbar: "Deutschland hat mir meine Jugend gestohlen. Als ich zum ersten Mal liebte, einen erwachsenen Mann, wurde ich dafür ins Gefängnis gesperrt. Ein Leben lang musste ich mich hier verstecken, konnte meine Neigungen nur heimlich ausleben, und immer in der Angst vor Verrat oder Erpressung. Nie konnte ich ein normales Liebesleben führen. Nein, das war, das ist nicht meine Heimat. Ich gehe in ein Land, wo Liebe, ganz gleich mit wem, akzeptiert ist und immer war."

Carlos kann sich dem nur anschließen und meint: Jeder soll nach seiner Facon selig werden.

Aber eines muss dabei klar und eindeutig sein: Kinder sind in dieser Szene absolut tabu!

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