Lung Sen macht sich Gedanken

Herr Untermüller hat die 70 bereits überschritten und kommt jährlich zweimal nach Pattaya, jeweils für mehrere Wochen. Er ist ein stattlicher, gesunder Mann, der sein Leben lang hart gearbeitet hat und heute eine satte Rente bezieht. Hinzu kommt ein fünfstelliger Euro-Betrag auf dem Sparkonto, eine eigene Wohnung hat er auch.

Seit zwei Jahren hat er eine feste Thai-Freundin. Er meinte, es wäre an der Zeit, diese nach Deutschland einzuladen. Alle Papiere wurden besorgt, für die Freundin die Versicherung abgeschlossen und sogar Flugtickets gekauft. Drei Monate sollte sie bei ihm bleiben. Auf der deutschen Botschaft unterschrieb der dezente, gemütliche Mann die Garantieerklärung zur Übernahme von anfallenden Kosten, die der Bundesrepublik entstehen könnten, sollte die Eingeladene gegen Gesetze verstossen oder anderen Schaden verursachen.

Natürlich sollte die 26-jährige Frau nach drei Monaten wieder zurückfliegen. Der gute Mann wollte ja nur etwas Gesellschaft in seiner sonst so tristen Eigentumswohnung. Frohen Mutes verliess er also die Botschaft und kehrte nach zwei Tagen zurück. Nun aber war seine Freude verflogen. Der Visumantrag war abgelehnt worden. Auf der Botschaft liess man durchblicken, es bestünde keine Garantie für eine Rückkehr der Frau nach Thailand, es fehle die Verwurzelung in Thailand.

Zurück in Pattaya wurde der sonst so ruhige Herr Untermüller sehr, sehr laut: „Das ist eine Beleidigung meiner Person! Man hält mich für nicht kreditwürdig!“ Und weiter: „Ich kann doch für einen eventuellen Schaden bezahlen! Das habe ich doch unterschrieben!“

Lung Sen denkt: Kann der Deutsche wirklich für alle eventuell eintretenden finanziellen Schäden aufkommen

Er ist über 70 Jahre alt – seine Freundin gerade mal 26 Jahre jung. Wie lange wird sie wohl bei ihm bleiben Wie schnell wird sie einen jüngeren Mann finden, bei dem sie sich wohler fühlt fragt sich Lung Sen. Und was geschieht, wenn sie kriminell wird Wenn sie von der Polizei gesucht und nach Monaten gefunden wird, muss Herr Untermüller für alle Kosten und von ihr begangenen Schäden zahlen, für die staatlich Ausgaben, auch für die Abschiebung. Er hat ja unterschrieben, dafür aufzukommen. Im Nu könnte das Sparkonto leer sein, die Wohnung und vielleicht sogar ein Teil der Rente könnten gepfändet werden. Je nach dem Ausmass des finanziellen Schadens.

Nein, das würde meine Freundin nie machen! So denkt nicht nur Herr Untermüller, sondern unzählige Männer, die ihre thailändische Freundin zu sich einladen. Da fragt Lung Sen: Wie lange und wie gut kennt Ihr Euch überhaupt Ihr seid zweimal im Jahr in den Ferien zusammen, vielleicht zehn Wochen, in denen alles wunderbar läuft, weil die Frau in Thailand ist und ihre Freundinnen hat, mit denen sie plaudern kann. Wie habt Ihr Euch verständigt Ein paar Brocken Englisch kann sie ja, aber zu einer echten Unterhaltung, gar Diskussion ist es nie gekommen. Und nun soll sie es drei Monate in Deutschland aushalten bei einem Mann, der sie nicht versteht, ohne Kontakte, ohne die gewohnte Kost und Umgebung

Das Schlimmste für jede(n) Thai ist, keine Nestwärme zu haben, in einem Umfeld zu leben, das total fremd ist. Deshalb wird flugs nach anderen Thais in der deutschen Stadt gesucht. Bald ist jemand gefunden, und schon werden alle nur denkbaren Erfahrungen ausgetauscht.

Natürlich kommen so auch Ratschläge herüber, wie es viel besser gehen könnte. „Lass doch den alten Knacker. Ich kenne da jemand, der . . .“ „Was meinst Du, was Du hier auf dem Strich verdienen kannst! Keine Sorge, der Zuhälter hat Verbindungen zur Polizei. Da passiert nichts.“

Mehrere Fälle wurden Lung Sen zugetragen, wo die Eingeladene plötzlich verschwunden war. Auch weiss er von den immensen Kosten, die der Einladende zu begleichen hatte. Drum, werte Herren, denkt an den guten deutschen Spruch: Drum prüfe, wer sich (ewig) bindet.

Selbst frisch Verheiratete sind nicht vor der Gefahr des Davonlaufens der Partnerin gefeit. So geschah es einem guten Freund von Lung Sen, dessen Angetraute nach einer Woche Deutschland-Aufenthalt vom Einkaufen nicht mehr zurückkehrte. Freilich kennt Lung Sen auch Dutzende Fälle, wo alles gut gelaufen ist. Das lag zumeist daran, dass Mann und Frau sich verstanden, der eine auf den anderen eingegangen ist, und dass die andere Mentalität akzeptiert und berücksichtigt wurde.

Lung Sen will keine Moralpredigt halten. Jeder ist seines Glückes Schmied. Er will nur in aller Deutlichkeit darauf hinweisen: Bevor die Garantieerklärung zur Kostenübernahme unterschrieben wird, sollte sich ein jeder klar sein über die Ausgaben, die auf ihn zukommen können. Ist man noch im Arbeitsverhältnis, so muss der Einladende sich die Frage stellen: Was macht meine Freundin denn, wenn ich auf der Arbeit bin Schon in Thailand muss dies geklärt werden, und nicht vergessen werden sollte der Hinweis, dass es nicht jeden Abend zum Essen oder in die Disco gehen kann, da der deutsche Mann nach einem langen Arbeitstag dazu zu müde ist und dafür auch kein Geld hat. Deshalb sollten die Thais rechtzeitig über das andere, viel teurere Leben in Deutschland aufgeklärt werden.

Und schon kommt die nächste Barriere, die Sprache. Wie erklärt Mann ihr alles, spricht sie doch kaum Englisch und erst recht kein Deutsch. Das Englisch des Deutschen ist auch nicht das beste. Und wenn die Kommunikation in Pattaya schon nicht klappt, ja, wie soll es dann bloss in Deutschland werden!

Nein, nicht ständig auf die Botschaft schimpfen. Dort tut man einen gewaltigen Job, und Lung Sen kann nur Bewunderung für die Arbeit der Frauen und Männer aufbringen, für die Geduld, mit der sie den Antragstellern entgegen kommen. Bevor man auf die Botschaft geht, um ein Visum zu beantragen, sollte jeder erst einmal prüfen: Hat die Freundin den Beweis ihrer Rückkehrwilligkeit, und, fast noch wichtiger, kann ich mir die Schadensregulierung leisten, sollte die eingeladene Person verschwinden.

Lung Sen denkt: Durch Schaden wird man klug. Muss es aber erst so weit kommen Vielleicht beruht die Ablehnung eines Visums auf der Tatsache, den Einladenden vor sich selbst zu schützen . . .

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