Law Lounge

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Die Europawahl ist vorbei, und das Wahlergebnis mag jeder selber für sich beurteilen. Europa ist aber nicht nur genormte Gurken und Bananen, sondern auch die Schaffung eines Raumes, welcher sich der heutigen Möglichkeiten des Einzelnen bedient. Neben freiem Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr hat man sich bereits im Jahr 2012 in Brüssel mit einer europäischen Erbenverordnung beschäftigt, welche im August 2015 in allen europäischen Ländern mit Ausnahme von Großbritannien, Dänemark und Irland in Kraft treten wird.

Bisher hatten die EU-Mitgliedsländer selber geregelt, welches Recht bei Erbfällen zur Anwendung kommt. Ausgangspunkt war dabei stets das sog. „Staatsangehörigkeitsprinzip“. Hatte der Verstorbene zum Zeitpunkt seines Todes die deutsche Staatsbürgerschaft, lebte jedoch die letzten Jahre in Spanien, so galt deutsches Erbrecht und im Falle von Immobilien kam es in einigen Fällen zur sog. „Nachlassspaltung“, da in den meisten Erbordungen geregelt ist, dass Immobilien nach dem Ort der belegenen Sache vererbt werden. Die neue Erbverordnung regelt nun, dass nicht mehr das Staatsangehörigenprinzip gilt, sondern das Erbrecht des letzen Wohnsitzes bzw. dessen „Daseinsmittelpunkt“.

Die Regelung des Erbrechts

Im oben genannten Beispiel würde also spanisches Erbrecht greifen. Im konkreten Beispiel Spanien dürfte dies aber nicht im Sinne des Erfinders sein, da Spanien keine hohen Freibeträge bei der Erbschaftssteuer vorsieht und deshalb das Erben in Spanien „teurer“ ist als in Deutschland. Die EU-Regelung sieht jedoch vor, dass man testamentarisch regeln kann, welches Erbrecht zur Anwendung kommt. Von dieser Möglichkeit sollte man schon heute Gebrauch machen. Stichtag für das Inkrafttreten ist der 17. August 2015. Die Rechtswahl ist dann als aufschiebende Bedingung zu verstehen und greift erst mit dem 17. August 2015.

Der klassische Fall des Weltenbummlers, welcher einen deutschen Reisepass in der Tasche hat, die Wintermonate in Thailand verbringt und den Sommer in Spanien oder Südfrankreich, wird sich nun mit der Frage konfrontiert sehen, was denn nun sein „gewöhnlicher Aufenthalt“ ist. Der Gesetzgeber hat dies nicht definiert und muss deshalb an verschiedenen Punkten, wie dem Schwerpunkt des sozialen Umfelds, familiäre und berufliche Beziehungen, festgelegt werden. Zu beachten ist weiter, dass sowohl die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthaltsort als auch die Rechtswahl dem „Prinzip der Nachlasseinheit“ folgen. Eine gegenständlich beschränkte Rechtswahl, zum Beispiel auf einzelne in Deutschland befindliche Grundstücke oder auf das gesamte sich in Deutschland befindliche Vermögen, wie es bislang gesetzlich möglich war, geht dann nicht mehr. Eine vor dem 17.08.2015 getroffene und zu einer Nachlassspaltung führende Rechtswahl bliebe allerdings wirksam, wenn der Erblasser zum Zeitpunkt der Rechtswahl seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort in Deutschland hatte.

„Europäischer Erbschein“

Neu ist auch die Schaffung eines „europäischen Erbscheins“. Durch die Schaffung eines solchen Erbscheins soll es in Zukunft leichter sein, den Nachlass in den verschiedenen Ländern aufzulösen und den zum Teil nicht unerheblichen Aufwand von Übersetzungen, Neubeantragungen in einem anderen Land etc. zu vermeiden.

Für den europäischen Residenten, welcher die meiste Zeit in Thailand verbringt, ändert sich durch die europäische Erbordnung nichts. Immobilien in eigenem Namen, wie bspw. ein Condominium, werden nach thailändischem Erbrecht vererbt und die Mobilien des Nachlasses nach dem entsprechenden Recht der Staatsbürgerschaft. Die „Weltenbummler“ unter den Lesern dieser Kolumne sollten sich jedoch Gedanken machen über ihre Nachlassregelung, die Rechtswahl unter Berücksichtigung der Erbrechtssteuersätze und der Festlegung des Lebensmittelpunktes. (Foto: vege / Fotolia.com)

Über den Autor dieser Kolumne

Der deutsche Rechtsanwalt Markus Klemm, zugelassen am Landgericht Stuttgart, schreibt die FARANG-Rechtsberatungs-Kolumne. Zusammen mit Amnat Thiengtham ist er gleichberechtigter Geschäftsführer der Kanzlei Asia LawWorks an der Thepprasit Road in Pattaya, welche auf der Anwaltsliste der deutschen Botschaft aufgeführt ist. Immer wieder geraten Residenten in Streitangelegenheiten mit rechtlichen Folgen. DER FARANG möchte mit dieser Kolumne aufklären, um das Leben in Thailand leichter zu gestalten. Die Law Lounge-Kolumne ersetzt jedoch keine persönliche Beratung. Ebenfalls erfolgt keine Rechtsberatung per Telefon!

Rechtsanwalt Klemm kann per E-Mail: talk2us@asialawworks.com oder telefonisch unter +66 38 411 591 kontaktiert werden.

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