In Thailand wird Politik auf der Straße gemacht

In Thailand wird Politik auf der Straße gemacht

THAILAND: Nach dem Paukenschlag der Amtsenthebung von Regierungschefin Yingluck Shinawatra kommt wieder Bewegung in den politischen Machtkampf. Wie Boxer vor dem Kampf stehen sich Regierungspartei und Opposition unversöhnlich gegenüber. Am Freitag und Samstag planen beide große Straßenproteste.

Die Erfahrung der vergangenen acht Jahre zeigt: Massendemonstrationen - und Gerichte - entscheiden in Bangkok über das Schicksal von Regierungen, nicht gepflegte Debatten im Parlament.

2006: Der milliardenschwere Regierungschef Thaksin Shinawatra setzt eine Änderung des Telekomgesetzes durch und profitiert davon drei Tage später durch einen Aktienverkauf mit einem steuerfreien Milliardengewinn. Das damals schon aktive Anti-Thaksin-Lager marschiert auf, Zehntausende Demonstranten nötigen den Ministerpräsidenten, das Parlament aufzulösen. Thaksin gewinnt die Wahlen im April, diese werden aber nach weiteren Protesten annulliert. Im September stürzt das Militär Thaksin. Die Demonstranten protestieren in der Königsfarbe gelb: die Gelbhemden.

2008: Die Wahlen ein Jahr nach dem Coup haben wieder eine Thaksin-Partei an die Macht gebracht. Sie will die neue Verfassung ändern - Thaksin-Gegner formieren sich erneut. Sie stürmen den Regierungssitz, später auch das Parlament und besetzen Straßen. Der Protest gipfelt in der tagelangen Besetzung des internationalen Flughafens. Der Flugbetrieb wird eingestellt. Das oberste Gericht löst die Regierungspartei wegen Wahlbetrugs auf - Regierungschef und Thaksin-Schwager Somchai Wongsawat verliert das Amt.

2010: Die Thaksin-Gegner der Demokratischen Partei unter Abhisit Vejjajiva sind an der Macht - nicht weil sie eine Wahl gewonnen haben, sondern weil eine kleine Partei im Parlament die Seiten gewechselt hatte. Thaksin-Anhänger verlangen eine durch Wahlen legitimierte Regierung. Massenproteste folgen. Die Leute marschieren in roten T-Shirts und heißen folglich Rothemden. Abhisit beordert Polizei und Soldaten auf die Straßen. Mehr als 90 Menschen sterben. Im April beenden Panzer die Proteste. Abhisit verspricht Wahlen 2011.

2013/2014: Seit den Wahlen ist Thaksins Schwester Yingluck an der Macht. Das Anti-Thaksin-Lager explodiert vor Wut, als die Regierung versucht, den wegen Amtsmissbrauchs zu zwei Jahren Haft verurteilten und im Exil lebenden Thaksin per Amnestie straffrei zurückzuholen. Massenproteste unter dem einstigen Oppositionsvize Suthep Thaugsuban folgen. Wochenlang besetzten sie Regierungsgebäude und Kreuzungen.

Weil die Thaksin-Gegner an der Wahlurne keine Chance haben, wollen sie kompromisslos eine ungewählte Übergangsregierung. Yingluck ruft Neuwahlen aus. Die Proteste gehen weiter. Die von Thaksin-Gegnern massiv gestörte Wahl wird annulliert. Dann enthebt das oberste Gericht Yingluck mit einem umstritten Urteil des Amtes: wegen einer Personalversetzung zugunsten eines Verwandten. «Das ist praktisch ein versuchter Verfassungscoup», sagt der Politologe John Blaxland von der australischen Nationaluniversität.

(Foto: epa)

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