Hurra, Hurra, die Hauptsaison ist da!

Sonnenliegen am Strand, besonders in erster Reihe, sind während der Hauptsaison Mangelware. Glücklich ist – wer einen der begehrten Plätze ergattern kann.
Sonnenliegen am Strand, besonders in erster Reihe, sind während der Hauptsaison Mangelware. Glücklich ist – wer einen der begehrten Plätze ergattern kann.

Endlich! Endlich! Die mieseste Nebensaison seit Menschengedenken ist endlich vorbei. Die Touristen sind im Anmarsch. Aus aller Herren Länder kommen sie. Scharenweise. Keine Finanzkrise, keine Schweinegrippe hält sie davon ab nach Thailand zu kommen. Die Flugzeuge sind bis auf den letzten Notsitz gefüllt, Busse und Taxen ausgebucht…

Geschäftsleute, Hoteliers, Restaurantbesitzer und "die Schönen der Nacht" in den Bars, sie alle kämpfen darum, ein möglichst großes Stück vom Touristenkuchen abzubekommen. Mit Sonderangeboten und Preisnachlässen ködern sie die Urlaubsgäste, denn in den wenigen Monaten der Hochsaison müssen sie wieder hereinholen, was sie im letzten Halbjahr verloren haben.

Für die hier lebenden Expats stellt sich die Situation allerdings jetzt schon etwas anders dar: Heute an der Beach war mein Stammplatz in der ersten Reihe mit einem Handtuch belegt ebenso wie die Liegen zu beiden Seiten. "Touristen aus England", sagte die Vermieterin, und ich meinte so etwas wie Stolz und Schadenfreude aus ihrer Stimme herauszuhören. "Die haben die ganze erste Reihe für vier Wochen gebucht." Ich wollte antworten: Ich sitze hier fast täglich, zwölf Monate im Jahr. Aber dann schwieg ich und verzog mich in die dritte Reihe.

Mein Masseur ging an mir vorbei wie ein Fremder. "Hallo, Phon!", rief ich ihm hinterher. "Sorry, keine Zeit", antwortete er, "ich habe fünf Vorbestellungen." In den letzten Monaten war er froh gewesen, wenn er am Tag wenigstens mich als Kunden hatte. Dann bestellte ich mein Lunch, ein gefülltes Omelette. Als ich mich nach einer halben Stunde nachzufragen erdreistete, ob meine Bestellung vergessen worden sei, hieß es, ich möge mich doch, bitteschön, gedulden, es gäbe außer mir noch andere Gäste.

Okay, ich beginne langsam zu verstehen, dass die Hauptsaison hauptsächlich für andere von Vorteil ist.

Abends ging ich mit Freunden in unser Lieblingsrestaurant. Natürlich hatten wir keinen Tisch reservieren lassen. Warum auch? In den vergangenen Monaten war der Laden meistens leer gewesen. Heute war er plötzlich bumsvoll. Wir konnten von Glück sagen, den letzten Tisch in der Ecke zu bekommen, direkt vorm Klo. Es war Hochbetrieb. Nach dreißig Minuten wurden wir endlich bedient…nein, das ist falsch ausgedrückt, der Kellner, der acht Monate lang die Liebenswürdigkeit in Person war, warf im Vorübereilen die Speisekarten auf unseren Tisch und ließ sich danach eine viertel Stunde lang nicht mehr blicken.

Soll ich verraten, wie das Drama endete? Meine Gänseleber-Terrine, nach einer Stunde serviert, war ein wabbeliges, glitschiges, ungenießbares Gebilde, vor dem ich mich ekelte. Willis Steak war ein gummiartiges Etwas, das jedem Kauorgan mühelos widerstand, und Arturs Gemüse war zu einem unappetitlichen kalten Brei zerlaufen. Unsere Reklamation wurde vom Kellner mit einem lächelnden "Sorry" bedacht. Wir bestanden darauf, den Chef zu sprechen, der uns, da wir Stammgäste sind, alle namentlich kennt. Er nahm unseren Protest wortlos zur Kenntnis und eilte zu einem anderen Tisch. Nun, dachte ich, er wird die Rechnung reduzieren und sich mit einem Freigetränk revanchieren. Pustekuchen! Gar nichts passierte. Die Rechnung war exorbitant, was dem Wein geschuldet war, der leider auch nicht so kalt war, wie er hätte sein sollen. Und der Chef hatte sowieso keine Zeit mehr für uns. Endlich, nach langen einsamen Monaten gibt es für ihn wieder etwas zu tun.

Aber ich, der ich das ganze Jahr über hier lebe, ich frage mich, was macht er, wenn diese Kurztouristen alle wieder fort sind? Dann ist er doch auf mich und meine Freunde angewiesen. Ist er kurzsichtig, oder glaubt er, die Hochsaison dauert ewig?

Ich habe allen, die auf das Geschäft mit den Touristen angewiesen sind, von Herzen gewünscht, dass es mit dem Tourismus endlich wieder aufwärts geht. Trotzdem hätte ich mir gewünscht, dass diejenigen, die über das ganze Jahr hier leben und in der kargen Zeit der einheimischen Geschäftswelt das Überleben ermöglichen, dass wir in der kurzen Hauptsaison nicht wie Störenfriede behandelt werden. Um es ganz kurz und deutlich zu sagen:

Ich finde, die Hauptsaison ist Scheiße!

(Carlos)

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