Hightech-Medizin

Oskar vermisst seinen deutschen Hausarzt. Obwohl das Wartezimmer immer rappelvoll war, nahm er sich für seine Patienten Zeit. Er kontrollierte selbst den Blutdruck, ließ sich geduldig Beschwerden und Schmerzen erklären, hinterfragte mögliche Ursachen und suchte Auslöser in Beruf oder Privatleben. Sein wichtigstes Handwerkszeug war das Stethoskop. Fingerdruck oder leichtes Beklopfen schmerzender Körperstellen sollten seine Diagnose erleichtern. Und er war ein Verfechter der Ganzheitsmedizin.

Ganz anders läuft heute ein typischer Arztbesuch ab, nicht nur in Thailand. Zum Faktencheck bemühen Mediziner erst einmal Hightech. Selbst bei mutmaßlich einfachen Diagnosen. Ein Röntgenbild muss auf jeden Fall her, besser Ultraschall, CT oder ein teures MRI.

Und wenn der Patient diese langwierigen Untersuchungen hinter sich gebracht hat, interessiert sich der Arzt mehr für seinen Computer als für sein Gegenüber. Oskars Freund Peter hatte versucht, bei seinem Urologen drängende Fragen zu platzieren. Die Antwort: Er habe nicht jahrelang in seine Facharzt-Ausbildung investiert, um unqualifizierte Laien-Neugier zu befriedigen.

Oskars letzter Generalcheck lief ab, ohne dass ein Arzt ihn berührte. Blutdruck messen, Blutentnahme, die Urinflasche der Schwester übergeben, Lunge röntgen, EKG… Das kurze Abschlussgespräch mit dem Mediziner brachte nichts Neues: Abnehmen, Sport treiben, gesund essen…

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