Nordirland bleibt Brennpunkt

​25 Jahre nach historischem Handschlag

Ein junger Mann trägt eine nordirische Fahne am brennenden Craigyhill-Feuer der Loyalisten anlässlich der Feierlichkeiten zum Orangemen's Day. Archivfoto: Liam Mcburney/PA Wire/dpa
Ein junger Mann trägt eine nordirische Fahne am brennenden Craigyhill-Feuer der Loyalisten anlässlich der Feierlichkeiten zum Orangemen's Day. Archivfoto: Liam Mcburney/PA Wire/dpa

BELFAST: Es dauerte nur wenige Minuten, dennoch war das Treffen von Premier Blair und Sinn-Fein-Chef Adams 1997 zentral für die Friedenslösung in Nordirland. 25 Jahre später ist die Gewalt zwar weitgehend beendet. Doch eine dauerhafte Lösung ist noch immer nicht in Sicht.

Immerhin, sie reden wieder miteinander. Der irische Außenminister Simon Coveney sieht bereits eine «neue Ära der Positivität» eingeläutet, spricht von einem «Aufflackern von Optimismus». Auch aus London kommen ermutigende Töne. Der britische Nordirland-Staatssekretär Steve Baker, ein Hardcore-Brexiteer, entschuldigte sich kürzlich beim Nachbarland Irland und der EU für sein Verhalten und das anderer Politiker während des Brexit-Streits.

Doch der Wechsel auf der Tonspur kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich am Inhalt wenig ändert: Eine dauerhafte Lösung für Nordirland ist in weiter Ferne - auch 25 Jahre nachdem der damalige britische Premierminister Tony Blair und Gerry Adams, der damalige Chef der für die Wiedervereinigung mit Irland eintretenden Partei Sinn Fein, sich am 13. Oktober 1997 zu einem historischen Handschlag in Belfast trafen.

Die kurze Begegnung war umstritten. Konservative sowie die meist protestantischen Anhänger der Union mit Großbritannien waren empört, dass Blair den «Terroristen» Adams mit einem Handschlag legitimierte. Sinn Fein galt als politischer Arm der katholischen Untergrundorganisation IRA, die für eine Wiedervereinigung mit Irland kämpfte. Im jahrzehntelangen Bürgerkrieg mit loyalistischen Milizen und britischen Soldaten starben Tausende. Das Treffen läutete das Ende der Gewalt in Nordirland mit ein.

«Ich habe Adams wie jeden anderen Menschen auch behandelt», sagte Blair nach der ersten Begegnung eines britischen Premiers mit einem Sinn-Fein-Anführer seit 76 Jahren. Nur Gespräche könnten die Lage beruhigen. Im Dezember folgte ein Treffen in London - wichtige Schritte zum Karfreitagsabkommen, das Irlands Regierungschef Bertie Ahern und Blair am 10. April 1998 schlossen und das mit einer komplizierten Regelung den Frieden auf der irischen Insel sicherte.

So explosiv wie damals, als sich Blair und Adams trafen, ist die Lage längst nicht mehr. Die Gewalt, obwohl immer wieder kurzzeitig aufgeflammt, ist derzeit keine große Sorge, bestätigt auch die nordirische Politologin Katy Hayward. Dennoch sind wenige Monate vor dem 25. Jahrestag des Friedensschlusses die Probleme immens. Grund ist der Brexit.

Nach langen Verhandlungen hatten sich Großbritannien und die EU auf das Nordirland-Protokoll geeinigt, das eine harte Grenze zwischen der Provinz und dem EU-Mitglied Irland verhindert. Doch damit entstand auch eine Zollgrenze zum Rest des Vereinigten Königreichs. Anhänger der Union fürchten, die Regelung befördere eine Loslösung von London.

Die wichtigste protestantische Partei DUP fordert daher ultimativ ein Ende des Protokolls. Ansonsten will sie sich nicht an einer Gemeinschaftsregierung mit Sinn Fein beteiligen - obwohl dies vom Karfreitagsabkommen so vorgegeben ist. Die Fronten verhärten sich, auch weil mit Sinn Fein seit der Wahl im Mai erstmals überhaupt eine katholische Partei in Nordirland, das 1921 aus den protestantischen Gebieten in Irland gebildet wurde, stärkste Kraft ist. Der Trend dürfte sich zementieren: Wie kürzlich bekannt wurde, leben mehr Katholiken, die für eine Wiedervereinigung mit Irland eintreten, in der Region als Protestanten, die die Union unterstützen.

Aller Voraussicht nach muss in der einstigen Bürgerkriegsregion bald wieder gewählt werden. Seit Monaten steht Nordirland ohne funktionierende Exekutive da, die britische Provinz ist politisch gelähmt. Am 28. Oktober endet eine Frist zur Regierungsbildung. Doch auch die dann nötige Neuwahl wird wohl keine Lösung bringen, wie Expertin Hayward sagt. Umfragen sehen Zugewinne für DUP und Sinn Fein. «Die Wahl würde nicht viel ändern, außer dass die Parteien in der Mitte angesichts der Polarisierung zwischen Sinn Fein und der DUP unter Druck geraten», sagt Hayward der Deutschen Presse-Agentur.

Das würde auch die Feiern zum Jubiläum im April belasten, zu denen - so wird allgemein erwartet - auch US-Präsident Joe Biden anreisen will. Biden ist stolz auf seine irischen Wurzeln und hat London wiederholt für die harte Linie im Brexit-Streit kritisiert. Auch deshalb will Premierministerin Liz Truss nun Fortschritte sehen.

Zwar ist das Vertrauen der EU in ihre Regierung weiter gering, wie EU-Diplomaten bestätigen. Denn Truss hält an einem Gesetzesvorhaben fest, das London erlauben würde, die Brexit-Regelung einseitig aufzuheben. Wenn es so verabschiedet werden würde, dürfte die Folge ein Handelskrieg mit der EU sein. Dennoch deutet der Wechsel auf der Tonspur darauf hin, dass London und Brüssel das Abkommen abändern. So räumte der irische Vizeregierungschef Leo Varadkar ein, das Protokoll sei «ein bisschen zu streng». Ob ein Kompromiss aber ausreicht, dass die DUP ihre Erpressung beendet, wird bezweifelt.

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