Zeitungen zum Geschehen am Mittwoch

Foto: Pixabay/Gerd Altmann
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«Frankfurter Rundschau» zu Wissenschafts-Zeitvertragsgesetz

Was würde wohl passieren, wenn angehende Doktorandinnen oder Doktoranden ihre zurückgewiesene Arbeit nach ein paar Monaten kaum verändert erneut vorlegen? Das hat das Bildungsministerium mit dem Wissenschafts-Zeitvertragsgesetz gemacht, das es im Juni nach vernichtender Kritik zurückgezogen hatte.

Doch Ministerin Bettina Stark-Watzinger nutzte die Zeit nicht, sondern erfüllt erneut die Versprechen des Koalitionsvertrages nicht. Das verdient die Note erstaunlich. Nun müssen andere wie etwa der Bundestag oder der Bundesrat nachbessern, damit die Rahmenbedingungen für den wissenschaftlichen Nachwuchs spürbar besser werden. Es darf nicht mehr sein, dass Universitäten befristete Stellen halbieren, um so Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler maximal auszubeuten, ohne ihnen eine Perspektive zu bieten. Wenn die Hochschulen mit ihren hehren Bildungsansprüchen nicht in der Lage sind, dies freiwillig zu tun, darf die Politik sich nicht wegducken. Es gibt schon genug Verdrossenheit.


«Frankfurter Allgemeine Zeitung» zur Verteidigung des Baltikums

Dass sich Lukaschenko (.) gewiss zeigt, dass Amerikaner und Deutsche Litauen nicht verteidigen würden, ist mehr als eine Stichelei.

Die Allianz hat ein Glaubwürdigkeitsproblem. (.) Die NATO hat in jüngster Zeit einiges getan, um das Baltikum (.) besser zu sichern. (.) Aber all das wird immer wieder durch die Uneinigkeit infrage gestellt, die sich die politischen Führungen der NATO-Staaten leisten. (.) Es wird in Moskau (.) als Schwäche gelesen, wenn Macron die Entsendung von Bodentruppen in die Ukraine vorschlägt und ihm viele andere NATO-Staaten öffentlich widersprechen. In Deutschland hat sich jetzt die SPD wieder auf diesen abschüssigen Pfad begeben. "Einfrieren" wird in Russland als Zurückweichen verstanden. Mützenich hat keinen Begriff davon, welchen Schaden er mit solchen Äußerungen anrichtet.


«Handelsblatt» zur Bonusreform der Deutschen Bank

Zu komplex, zu intransparent, zu hoch - bei Investoren hat die Vergütungspraxis der Deutschen Bank schon lange einen schlechten Ruf.

Und das Ergebnis gibt den Kritikern recht: Obwohl die Deutsche Bank bei Größe, Börsenwert oder Ertragsstärke längst nicht mehr zur internationalen Spitzenklasse zählt, sind die Gehälter nach wie vor fürstlich, insbesondere im Vorstand. Dass der Aufsichtsrat die Regeln nun reformieren will, ist deshalb ein wichtiger Schritt.


«Münchner Merkur» zu Lindner/Ampelkoalition

Behält Friedrich Merz doch noch Recht mit seiner Weissagung von Neuwahlen im September? Der Kanzler hat jedenfalls jetzt noch mehr Grund, nervös zu sein: Dass sein liberaler Koalitionsfreund Christian Lindner nach der "Wirtschaftswende" jetzt in kategorischem Ton auch noch die "Sozialstaatswende" fordert, darf als Frontalangriff auf die SPD gewertet werden.

Mit seiner richtigen Analyse, die "stark steigenden Sozialausgaben" stünden in Konkurrenz zu anderen epochalen Herausforderungen wie Klimaschutz, Bildung, Infrastruktur und Verteidigung und auch zu den dringend nötigen Entlastungen für arbeitende Bürger und Unternehmen, setzt Lindner der SPD zu Beginn der ohnehin knüppelharten Etatberatungen das Messer auf die Brust. Lindner, dessen FDP zudem ums Überleben kämpft, braucht einen politischen Erfolg. Oder, falls SPD und Grüne ihm diesen nicht gönnen, einen triftigen Grund zur Aufkündigung der Koalition.


«Le Parisien»: Frankreichs Verschuldung schränkt Souveränität ein

PARIS: Zur ausufernden Staatsverschuldung in Frankreich schreibt die französische Tageszeitung «Le Parisien» am Mittwoch:

«Die Verschuldung? «Ab morgen steuere ich gegen!» Alle Kandidaten versprechen das, aber wenn sie einmal Präsident geworden sind, verzichten sie darauf, das Land aus der Abhängigkeit herauszuholen. (..) Finanzkrise, Pandemie, Inflation, an Entschuldigungen mangelt es nicht. Sie wären akzeptabel, wenn während des Rests der Zeit Anstrengungen unternommen würden. Davon ist man aber weit entfernt. Im vergangenen Jahr sind die Ausgaben um 57 Milliarden Euro angestiegen. Das ist nicht überraschend, wenn man weiß, dass 60.000 öffentliche Beschäftigte zusätzlich eingestellt wurden (...).

Dieses Laufen lassen trägt langsam aber sicher dazu bei, dass politische Ankündigungen an Glaubwürdigkeit verlieren und gibt dem Gefühl Auftrieb, dass Wählen nicht mehr viel nützt, da die Macht von der Politik an die Finanzmärkte übergeht. Zu diesem ernsthaften demokratischen Problem kommt ein weiteres: der Verlust an Souveränität. Frankreich hat inzwischen 3000 Milliarden Euro an Schulden angesammelt und hängt zu über 50 Prozent von ausländischen Kreditgebern ab, um diese zu finanzieren.»


«de Volkskrant»: Antisemitismus bei Palästina-Demos muss aufhören

AMSTERDAM: Die niederländische Zeitung «de Volkskrant» kommentiert am Mittwoch antisemitische Ausfälle bei Demonstrationen gegen Israels Vorgehen im Gazastreifen:

«Ob Israel bei der Verfolgung der Hamas-Terroristen zu weit geht, ist längst keine Frage mehr. Selbst die treuesten Verbündeten von Ministerpräsident Netanjahu können nicht mehr die Augen davor verschließen, dass die Gewalt und der Hunger in Gaza in eine Sackgasse führen. Nie zuvor in seiner 75-jährigen Geschichte hat sich Israel in eine solche internationale Isolation manövriert. (...)

Es ist möglich, die israelische Regierung stark zu kritisieren, ohne dabei zum Antisemitismus beizutragen. Viele Pro-Palästina-Demonstranten haben das auch bewiesen. Aber zugleich zeigt eine laute Minderheit inzwischen eine derart starke Tendenz, alles Jüdische in ihren Protest einzubeziehen, dass sie kaum noch behaupten kann, dies sei nicht antisemitisch gemeint.

Die (niederländische) Regierung will am Donnerstag über eine Reaktion darauf beraten. Eine unmissverständliche Aufforderung an die Polizei und die Justiz, dieser Entwicklung entgegenzuwirken, ist das mindeste, was die jüdische Gemeinschaft erwarten kann.»


«The Guardian»: Kurswechsel der USA lässt Israel isoliert dastehen

LONDON: Die Annahme der Resolution des UN-Sicherheitsrates mit der Forderung nach einer Waffenruhe im Gazastreifen wurde erst durch die Stimmenthaltung der USA möglich gemacht. Dazu meint der Londoner «Guardian» am Mittwoch:

«Die Bedeutung dieses Kurswechsels der Biden-Regierung im UN-Sicherheitsrat sollte nicht unterschätzt werden. Die USA sind nicht nur Israels wichtigster Verbündeter und Helfer, sondern haben das Land auch stets diplomatisch unterstützt. Die Tatsache, dass sich die USA der Stimme enthielten, anstatt ihr Veto gegen eine Resolution einzulegen, die einen sofortigen Waffenstillstand fordert - wie sie es zuvor getan hatten -, war eine erhebliche Veränderung und lässt Israel extrem isoliert dastehen, wie die wütende Reaktion Benjamin Netanjahus zeigte. (...)

Die Biden-Administration ist sich sehr wohl bewusst, dass dieser Krieg ihr internationales Ansehen beschädigt: Sie wird nicht nur als mitschuldig am Leid in Gaza angesehen, sondern auch als unfähig, Israels Kriegsführung zu zügeln. Im Inland kostet das den Präsidenten in einem Wahljahr wichtige Unterstützung in seiner Demokratischen Partei. Allerdings meinen mehr Amerikaner, Israels Kriegsführung sei akzeptabel, im Vergleich zu jenen, für die sie inakzeptabel ist, wobei es deutliche Unterschiede zwischen den Generationen gibt.»


«El País»: Der Fall Assange ist ein Kampf für die Pressefreiheit

MADRID: Zur Entscheidung eines Gerichts in London, dass Wikileaks-Gründer Julian Assange nicht direkt an die USA ausgeliefert werden darf, schreibt die spanische Zeitung «El País» am Mittwoch:

«Das mehrdeutige Urteil eines britischen Gerichts zur Auslieferung von Assange an die USA ist auf jeden Fall ein Beweis dafür, dass der Fall gegen den Wikileaks-Gründer einen hohen Anteil an politischer Verfolgung und wenig rechtliche Solidität aufweist. (...) Es ist ein Fall, der zum weltweiten Kampf für die Pressefreiheit geworden ist. (...)

Assanges Frau Stella hat recht, wenn sie ein unvollständiges Urteil anprangert, das den Fall verzögert, ohne ihn endgültig zu lösen. Und sie hat recht, wenn sie die Regierung von (US-Präsident) Joe Biden auffordert, die Anklage fallen zu lassen und die Verfolgung einzustellen. (...) Die aktuelle Anklage gegen den Verleger wegen Spionage und die Forderung nach einer Verurteilung zu 175 Jahren Gefängnis ist nur die politische Rache, die Ex-Präsident Donald Trump einst vorantrieb. Und wenn nicht endgültig Abhilfe geschaffen wird, wird Assanges Auslieferung der schwerste Schlag für die Pressefreiheit seit Jahrzehnten sein.»


«NZZ»: Putin zelebriert Gewalt als Mittel der Politik

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung» kommentiert am Mittwoch die anscheinend bewusst zur Schau gestellten Verletzungen von Tatverdächtigen des Terroranschlags bei Moskau:

«Solche Bilder erscheinen nicht zufällig, sie sind Teil einer Strategie. Moskau setzt auf eine Propaganda der Gewalt, um der Bevölkerung zu zeigen, dass jene, die 139 Menschen ermordet haben, maximal bestraft werden: Auge für Auge. (.) Die Folterpraktiken könnte man als temporären Exzess eines Sicherheitsapparats werten, der machtlos war, den tragischen Anschlag zu verhindern. Doch diese Erklärung greift zu kurz, denn spätestens seit Beginn des Angriffskrieges in der Ukraine setzt Putin öffentlich zelebrierte Gewalt gezielt als Mittel der Innen- und Außenpolitik ein. (.)

Und doch hat die demonstrative rohe Gewalt ihre Tücken. Zum einen provoziert sie Widerstand, wie auch Putin in der Ukraine nach über zwei Jahren Angriffskrieg mit minimalen Resultaten und horrenden Verlusten feststellen muss. Zum anderen schafft sie zwar politisch ein Klima der Angst. Daraus entsteht aber keine Loyalität. Zweckbündnisse mit dem Westen bei der internationalen Terrorbekämpfung können gar nicht erst entstehen. Der alternde Putin wirkt wie ein Getriebener der immer einflussreicheren faschistischen Meinungsführer in der russischen Gesellschaft.»


«Lidove noviny»: Frieden spielt dem Aggressor in die Hände

PRAG: Die konservative Zeitung «Lidove noviny» aus Tschechien schreibt am Mittwoch zu den Kriegen im Gazastreifen und in der Ukraine:

«Wenn der slowakische Ministerpräsident Robert Fico sagt, dass der Ukraine-Krieg keine militärische Lösung habe, weil man eine Atommacht nicht besiegen könne, wird er als Russophiler und Pazifist gebrandmarkt. Doch wenn die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock sagt, dass der Konflikt zwischen Israel und der Hamas keine rein militärische Lösung habe, wird sie dafür gelobt. Das ist bemerkenswert. Während im Falle des Ukraine-Kriegs Frieden als Schimpfwort gilt, wird Frieden beim Krieg gegen die Hamas zum erhofften Ziel. Dabei würde ein sofortiger Frieden in beiden Fällen nur dem jeweiligen Aggressor in die Hände spielen.»


«La Repubblica»: Putin greift zu den krassesten Lügen

ROM: Nach dem Terroranschlag bei Moskau und den jüngsten Schuldzuweisungen der russischen Regierung schreibt die italienische Zeitung «La Repubblica» am Mittwoch:

«Entgegen allen Beweisen wählte Wladimir Putin die ihm genehme Version des terroristischen Anschlags auf die Moskauer Crocus City Hall. Er machte die Ukraine, die Vereinigten Staaten und Großbritannien, «diesen kollektiven Westen» und seinen bewaffneten Flügel, das «Naziregime» in Kiew, das der Zar als seinen unerbittlichen Feind bezeichnete, als Anstifter und Organisatoren dafür verantwortlich. (...) Das Massaker mit dem Krieg zu verbinden, ist eine hinterhältige Art und Weise, die nie ganz zerstreuten Ängste der Russen vor der Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus zu beschwichtigen (...).

Indem er mit dem Finger auf die Ukraine, die Vereinigten Staaten und Großbritannien zeigt, versucht Putin, schließlich zu leugnen, was für ihn eine unannehmbare Realität ist: Nämlich, dass Russland und der Westen in Bezug auf den islamistischen Terrorismus gleich sind (...). Um seine Ziele, insbesondere die massive Offensive gegen die Ukraine, zu erreichen, zögert Putin auch nicht, mit der zynischen Unverfrorenheit, die er in der Schule des KGB gelernt hat - der über eine Abteilung für Desinformation verfügte, den Vorläufer der heutigen Fake News - zu den krassesten Lügen zu greifen.»


«Nesawissimaja: Rationale Argumente bei Debatte um Todesstrafe nötig

MOSKAU: Zur Diskussion in Russland um die Wiedereinsetzung der Todesstrafe nach dem Terroranschlag in einem Veranstaltungszentrum schreibt die Moskauer Tageszeitung «Nesawissimaja Gaseta» am Mittwoch:

«Der Terroranschlag in der Crocus City Hall hat die Gesellschaft erschüttert, und es ist leicht vorstellbar, dass es mehr Befürworter der Abschaffung des Moratoriums auf die Todesstrafe geben wird. Aber niemand hat die rationalen Argumente gegen die Todesstrafe aufgehoben. Dazu gehört auch, dass in Ländern mit Todesstrafe immer noch Verbrechen begangen werden, auch von Terroristen. (...)

Ein rationales Innehalten in dieser Angelegenheit ist notwendig. Inwieweit ist das Justizsystem in Russland für solche Veränderungen bereit? Schließlich erfordert ein Urteil einen unumstößlichen Beweis der Schuld. (...) Auch die Medien sollten frei über Prozesse berichten können. (...) In jüngster Zeit aber ist der Weg vom «Andersdenkenden» und ausländischen Agenten zum Extremisten und Terroristen in Russland sehr kurz, es bedarf nicht einmal des Vorwurfs von Gewaltverbrechen oder dessen Vorbereitung. (...)

Sehr oft zu hören ist dabei die Aufforderung, Russlands Geschichte nicht zu vergessen. (...) Es reicht, sich an die sogenannten Erschießungslisten unter (Diktator Josef) Stalin zu erinnern. Darauf standen Zehntausende von Menschen. Die große Mehrheit von ihnen wurde in den Jahren 1956-1958 rehabilitiert. Der Staat erkannte an, dass sie aus politischen Gründen getötet wurden. Ist das System heute vor einer solchen Konjunktur geschützt, gibt es irgendwelche Garantien?»


Internationale Pressestimmen zum EM-Test gegen die Niederlande

FRANKFURT: Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hat nach dem Sieg gegen Frankreich am Wochenende auch den zweiten großen EM-Test gewonnen. Dazu schreibt die internationale Presse:

«De Volkskrant»: «Manchmal schien es, als ob das Wachsfigurenkabinett in Frankfurt zu Besuch war, so wenig Bewegung war in der Mannschaft. Der Unterschied zwischen den Spielen der Nachbarländer war ungefähr so groß wie der Unterschied zwischen Leben und Tod (...). Der Fußball der Mannschaft, die zum ersten Mal die Farben Rosa und Lila trug, war wie das Leben selbst. Kreativ, nach vorn gerichtet, mit klugen Pässen zwischen den Linien, mit Positionswechseln. (...) Auch bei den Deutschen lief vieles schief, aber die Absichten waren klar. Sie wollten gewinnen. Oranje wollte nicht verlieren.»

«De Telegraaf»: «Ronald Koeman wird in den kommenden Wochen viel tüfteln müssen, um eine EM-Auswahl zu formen, die zumindest als Außenseiter für den EM-Titel nach Deutschland reisen kann. Wie schon gegen Schottland blieben die Niederländer auch in Deutschland weit von ihrer Topform entfernt.»

«AD»: «Oranje glaubte kurzzeitig, mit einem akzeptablen Unentschieden auf die Europameisterschaft hinarbeiten zu können, doch ein Kopfball des eingewechselten Niclas Füllkrug bescherte den Deutschen knapp einen Zentimeter hinter der Torlinie doch noch den Sieg.»

«AS»: «Kroos bringt Deutschland ins Spiel. Die Niederlande waren kein Gegner für Kroos und Deutschland, das sich mit seinem Comeback komplett regeneriert hat und zum Titel-Kandidaten aus eigener Kraft geworden ist.»

«Mundo Deportivo»: «Kroos' Deutschland ist weiter auf dem Weg der Besserung. Deutschland (...) scheint die Krise vom November mit zwei enttäuschenden Niederlagen zumindest vorerst überwunden zu haben.»

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