Zeitungen zum Geschehen am Dienstag

Foto: Pixabay/Gerd Altmann
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«Stuttgarter Zeitung» zu Bahn/GDL

Den harten Kurs wird auch Weselskys Nachfolger beibehalten - schon weil auch er den Erzfeind, die große Gewerkschaftsschwester EVG, ausstechen muss.

Zwischen EVG und Bahn läuft der Tarifvertrag in einem Jahr aus, dann wären auch hier wieder Streiks möglich. Kaum vorzustellen, dass sich die EVG mit weniger als die GDL abspeisen lässt. Auch deshalb gibt es für die Bahnkunden nur bis zum nächsten Frühjahr Entwarnung. In anderen Branchen eskaliert der Streit schon jetzt, auch hier steht die Arbeitszeitverkürzung für Schichtarbeiter ganz oben auf der Agenda. Mit Maximalforderungen à la GDL lassen sich Mitglieder gewinnen. Schon jetzt hat der Fachkräftemangel Verhandlungsposition und Selbstbewusstsein der Arbeitnehmer gestärkt. Insofern ist der Vertrag zwischen Bahn und GDL nicht das Ende harter Tarifauseinandersetzungen, sondern nur ein Zwischenstopp. Nicht nur bei der Bahn gilt künftig: Nach dem Streik ist vor dem Streik.


«Frankfurter Rundschau» zu Einigung im Tarifstreit der Bahn

Endlich haben sich die Spitzen der Deutschen Bahn und der Lokführergewerkschaft GDL geeinigt.

Mit dem Ende des hitzigen Tarifkonflikts haben alle gewonnen: die Fahrgäste, die GDL um Claus Weselsky und auch das Bahn-Management. Es ist ein klassischer Kompromiss. Alle Seiten können Erfolge vorweisen, alle müssen Zugeständnisse machen. Die Gewerkschaft erreicht ihr Maximalziel, die 35-Stunden-Woche. Das Bahn-Management wiederum gewinnt Zeit, Beinfreiheit und auch an Attraktivität. Mit ihr endet eine komplizierte Tarifrunde, die viel von Reisenden und der Wirtschaft abverlangt hat. Durchaus mit guten Gründen, allerdings gelang es der Gewerkschaft im Verlauf der Tarifrunde immer schlechter, in der Öffentlichkeit um Verständnis für ihre Anliegen zu werben. Das kostete Sympathie. Und beflügelte Befürworter:innen einer Einschränkung des Streikrechts. Dabei hat die Auseinandersetzung gezeigt, dass das nicht notwendig ist. Bahn und GDL einigten sich erst, als die Schlichter wieder weg waren.


«Handelsblatt» zu Bahn-Tarifabschluss / 35-Stunden-Woche

In einer dramatisch alternden Gesellschaft von der allgemeinen 35-Stunden-Woche mit Lohnausgleich zu träumen ist illusorisch.

Wer das will, muss sagen, wie durch Einwanderung oder Automatisierung die entstehenden Lücken geschlossen werden sollen. Oder den Menschen erklären, dass die schöne neue Arbeitswelt nur um den Preis von Wohlstandsverlusten zu haben ist. Als kollektiver Freizeitpark kann Deutschland im internationalen Wettbewerb nicht bestehen.


«Washington Post»: Trump hat Anspruch auf ordentliches Verfahren

WASHINGTON: Ein US-Gericht hat dem früheren Präsidenten Donald Trump mehr Zeit für die Zahlung einer Millionenstrafe aus einem Betrugsprozess gegeben und die fällige Kaution reduziert. Dazu schreibt die «Washington Post» am Dienstag:

«Dies mag wie ein weiteres Beispiel dafür wirken, dass Gerichte Trump helfen, einer Strafe zu entgehen, indem sie die Spitzfindigkeiten des Justizsystems ausnutzen. Tatsächlich handelt es sich um eine angemessene Entscheidung, welche potenziell ungerechten Schaden von einem Bürger abwendet, der sich in einem Berufungsverfahren durchsetzen könnte - zumindest, indem die Höhe der gigantischen Strafe, die ihm droht, verringert wird.

Ganz gleich, wie sehr man Trump missbilligt oder sich wünscht, dass seine Ambitionen auf die Präsidentschaft scheitern, jeder Angeklagte hat Anspruch auf ein ordnungsgemäßes Verfahren, einschließlich der Möglichkeit, Berufung einzulegen. (...) Richter und Geschworene irren sich. Die Einlegung einer Berufung sollte nicht faktisch unmöglich oder so teuer sein, dass ein großer und nicht wieder gutzumachender Schaden entsteht, insbesondere dann nicht, wenn ein Angeklagter vor den Berufungsrichtern ein stichhaltiges Argument vorbringen kann, wie es bei Trump der Fall zu sein scheint.»


«Politiken»: Weder Israel noch die Hamas haben jetzt eine Ausrede

KOPENHAGEN: Die liberale dänische Tageszeitung «Politiken» (Kopenhagen) kommentiert am Dienstag den Gazakrieg:

«Der Sicherheitsrat fordert einen Waffenstillstand und die Freilassung der etwa 130 israelischen Geiseln, die die Hamas immer noch in Gaza festhält. Weder Israel noch die Hamas haben jetzt eine Ausrede. Sie sind rechtlich verpflichtet, den Krieg zu beenden und die Geiseln nach Hause zurückkehren zu lassen, und wenn eine der beiden Parteien den Forderungen des Sicherheitsrats nicht nachkommt, offenbart sie ihren mangelnden Willen, Frieden zu schließen.

Damit ein Frieden realistisch ist, bedarf es eines Regierungswechsels auf beiden Seiten. Die Israelis sollten jetzt Wahlen fordern und die Netanjahu-Regierung stürzen, die es nicht geschafft hat, ihr Volk zu schützen, und deren brutale Kriegsführung dem internationalen Ansehen Israels enormen Schaden zugefügt hat. Und die Palästinenser sollten die Möglichkeit erhalten, neue Führer und eine gemeinsame Regierung für das Westjordanland und den Gazastreifen zu wählen. Sowohl Präsident Mahmoud Abbas als auch die Hamas haben viel zu lange in einem zunehmend fragwürdigen demokratischen Mandat gedient. Es ist Zeit für einen Wechsel.»


«Nepszava»: Ungarn sollten von Slowaken Kampf für Demokratie lernen

BUDAPEST: Zum Vorsprung des liberalen Politikers Ivan Korcok nach der ersten Runde der Präsidentenwahl in der benachbarten Slowakei schreibt die linksliberale ungarische Tageszeitung «Nepszava» am Dienstag:

«Seit der Ermordung von Journalisten im Jahr 2018 hat die slowakische Gesellschaft unzählige Male ihr echtes Bedürfnis nach Demokratie und Reife bewiesen. Sie ist auf die Straße gegangen, um demokratische Prinzipien wie die Justizreform, Änderungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs, die Kultur und öffentliche Medien gegen die Übergriffe der Regierung mit konsequenten Protesten zu verteidigen. In der Slowakei gibt es keine Partei, die alles beherrscht und einen unbestreitbaren Anführer hat, sondern es herrscht ein Koalitionszwang, oft mit Streitigkeiten und Kämpfen auf beiden Seiten, der im Gegensatz zur in Ungarn herrschenden öffentlichen Meinung kein Zeichen für Chaos und Schwäche, sondern ein Indikator der Demokratie ist.

Diesmal hat die slowakische Bevölkerung bei den Wahlen ihr «Erwachsensein» bewiesen. Der beliebteste Politiker des Landes, Peter Pellegrini, wurde von den Wählern eindeutig dafür abgestraft, dass er (Ministerpräsident Robert) Ficos Kandidat ist, der dem Vorbild (von Ungarns Ministerpräsident Viktor) Orban folgt. Und die vielen Tausend Menschen, die am Sonntagabend an der Sympathiedemonstration für Korcok teilnahmen, betonten erneut, dass sie die Vorherrschaft der Außenpolitik von Fico-Pellegrini und die Dominanz der Regierung über die öffentlich-rechtlichen Medien verhindern werden oder dies zumindest wollen. Manchmal ist es keine Schande, vom Nachbarn zu lernen - wohl aber, dass die Ungarn wegen des außenpolitischen Wahnsinns und der Anti-EU-Politik der Regierung nie protestiert haben.»


«Lidove noviny»: Kondolenzen an Russland hätten wärmer klingen können

PRAG: Zu den Reaktionen nach dem Terroranschlag bei Moskau vom Freitag schreibt die konservative Zeitung «Lidove noviny» aus Tschechien am Dienstag:

«Mit Russland haben wir nicht die besten Beziehungen. Und doch ist man von einem Ereignis wie dem Terroranschlag bei Moskau menschlich erschüttert. Nach einer solchen Gewalttat geben ausländische Spitzenpolitiker zumeist öffentliche Beileidsbekundungen ab. Und das haben viele von ihnen auch getan, aber langsamer als gewöhnlich. Es herrschten Befürchtungen, dass der russische Präsident Wladimir Putin die Tragödie für seine Ziele instrumentalisieren könnte. (...) Hätten die Kondolenz-Botschaften schneller eintreffen und wärmer klingen sollen? Zweifellos ja, denn wir müssen in einem solchen Fall unterscheiden zwischen dem aggressiven Putin-Regime und den Russen selbst.»


«La Vanguardia»: Israel ist endgültig allein und isoliert

MADRID: Zur Resolution des Weltsicherheitsrats zu einer sofortigen Waffenruhe im Gazastreifen schreibt die spanische Zeitung «La Vanguardia» am Dienstag:

«Es scheint klar zu sein, dass (der israelische Premierminister) Benjamin Netanjahu sich taub stellen und diese Forderung nicht umsetzen wird. Der Krieg in Gaza wird wohl weitergehen. Aber die Resolution hat einen offensichtlichen politischen Preis für Israel, das im Konzert der Nationen jetzt völlig allein dasteht. Die Regierung von (US-Präsident) Joe Biden konnte Israel angesichts der Hungerkrise der palästinensischen Bevölkerung und des Todes von mehr als 30.000 Menschen im Gazastreifen nicht weiter unterstützen. (...)

Netanjahu reagierte auf die gestrige UN-Resolution, indem er einen geplanten Besuch seiner Berater in Washington absagte. Als US-Außenminister Antony Blinken bei einem jüngsten Besuch in Jerusalem darauf drängte, im Rahmen der Verhandlungen mit der Hamas in Katar einen Waffenstillstand auszurufen, antwortete der israelische Premierminister, er habe nicht vor, den Vormarsch auf Rafah zu stoppen. Falls nötig, werde man es allein tun, antwortete er. Nun ja, jetzt ist Israel in seinem nicht enden wollenden Krieg endgültig allein und isoliert.»


«Corriere della Sera»: Westen doppelt gefordert

ROM: Die italienische Zeitung «Corriere della Sera» sieht den Westen am Dienstag nach dem Terroranschlag in Russland vor einer doppelten Herausforderung:

«Der Bombenanschlag in Moskau erinnert uns plötzlich daran, dass internationale Politik in der globalisierten Welt nicht nur eine Angelegenheit von Staaten ist, die untereinander um die Kontrolle von Gebieten und die internationale Hegemonie kämpfen. Der Nebel des islamischen Extremismus, der nie verschwunden war, hat sein Recht auf Teilnahme am Spiel der Mächte eingefordert.

Die Welt wird sehr kompliziert, wenn der klassische Wettbewerb zwischen Staaten mit eigenen Interessen und Ideologien sowie die bewaffneten Aktionen einer «transnationalen» religiösen Bewegung aufeinandertreffen. Der Westen steht vor einer doppelten Herausforderung: Er muss versuchen, im Wettbewerb mit autoritären Großmächten keinen Boden zu verlieren, und er muss sich vor einem Feind schützen, von dem nie klar ist, wo und wann er zuschlagen wird.»


«The Guardian»: Putins paranoides Regime ist gefährlich

LONDON: Nach dem Terroranschlag bei Moskau hat die russische Propaganda versucht, eine Verbindung zwischen den islamistischen Attentätern und der Ukraine zu konstruieren. Dazu meint der Londoner «Guardian» am Dienstag:

«Dieser schamlose Opportunismus könnte als Ablenkungsmanöver oder als Vorspiel für eine neue, erweiterte Offensive in der Ukraine dienen. Am Montag wurde eine weitere Welle von Raketen auf Kiew abgefeuert, als Teil einer offensichtlichen Eskalation der Luftangriffe auf ukrainische Städte. Ob die Desinformation bei den einfachen Russen Wirkung erzielt, ist angesichts der bereits vorliegenden Beweise - darunter ein IS-Video des Angriffs - fraglich. Aber die Vorgehensweise unterstreicht das Ausmaß, in dem die verzerrten Perspektiven von Putins paranoidem Regime zu einer Gefahr für die einfachen Russen und die Bevölkerung der Nachbarstaaten geworden sind. (...)

Nach einem entsetzlichen Anschlag wie dem vom Freitag könnte man erwarten, dass Beweise für ignorierte Warnungen und falsche Prioritäten zu hochkarätigen Entlassungen und Rücktritten führen. Das ist aber nicht die Art und Weise, wie die Dinge in Putins Russland funktionieren. Stattdessen wird der offenbar tödlichste IS-Angriff, der je auf europäischem Boden verübt wurde, wohl zu einer drakonischen Behandlung von Minderheiten führen, die als verdächtig gelten, und zu einer verstärkten Entschlossenheit, einen endgültigen militärischen Sieg in der Ukraine zu erzwingen.»


«de Volkskrant»: USA verlieren die Geduld mit Israel

AMSTERDAM: Zur Annahme der Resolution des UN-Sicherheitsrates mit der Forderung nach einer Waffenruhe im Gazastreifen heißt es am Dienstag in der niederländischen Zeitung «de Volkskrant»:

«Mit ihrer Stimmenthaltung - und damit der Verabschiedung der Resolution - zeigen die Amerikaner, dass ihre Geduld mit Israel so gut wie am Ende ist. Weltweit läuft die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu Gefahr, ihren Kredit zu verspielen.??

Die Zahl der Todesopfer im Gazastreifen ist auf mehr als 32.000 gestiegen, und ein Ende der Kämpfe ist nicht in Sicht. Im Norden droht eine Hungersnot. Israels Ankündigung, in Rafah im äußersten Süden des Gazastreifens einzumarschieren, wird sowohl von der Europäischen Union als auch von den USA als aussichtsloser Plan betrachtet, der katastrophale Folgen für die 1,4 Millionen Palästinenser haben könnte.?

Das Weiße Haus bestritt zwar, dass sich die Haltung der USA gegenüber Israel geändert habe, doch die israelische Regierung sieht das wohl so. In einer wütenden Reaktion ließ Netanjahu den Besuch von zwei seiner Top-Berater in Washington absagen. Die beiden sollten zu Beratungen über den umstrittenen Plan, in Rafah einzumarschieren, nach Amerika kommen. Derweil kündigte Außenminister Israel Katz an, dass die Armee mit der «Vernichtung» der Hamas weitermachen werde wie bisher.»


«NZZ»: Subventionswettlauf kostet viel Steuergeld

ZÜRICH: Zur staatlichen Förderung für den Bau einer Batteriefabrik von Northvolt in Heide in Höhe von 700 Millionen Euro heißt es am Dienstag in der «Neuen Zürcher Zeitung» (Online-Ausgabe)

«Die Aktionäre wird's freuen. Doch in einer Marktwirtschaft sind kommerzielle Investitionen Sache der Unternehmen und ihrer Eigentümer, denen auch die Gewinne daraus zustehen. Aufgabe des Staats hingegen ist es, mit guten Rahmenbedingungen für alle Unternehmen die Voraussetzung dafür zu schaffen, dass Firmen wie Northvolt entstehen und gedeihen können. Deshalb wären die knappen öffentlichen Mittel besser angelegt in Investitionen in Bildung, Forschung oder Infrastruktur statt in selektiven Beihilfen für einzelne Firmen. (.)

Mit Milliardenhilfen für Northvolt, Intel und Co. haben sich Deutschland und die EU auf einen Subventionswettlauf mit China und den USA eingelassen, der viel Steuergeld kostet, langfristig aber kaum zu gewinnen ist. Unternehmen, die einen Standort nur wegen höherer Beihilfen wählen, sind schnell wieder weg, wenn andere mehr bieten. Auch macht sich der Staat erpressbar: Was, wenn Northvolt als Nächstes nach billigerem Strom ruft? Was, wenn ein nächster Batterie- oder Chiphersteller von Deutschland ebenfalls die Übernahme eines bedeutenden Anteils der Investitionskosten für ein neues Werk erwartet?»


«Sydney Morning Herald»: Kluft zwischen USA und Israel ist offiziell

SYDNEY: Zur Kehrtwende der Vetomacht USA, die sich im UN-Sicherheitsrat bei der Abstimmung über eine Resolution zu einer sofortigen Waffenruhe im Gazastreifen enthalten hat, schreibt die australische Zeitung «Sydney Morning Herald» am Dienstag:

«Die zerrüttete Beziehung zwischen US-Präsident Joe Biden und dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu ist nun offiziell, ebenso wie die Isolation Israels auf der internationalen Bühne. Theoretisch haben die USA bei der jüngsten Abstimmung im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen überhaupt nichts gesagt: Sie enthielten sich bei der Abstimmung darüber, ob sie einen sofortigen Waffenstillstand im Krieg Israels mit der militanten Gruppe Hamas unterstützen.

In der Praxis war das Aussitzen aber ein symbolträchtiger Moment, der es dem wichtigsten UN-Forum für Frieden und Sicherheit ermöglichte, seine erste Waffenstillstandsresolution zu verabschieden, seit der Krieg zwischen Israel und der Hamas im Oktober begonnen hat. (...) Die USA haben damit (...) eine seit Monaten offensichtliche Kluft zwischen Biden und Netanyahu formalisiert.»

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