Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Sonntag

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Süddeutsche Zeitung» zur deutschen China-Politik

Bis heute gelingt es der Bundesregierung nicht, sich ihre Fehleinschätzung im Umgang mit China einzugestehen.

In Berlin glaubte man lange, durch wirtschaftliche Beziehungen einen politischen Wandel in Peking bewirken zu können. Inzwischen weiß man, dass dies ein Irrtum war, zieht aber keine Konsequenzen.


«Münchner Merkur» zu Trump/Twitter

Twitter sperrt Trump, und die Welt klatscht.

Doch wenn die Häme abklingt, sollten aufgeklärte westliche Demokratien noch mal gründlich nachdenken, was genau da in der Parallelwelt der Sozialen Netzwerke geschehen ist. Und zwar nicht erst jetzt. Über Jahre hinweg haben sich Tech-Giganten aus primär wirtschaftlichen Interessen gern zu Trumps Machtinstrument gemacht. Für seine Kommunikation, die unermüdlichen Attacken auf das «System», war Twitter unverzichtbar. Und für Twitter war es eine Goldgrube, dass dieser Präsident seine Politik und seine Strukturen über diese Plattform steuerte. Jetzt, nach 56.000 Tweets voll Hass und Hetze, nach der Mobilisierung des Mobs, jetzt, wo der Machtwechsel in den USA besiegelt ist, wenden sich Twitter (auch Facebook, Instagram und andere) von Trump ab. Ach - welch Kaninchen-Mut!.


«La Repubblica»: Privatpersonen verbannen Trump aus sozialen Medien

ROM: Nach der Sperre des Twitter-Accounts des scheidenden US-Präsidenten Donald Trump schreibt die italienische Zeitung «La Repubblica» aus Rom am Sonntag:

«Um zu versuchen, die Bedeutung und den Umfang des sensationellen Ausschlusses von Donald Trump aus den sozialen Medien zu verstehen, aber allen voran von Facebook und Twitter, müssen wir bei der Verwirrung beginnen, die viele verspürten, als diese Sache passierte: Der Präsident, scheidend, aber immer noch der Präsident der Demokratie, der die Meinungsfreiheit auf einen Ehrenplatz in der Verfassung von 1789 stellt; der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, wurde verbannt, sein Wort wurde auf unbestimmte Zeit den globalen Digital-Plattformen entzogen, auf denen sich drei Milliarden Menschen austauschen und informieren.

Verwirrung, die zu Bestürzung wird, wenn wir darüber nachdenken, dass der Ausschluss weder von einem demokratischen Organ getroffen wurde, noch von einer Behörde, und nicht einmal von dem Fake-News-Mechanismus, den Facebook vor einiger Zeit eingerichtet hat, um kontroverse Fälle beizulegen: Es wurde von den jeweiligen Geschäftsführern von Facebook und Twitter vorgenommen. Daumen runter: Vertreibt ihn. Zwei Privatpersonen, die entscheiden, wer reden darf und wer nicht.»


«Sunday Times»: Trump-Bann macht soziale Medien zu Richter und Jury

LONDON: Die Londoner «Sunday Times» hält die Sperrung der Konten von US-Präsident Donald Trump bei Twitter und Facebook für falsch:

«Der Bann ist eine taktische Entscheidung der Plattformen, die sie noch bedauern werden. Donald Trump verbleiben nur noch zehn Tage im Weißen Haus, dann zieht die Karawane weiter. Ex-Präsidenten - selbst solche, die so geräuschvoll wie er waren - verlieren rasch ihren Einfluss. In vier Jahren wird er mit größerer Wahrscheinlichkeit Golf spielen, als dass er ins Weiße Haus zurückkehrt.

Mit dieser Entscheidung haben sich die Plattformen nun allerdings selbst die Pflicht auferlegt, redaktionelle Entscheidungen in einem Ausmaß wie nie zuvor treffen zu müssen. Das ist eine Aufgabe, die sich angesichts der riesigen Menge an Inhalten, die sie hosten, als nahezu unmöglich, ruinös teuer und enorm kontrovers erweisen wird.

Wer wird den Twitter-Test bestehen und wer wird, wie Donald Trump, als inakzeptabel betrachtet? Und werden die Ausgeschlossenen das Recht haben, Berufung einzulegen? Wenn Plattformen sozialer Medien sich selbst als Richter und Jury aufstellen, handeln sie sich Ärger ein.»


«Sonntagszeitung»: Trumps Anhänger nicht mundtot machen

ZÜRICH: Die Schweizer «Sonntagszeitung» beschäftigt sich mit der politischen Aufarbeitung der Erstürmung des Kapitols durch Anhänger von Donald Trump:

«Trumps Abgang wird aber die Ursachen der wachsenden politischen Militanz nicht beseitigen. Hierzu braucht es Schritte der kommenden Regierung. Hilfreich wäre zum Beispiel, wenn Joe Biden die behaupteten Ungereimtheiten bei den Wahlen von einer überparteilichen Kommission untersuchen ließe. Das könnte den Verlierern helfen, verlorenes Vertrauen in die Demokratie zurückzugewinnen.

Im Nachgang des Sturms auf das Kapitol bahnt sich jedoch das Gegenteil an: Die Wahlsieger versuchen, Trump und seine 74 Millionen Anhänger mundtot zu machen. Am Freitagabend sperrte Twitter Trumps Konto, und Google verbannte die App des bei Trump-Fans beliebten Netzwerks Parler aus dem Play Store von Android.

Für Amerika ist das kein gutes Zeichen. Wird politische Rede so rabiat zensiert, treibt das die Menschen in den Untergrund. Ihre Haltungen verlieren sie nicht, womöglich aber ihre Hemmungen, Gewalt anzuwenden.»


«El Mundo»: Spaniens Behörden waren Wintersturm nicht gewachsen

MADRID: Die spanische Zeitung «El Mundo» kritisiert in einem Kommentar am Sonntag die Reaktion der Behörden auf den heftigen Wintersturm «Filomena»:

«Der heftige Schneesturm, der seit Freitag einen großen Teil der Iberischen Halbinsel getroffen hat, war nicht nur absolut ungewöhnlich, sondern übertraf auch alle Wettervorhersagen. Und deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass der Sturm so viel Chaos verursacht hat. Es ist aber auch offensichtlich, dass die Behörden der Aufgabe nicht gewachsen waren. Ein Mangel an Voraussicht und Abstimmung der Zentralregierung mit den betroffenen Regionen hat die Folgen des schlimmen Wetters noch verstärkt.

Es gab keine Notfallpläne, um die Aufrechterhaltung wesentlicher Dienste wie etwa den Krankentransport zu gewährleisten. Der Schneefall über Madrid und einigen anderen Provinzen war historisch, da es so etwas seit Jahrzehnten nicht mehr gab. Und natürlich war es angesichts eines solchen außergewöhnlichen Ereignisses unmöglich, alles unter Kontrolle zu haben und alle Schäden zu vermeiden. Aber das traurige und inakzeptable Gefühl bleibt, dass die Behörden spät und ohne ausreichende Sorgfalt handelten.»


«NZZ am Sonntag»: Trumpismus wird noch lange Bestand haben

ZÜRICH: Mit dem Abgang von Donald Trump sei der Trumpismus noch nicht besiegt, schreibt die «Neue Zürcher Zeitung am Sonntag»:

«Man kann davon ausgehen, dass Trump nichts ins Weiße Haus zurückkehren wird. Seine Person wird für immer mit den Bildern vom Kapitol assoziiert werden. Wer für Trump ist, stellt sich auf die Seite von Chaoten. Damit wollen viele Amerikaner dann doch nichts zu tun haben. Doch selbst wenn diese sich jetzt von Trump abwenden, bleibt immer noch ein riesiges Wählerpotenzial, das bearbeitet werden will.

Deshalb wird auch der Trumpismus noch lange Bestand haben. Als Politik von autoritären Egomanen, die die Klaviatur der sozialen Netzwerke so gut beherrschen, dass ihre Weltsicht unhinterfragt zu den Massen dringt, die ihnen wiederum in ihrer prekären Lebenssituation dankbar folgen. Diese Politik existiert nicht nur in den USA. Man findet sie auch in Ungarn, in Polen, in Italien, überall. Wachsamkeit ist deshalb angesagt und eine konstante Pflege der Rechtsstaatlichkeit, der demokratischen Institutionen und einer Medienwelt, die Pluralität herstellt und Debatten ermöglicht.»

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