Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Sonntag

Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Sonntag

«Süddeutsche Zeitung» zur Türkei

Mit der Umwandlung der Hagia Sophia vom Museum in eine Moschee hat der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan eine Grenze überschritten.

Er zwingt seinem Land - und der Welt - einen Richtungswandel auf, der die moderne Türkei verändern wird. Ob Erdogan dies aus strategischer Überlegung heraus getan hat oder ob er mit dem waghalsigen Schritt nur von seinem innenpolitischen Tief ablenken will - Wirtschaftskrise, Korruption, Corona - , spielt keine Rolle: Das Verhältnis der Türkei zum muslimischen Teil der Welt wird ein anderes sein, geprägt von Applaus und naiver Bewunderung. Aber auch die Beziehungen zu Europa, zur EU und den USA werden sich wandeln, und das leider nicht zum Besseren.


«Handelsblatt» zur Mindestlohn-Empfehlung

Deutschland ist in den vergangenen Dekaden gut mit der Tarifautonomie gefahren.

Dass die Zusammenarbeit von Arbeitgebern und Gewerkschaften trotz der üblichen Kraftmeierei auch jetzt noch gut funktioniert, bestätigt der kluge Vorschlag zum Mindestlohn. Dies mag man als typisch deutsche Konsenslösung bezeichnen. Sie tut keiner Seite weh - und richtig glücklich ist auch niemand damit. Doch genau dies zeichnet meist einen guten Kompromiss aus. Die Politik wäre gut beraten, diesen Vorschlag zu übernehmen.


«The Observer»: Brexit hat Großbritannien in schwierige Lage gebracht

LONDON: Die Londoner Sonntagszeitung «The Observer» kommentiert die Handelspolitik der britischen Regierung:

«Ein Hauptargument - vielleicht gar das Hauptargument - der Brexit-Minister und ihrer Unterstützer war, dass ein von den Fesseln der EU befreites Großbritannien unabhängige, beiderseitig vorteilhafte und respektvolle Handels-, Geschäfts- und Investitionsbeziehungen mit den führenden Mächten der Welt schmieden würde, vor allem mit den USA und China. Vorhersagen, wonach der Austritt aus der EU ganz im Gegenteil Großbritanniens souveräne Kontrolle und Handlungsfreiheit schwächen würde, wurden kurzerhand zurückgewiesen.

Doch in welcher Lage befindet sich Großbritannien nun - sechs Monate nachdem es die EU formal verlassen hat und nur einige wenige Monate vor einem unheilvollen No-Deal-Absturz? Es ist noch ein ganzes Stück von einem wenigstens einfachen Handelsabkommen mit der EU entfernt. Verzweifelt auf einen Deal mit Washington hoffend, schwindet von einem Tag zum anderen seine Fähigkeit, unangenehmen Forderungen der USA zu widerstehen. Donald Trump drängt Großbritannien gar, einen «Treueeid» zu schwören, dass es den USA den Vorzug gegenüber China gibt. Er will die Unterstützung Großbritanniens für sein gefährliches Narrativ vom «neuen kalten Krieg».»


«NZZ am Sonntag»: Noch ein Symbol der säkularen Türkei fällt

ZÜRICH: Die «Neue Zürcher Zeitung am Sonntag» kommentiert die Anordnung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, die Hagia Sophia in eine Moschee umzuwandeln:

«Jahrelang provozierte Erdogan mit der Ankündigung - halb Drohung, halb Versprechen -, die staatliche Museumsstätte in eine Moschee zu verwandeln. Inmitten einer neuerlichen politischen Schwächephase macht er sie wahr. Einen Teil seiner religiös-nationalistischen Wähler wird das erfreuen. Doch was Erdogan den Türken und der Welt nimmt, wiegt ungleich schwerer als sein Wahlkalkül: Mit der Hagia Sophia geht ein neutraler, einzigartiger Ort der Kontemplation verloren, der Christentum und Islam vereinte und niemandem allein gehörte. Nun fällt noch ein Symbol der säkularen Türkei des Republikgründers Kemal Atatürk, der die Hagia Sophia zum Museum machte. Keines der akuten Probleme der Türkei wird aber durch diese Umwidmung in ein Gotteshaus gelöst: nicht die strukturelle Wirtschaftskrise, die Auswanderung der gebildeten jungen Türken, die Dysfunktionalität des Präsidialregimes, die Isolation des Landes, herbeigeführt durch das außenpolitische Abenteurertum Erdogans.»

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