Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Mittwoch

Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Mittwoch

«Tages-Anzeiger»: Misstrauen zwischen Atommächten wächst seit Jahren

ZÜRICH: Der Zürcher «Tages-Anzeiger» kommentiert am Mittwoch die zwischen den USA und Russland begonnenen Gespräche über die Rettung des letzten großen Abrüstungsabkommens:

«Ein neues Wettrüsten wird sich kaum darin äussern, dass Russland oder die USA wieder Tausende neue Sprengköpfe produzieren. Es bemisst sich an anderen Parametern. Das Misstrauen zwischen den beiden Mächten wächst seit Jahren wieder. Beide modernisieren ihre Atomarsenale, beide haben die Schwelle für den Einsatz von Nuklearwaffen gesenkt, entwickeln neuartige Trägersysteme wie Hyperschallgleiter. (...)

Dazu kommt China, das seinen Großmachtanspruch untermauert, indem es nuklear aufrüstet und damit zugleich seine konventionelle Unterlegenheit gegenüber den USA zu kompensieren versucht. (...) Daran zeigt sich, dass eine Multilateralisierung der Rüstungskontrolle dringend nötig wäre. Der Grundgedanke der Trump-Regierung ist also nicht falsch. Er darf nur nicht allein als Vorwand dienen, das letzte bilaterale Abkommen mit Russland untergehen zu lassen.»


«FAZ»: Lufthansa-Großaktionär Thiele will Rettungspaket zustimmen

FRANKFURT/MAIN: Der Lufthansa-Großaktionär Heinz Hermann Thiele will einem Bericht der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» zufolge dem Rettungspaket für die angeschlagene Airline zustimmen. Damit würde dem Einstieg des Staates bei der Fluggesellschaft nichts im Wege stehen. «Ich werde für die Beschlussvorlage stimmen», sagte Thiele der Zeitung.

Thiele könnte als größter Aktionär mit einem Anteil von 15,5 Prozent den Staatseinstieg verhindern. Grund ist die bereits feststehende geringe Beteiligung von weniger als 38 Prozent der Stimmrechte, die Thiele an diesem Schicksalstag der Lufthansa eine Sperrminorität verschafft.

Er stimme gegen die Insolvenz, sagte Thiele der Zeitung, die ihn mit den Worten zitiert: «Es liegt im Interesse aller Lufthansa-Mitarbeiter, dass das Management zügige Verhandlungen mit den Gewerkschaften über die nötige Restrukturierung führen kann.»


«Der Standard»: Sicherheit für Unmündigkeit in Russland

WIEN: Über die von Kremlchef Wladimir Putin vorgeschlagene größte Verfassungsänderung in Russland schreibt die Wiener Zeitung «Der Standard» am Donnerstag:

«Der Kremlchef schlägt den Bürgern quasi die Wiederauflage des Pakts der ersten Putin-Jahre vor: sozialer Wohlstand im Austausch gegen politische Unmündigkeit. Damals hatte der Staat nicht nur die regelmäßigen Zahlungen an die in den 90er-Jahren sträflich vergessenen Pensionisten und staatlichen Angestellten wiederaufgenommen, sondern auch die Bedingungen für ein rasches Wirtschaftswachstum geschaffen - natürlich auch dank Hilfe durch die rapide steigenden Ölpreise. Dafür ließen die Russen Putin politisch gewähren. Keineswegs nur gegen Oligarchen, sondern auch gegen kritische Medien und NGOs.»


«Frankfurter Rundschau» zu Reisen in Zeiten von Corona

Die Gesundheitsminister der Länder haben sich nicht auf einen einheitlichen Umgang mit Reisenden aus den Lockdown-Kreisen einigen können.

Dabei ist eine Lehre aus den ersten Pandemie-Monaten, dass staatliche Beschränkungen wirkungsvoll sind und akzeptiert werden, wenn sie bundesweit gelten. Hinzu kommt: Der Beschluss von Bundesregierung und Ministerpräsidenten, bei Überschreitung der Grenze von 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner einen Lockdown zu verhängen, stammt von Anfang Mai. Es ist blamabel, dass es die Politik nicht geschafft hat, das Problem der Reisenden aus den betroffenen Gebieten eindeutig zu regeln. Mobilität ist kein Randthema. Das erneute Herunterfahren des öffentlichen Lebens trifft die Menschen hart. Sie sind zu Recht sauer, zumal der Ausbruch nicht auf ihr Verhalten zurückzuführen ist, sondern auf ein perverses System einer ausbeuterischen Fleischindustrie, die das Land mit billigen Produkten versorgt.


«Trud»: Corona-Krise zur Bekämpfung der Rezession nutzen

SOFIA: Die bulgarische Zeitung «Trud» sieht am Mittwoch in der Corona-Krise auch positives Potenzial für die Wirtschaft:

«Die (Coronavirus-)Pandemie kann allerdings eine erstklassige Gelegenheit sein, die Rezession zu bekämpfen, die ohnehin im Kommen war. Die ersten statistischen Daten für das erste Quartal 2020 zeigen, dass alle europäischen Volkswirtschaften in der Rezession waren - mit Deutschland an erster Stelle. (...) Die Pandemie ist nun eine Möglichkeit für die Staaten der Europäischen Union, Initiativen einzuleiten, um mit dieser nie da gewesenen wirtschaftlichen Rezession fertig zu werden.»


«De Standaard»: Viele Belgier ignorieren Corona-Schutzvorschriften

BRÜSSEL: Zum Umgang der Belgier mit der Corona-Krise meint die Zeitung «De Standaard» am Samstag:

«Eine Form magischen Denkens macht sich breit. Wenn wir uns nicht mehr um Corona scheren, verschwindet das Virus von selbst. Dass es durchschnittlich nur noch fünf Tote pro Tag gibt, bestärkt uns offenbar darin. Die Wissenschaftler erscheinen immer mehr wie einsame Rufer in der Wüste. Es ist unklar, wieso so viele Belgier sorglos sind.(...)

Es liegt nicht am Nationalcharakter. Sondern daran, dass das Misstrauen zwischen den Belgiern und ihrer Regierung durch die Corona-Krise noch viel offener zutage getreten ist. Dass die Regierung zu viele Befugnisse an sich zieht, ist hier keine Quelle tiefer Besorgnis. Die Regierung ist tödlich geschwächt. Eine App bekommt sie frühestens im Herbst zustande. Und für Tests braucht sie noch immer fast vier Tage. Viele Bürger lassen die von der Regierung beauftragten Mitarbeiter, die Infektionsketten verfolgen sollen, in die Irre laufen. Es kann also nicht verwundern, dass die meisten Belgier strenge Anordnungen der Behörden schwungvoll ignorieren.»


«The Guardian»: Trumps Außenpolitik untergräbt moralische Macht der USA

LONDON: US-Außenminister Mike Pompeo hat europäische Länder vor einem aggressiven Vorgehen Chinas gewarnt. Dazu meint der Londoner «Guardian» am Mittwoch:

«Als Mike Pompeo in der vergangenen Woche beim online übertragenen Demokratiegipfel von Kopenhagen sprach, gab es vieles, worin ihm europäische Spitzenpolitiker zustimmen konnten. Der US-Außenminister kritisierte China scharf - von dessen Umgang mit den Uiguren in Xinjiang und den Demonstranten in Hongkong bis zur Fehlinformation über das Coronavirus, dem Missbrauch von Kreditschulden als Druckmittel gegenüber Entwicklungsländern, arglistigen Cyberattacken und einem zunehmend aggressiven Verhalten an den Grenzen, wie es sich in diesem Monat an den tödlichen Zusammenstößen zwischen chinesichen und indischen Truppen zeigte.

Er drängte die Europäer, «die goldenen Scheuklappen» abzunehmen und über wirtschaftliche Beziehungen hinauszuschauen. Doch die Regierung, der Pompeo dient, hat sich in dieser Beziehung selbst als völlig inkonsequent erwiesen. Trotz einer Außenpolitik, die vor Ort oft zerstörerisch und scheinheilig war, bewahrten viele Menschen überall auf der Welt die Vorstellung von den Vereinigten Staaten als einer moralischen Macht. Donald Trumps zynisches, erratisches und inkompetentes Vorgehen untergräbt dies weiter.»


«La Vanguardia»: Neue Ausbrüche des Virus sind eine Warnung

MADRID: Zum Neuausbruch des Coronavirus in einigen Regionen Europas schreibt die spanische Zeitung «La Vanguardia» am Mittwoch:

«Die Beispiele in (dem spanischen) Huesca, wo vier Bezirke in Phase 2 der Lockerungen zurückgestuft wurden, in Italien, wo gestern ein Dorf abgeriegelt wurde, oder in Deutschland, wo 640 000 Menschen in Nordrhein-Westfalen im Lockdown sind, senden ähnliche Botschaften wie jene, die wir aus China oder Italien bekamen, wenige Tage bevor das Virus sich bei uns in Spanien kräftig ausbreitete. Eine ähnliche Entwicklung wäre ein Desaster, nicht nur aus gesundheitlicher Sicht, sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht (...) Zu viel steht für uns alle auf dem Spiel. Wir können es uns nicht leisten, bei den Lockerungen unvorsichtig zu sein. Die Sicherheitsregeln zu missachten, wie es etwa der serbische Tennisprofi Novak Djokovic getan hat, der skeptisch die Anweisungen aller Ärzte überhört hat, ist nicht nur grob unverantwortlich, sondern kann schlimme Folgen haben.»


«Libération»: Demonstranten gegen Rassismus fordern Würde

PARIS: Zu den Anti-Rassismus Demonstrationen in Frankreich schreibt die Tageszeitung «Libération» (Paris) am Mittwoch:

«Diese Demonstranten mobilisieren sich im Namen der Gleichheit, eines der universellen Prinzipien der (französischen) Republik. Manchmal singen sie auch die (französische Nationalhymne) Marseillaise: Wer würde sich darüber beklagen?

Im Grunde genommen stellen Sie die republikanischen Werte nicht in Frage: Sie fordern, dass sie angewendet werden - oder besser angewendet werden. Wer kann denn sagen, dass sie wirklich angewendet werden? (...) Die breite Masse der neuen und alten Anti-Rassismus Demonstrierenden fordert Würde (...), worauf prinzipiell alle Bürger der Republik ein Recht haben.»


«Magyar Nemzet»: Donald Trump ist ein Freund Ungarns

BUDAPEST: Zu den wachsenden Zweifeln an der Eignung von US-Präsident Donald Trump für eine zweite Amtszeit schreibt die regierungsnahe Budapester Tageszeitung «Magyar Nemzet» am Mittwoch:

«Aus der Perspektive Ungarns wäre es selbstverständlich ideal, wenn Donald Trump die Nummer Eins in Amerika bliebe. (...) Der US-Präsident hat mit der Praxis des liberalen Internationalismus gebrochen und mit der Nichteinmischung in die (ungarische) Innenpolitik das Bündnisverhältnis zwischen den beiden Ländern verbessert. Als er im Vorjahr nach dem Gespräch mit (Ungarns Ministerpräsidenten) Viktor Orban dessen Standpunkt zu den Fragen der illegalen Migration und der nationalen Souveränität als beispielhaft hervorhob, machte er deutlich, dass man die Politik Viktor Orbans in Washington als Gegengewicht zu den Plänen der Föderalisten (in der EU) betrachtet. Wir wiederum sehen nicht zufällig in Donald Trump einen Freund.»


«de Volkskrant»: China will nicht

AMSTERDAM: Die USA und Russland haben Gespräche über eine mögliche Rettung ihres letzten großen Abrüstungsabkommens begonnen. Dazu heißt es am Mittwoch in der niederländischen Zeitung «de Volkskrant»:

«Endlich sprechen die USA und Russland wieder über Atomwaffen. Sie müssen das tun, denn 2021 läuft ihr letzter Vertrag aus. Die Trump-Regierung will einen völlig neuen Vertrag, an dem auch China beteiligt sein sollte. Aber China will nicht. (...) Zum wiederholten Mal hat China wissen lassen, kein Interesse an einer Teilnahme zu haben. Das Land verfügt schätzungsweise über 300 Atomsprengköpfe. Das sind viel weniger als jene der USA und Russlands, die sich mit dem New-Start-Vertrag zur Begrenzung des nuklearen Potenzials verpflichteten, die Anzahl ihrer einsatzbereiten Atomsprengköpfe auf 1550 zu begrenzen und und die Anzahl von Jagdflugzeugen und Trägersystemen auf 700. Chinas Waffenarsenal besteht zudem zum großen Teil aus Systemen für eine kürzere Reichweite und sind auf Regionalmächte wie Japan und Taiwan ausgerichtet.»


«Gazeta Wyborcza»: Trump benutzt Duda zur Bestrafung Merkels

WARSCHAU: US-Präsident Donald Trump will Polens Staatsoberhaupt Andrzej Duda im Weißen Haus empfangen. Dazu schreibt die linksliberale polnische Zeitung «Gazeta Wyborcza» am Mittwoch:

«Die heutige Begegnung von US-Präsidenten Donald Trump mit Andrzej Duda ist ein Treffen von Politikern in Not. Duda hofft auf einen Durchbruch in einer schlechten Phase seiner Wahlkampagne. Und Trump möchte sich nach der Absage des G7-Gipfels wegen der Abneigung Angela Merkels gegen eine USA-Reise und dem Erscheinen des kompromitierenden Buchs von Sicherheitsberater John Bolton endlich mit jemandem zeigen, der ihn schätzt.

Eine klar formulierte Erklärung über die beabsichtigte Einrichtung einer US-Militärbasis (in Polen) wäre ein Erfolg für Duda. Leider wird eine mögliche Verlegung von US-Truppen im Schatten von Trumps Entscheidung stehen, 9500 US-Soldaten aus Deutschland abzuziehen. Dies soll eine Bestrafung der Bundesregierung unter Angela Merkel dafür sein, dass sie zu wenig für Verteidigung ausgibt. Wenn Polen sich aber an der Schwächung der Nato und dazu noch an der «Bestrafung» Merkels beteiligt, dann ist das nicht nur unangemessen, sondern auch illoyal gegenüber unserem wichtigsten europäischen Partner.»


«NZZ»: Rücksichtslose Firmenleitung und ineffiziente Behörden

ZÜRICH: Zum Corona-Ausbruch in einem Fleischbetrieb von Tönnies meint die «Neue Zürcher Zeitung» am Mittwoch:

«Die Sars-CoV-2-Verbreitung im Fleischbetrieb der Firma Tönnies ist ein Paradebeispiel dafür, wie eine rücksichtslose Firmenleitung, aber auch zumindest teilweise ineffiziente Behörden einen richtig grossen Ausbruch überhaupt erst ermöglichen können. Dafür zahlen nun alle Menschen im Kreis Gütersloh einen inakzeptabel hohen Preis, wirtschaftlich wie gesellschaftlich.

Der am Dienstag verhängte Lockdown ist angesichts der hohen Zahl von über 1500 Infizierten unvermeidlich. Dabei hätte er durchaus verhindert werden können. Und zwar einfach, indem man den wissenschaftlichen Fakten geglaubt und den Vorgaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) bereits im Mai Folge geleistet hätte. (...) Man muss gerade in Schlachthöfen penibel darauf achten, dass man infizierte Personen schnell identifiziert. Doch bei Tönnies ist offenbar genau das Gegenteil passiert: Infizierte waren Firmenleitung, Subunternehmen und allem Anschein nach auch den lokalen Behörden egal.»

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