Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Freitag

Zeitungen kommentieren das Weltgeschehen am Freitag

«Tages-Anzeiger»: Bolton macht Nähe zu Trump zu Geld

ZÜRICH: Zum Enthüllungsbuch des ehemaligen US-Sicherheitsberaters John Bolton schreibt der Zürcher «Tages-Anzeiger» am Freitag:

«Um Trumps Außenpolitik steht es noch schlimmer, als ohnehin schon jeder wissen musste, der diese Präsidentschaft auch nur mit der geringsten kritischen Distanz verfolgt hat. Bolton lässt Trump in mancherlei Hinsicht schlecht aussehen, er unterstreicht seine Ignoranz und seinen Mangel an Impulskontrolle. (...)

All dies macht aus John Bolton noch lange keinen Helden. Wenn der außenpolitische Hardliner über die Vorgänge in Trumps Weißem Haus tatsächlich so erschüttert war, wie er nun vorgibt, hätte er schon viel früher und unter Protest von seinem Amt zurücktreten können - dann nämlich, als er in Trumps Kreisen noch Einfluss genoss. (...) Statt seine Nähe zum Präsidenten zu nutzen, um ihm Grenzen zu setzen, machte er diese Nähe zu Geld.»


«Trud»: Der Niedergang des Westens

SOFIA: Die bulgarische Zeitung «Trud» befasst sich am Freitag mit dem wirtschaftlichen und sozialen Zustand der westlichen Welt:

«Heute brennt der Westen. Doch nicht etwa wegen Anti-Rassismus-Protesten oder Ungleichheiten - die sind eine Folge von etwas Wichtigerem. Wir sind nun Zeugen einer Entwicklung, die etwa nach dem Beginn des Ersten Weltkriegs begann, die mutig als «Niedergang der westlichen Zivilisation» zusammengefasst werden kann. Es ist ein Niedergang in der wichtigsten und bestimmenden Hinsicht - der geistig-kulturellen. Daraus folgt unausweichlich und unbedingt ein Einsturz in sozial-wirtschaftlicher Hinsicht - von Einkommen, (Lebens-)Standard, Sicherheit - einfach weil die Ideen unser Leben bestimmen, und nicht umgekehrt, wie der wohl nicht unbekannte «Philosoph der Geschichte» Karl Marx behauptet.

Heute sehen wir mit unseren Augen die Zerstörung des Systems der Arbeitsteilung und Schutz des Privatbesitzes, die in der Renaissance und in der Ära der Industrierevolution zur allgemeinen Prosperität und Überwindung der Armut von Hundertmillionen Menschen in der westlichen Welt geführt haben.»


«Rzeczpospolita»: Duda sucht in Washington internationalen Glanz

WARSCHAU: Kurz vor der Präsidentenwahl in Polen will Amtsinhaber Andrzej Duda in Washington mit US-Präsident Trump über die Aufstockung amerikanischer Truppen sprechen. Die konservative polnische Zeitung «Rzeczpospolita» meint dazu am Freitag:

«Als Folge des Dauer-Streits der PiS mit der EU braucht Andrzej Duda nicht nach Brüssel oder nach Berlin zu reisen, von Paris ganz zu schweigen. Keiner der dortigen Führer möchte (ihm) ein politisches Geschenk machen. Um in der Wahlkampagne ein wenig internationale Politur zu bekommen, muss Duda daher bis nach Washington reisen. Zu einem Politiker, der während der Unruhen gegen Polizeigewalt, Rassismus und soziale Ungerechtigkeit auf brutale Weise eine friedliche Demonstration (...) auflösen ließ, um sich vor einer Kirche fotografieren zu lassen. Wird dem polnischen Wähler ein Bild von Trump und Duda, die in die Kameras lächeln, so wichtig erscheinen?

Es könnte auch sein, dass es andere Bilder von diesem Ausflug geben wird. Zum Beispiel Demonstrationen von Vertretern der LGBT-Szene, die gerne herausschreien wollen, was sie von der Hass-Sprache halten, die von der Umgebung unseres Staatschefs ausgeht. Dieser hat nicht einmal versucht, sich für diese Äußerungen zu entschuldigen. Man hat eben solche Partner, wie man sie sich selbst sucht.»


«El País»: Sicherheit der Urlauber ist entscheidend

MADRID: Die spanische Zeitung «El País» schreibt in einem Kommentar am Freitag zu dem milliardenschweren staatlichen Hilfspaket für die Tourismusbranche des Landes:

«Die Regierung wird 4,25 Milliarden Euro zur Unterstützung einer Branche auf den Tisch legen, die seit mindestens eineinhalb Monaten vollständig gelähmt ist und die einer bestenfalls mittelmäßigen Sommersaison entgegensieht. Geschätzte Umsatzeinbußen von 80 Milliarden Euro durch die Pandemie vermitteln - selbst wenn sie leicht übertrieben sein mögen - eine Vorstellung vom Ausmaß des Schadens, den eine Branche erleidet, die rund zwölf Prozent des BIP erwirtschaftet.

Im Einzelnen kann das Hilfsprogramm noch nicht bewertet werden, da nicht alle Details bekannt sind. Aber das generelle Ziel scheint richtig definiert zu sein. Der entscheidende Faktor für die Erholung des Tourismus ist die Gewährleistung der Gesundheit der Urlauber. Ohne diesen Schritt wird der Rest der Maßnahmen fehlschlagen.»


«Lidove noviny»: Coronavirus verschwindet nicht einfach

PRAG: Die konservative Zeitung «Lidove noviny» aus Tschechien schreibt am Freitag zur Entwicklung der Coronavirus-Pandemie:

«Vor 75 Jahren endete der Zweite Weltkrieg mit der Kapitulation Deutschlands. Ab dem 8. Mai 1945 herrschte in Europa Frieden. Wenn jemand gedacht haben sollte, dass es mit Corona genauso ist, dann hat er sich geirrt. Es ist nicht so, dass das Virus von einem Tag auf den anderen die Kapitulationserklärung unterzeichnet, die Menschen ihre Mundschutzmasken abnehmen können und sich umarmen, die Kneipen die ganze Nacht über geöffnet bleiben und die Massen wieder auf Festivals strömen. Selbst wenn die Epidemie unter Kontrolle scheint, drohen noch immer neue Infektionsherde. Die Gesundheitsämter können zwar die Infektionsketten zurückverfolgen. Doch sie können nicht verhindern, dass jemand, der sich unwohl fühlt, dennoch mit seinen Kameraden Hockey spielen geht. Es sind solche Banalitäten, die zu neuen Clustern führen.»


«La Repubblica»: Der Effekt von Wuhan und Tschernobyl

Rom (dpa) - Zur Reaktion der chinesischen Behörden auf den Ausbruch des Coronavirus schreibt die italienische Zeitung «La Repubblica» am Freitag:

«Es ist der Tschernobyl-Effekt: Bürokratien neigen dazu, ihre Fehler zu verbergen. Und die Bürokratien autoritärer Regime noch mehr. Dies war zum Beispiel die erste Reaktion der sowjetischen Diktatur 1986, als das Kernkraftwerk in Tschernobyl explodierte. Durch die Explosion wurde radioaktives Material in der Sowjetunion und in Teilen Europas bis nach Kanada verbreitet. Alles scheint darauf hinzudeuten, dass die chinesische Regierung nach dem Prinzip des Tschernobyl-Effekts handelte, als bereits offensichtlich war, dass in Wuhan etwas Ernstzunehmendes, Großes und Neues geschah: Mit der Verschleierung des Problems.»


«Dagens Nyheter»: Reine Zuschüsse sind schlechte Corona-Medizin

STOCKHOLM: Die liberale schwedische Tageszeitung «Dagens Nyheter» (Stockholm) kommentiert am Freitag die Verhandlungen über die Corona-Hilfen der EU:

«Beim von der EU vorgeschlagenen Corona-Fonds geht es darum, welchen Weg die Union in Zukunft einschlagen wird und welche Anreize sie Unternehmen und Ländern gibt, um kluge wirtschaftliche Beschlüsse zu treffen. Der Fonds sollte Unterstützung nicht ohne Bedingungen ausgeben. Es ist nicht richtig und angemessen, Geld bedingungslos beispielsweise an Italien zu geben, das bereits vor der Pandemie schwere wirtschaftliche Probleme hatte, und sich Rom dann selbst um die öffentlichen Finanzen kümmern zu lassen. Die EU-Steuerzahler sollen die Italiener finanzieren, aber keinen Blick darauf haben, wie dieses Geld verwendet wird.»


«Diena»: Europa macht sein eigenes Ding

Riga (dpa) - Die liberale lettische Tageszeitung «Diena» meint am Freitag zu den transatlantischen Beziehungen:

«Europa hatte weder die Absicht, sich während der Obama-Präsidentschaft für die Bestrebungen und Interessen der USA zu opfern, noch beabsichtigt es, dies während der Trump-Präsidentschaft zu tun. Und gleiches gilt auch, sollte der demokratische Kandidat Joe Biden in das Weiße Haus einziehen. Stattdessen versuchen Berlin und Paris eindeutig, eine zunehmend unabhängige Außenpolitik zu verfolgen und zugleich ihre Abhängigkeit von den Vereinigten Staaten zu verringern. Mit Blick auf den Streit zwischen den USA und China wird definiert, dass Europa neutral bleibt und weiterhin Beziehungen zu beiden Seiten unterhält. Oder, vereinfacht ausgedrückt, nur das zu tun, was für Europa gut ist.»


«Nesawissimaja»: Repressionen in Belarus vor Präsidentenwahl

MOSKAU: Zur Inhaftierung von Gegnern des Präsidenten Alexander Lukaschenko in Belarus vor der Wahl am 9. August schreibt die russische «Nesawissimaja Gaseta» am Freitag:

«In Belarus gehen die Repressionen weiter - gegen die Anwärter auf den Posten des Staatschefs, gegen ihre Berater und die Aktivisten. Nun ist der wichtigste Herausforderer von Präsident Alexander Lukaschenko, der Ex-Bankier Viktor Babariko, ins Visier der Sicherheitskräfte geraten. Seine Konten sind gesperrt, und er sitzt in Untersuchungshaft (.) Schon vorher wurde der populäre Blogger und Autor des Youtube-Kanals «Ein Land zum Leben», Sergej Tichanowski, neutralisiert.

Alexander Lukaschenko geht in diese Präsidentenwahl als der Verteidiger der Unabhängigkeit von Belarus. Beschützen will er sein Land vor allem vor Russland. Deshalb nennt er seinen wichtigsten Herausforderer Babariko auch einen Kandidaten Russlands, auf den russische Oligarchen setzten, um nach der Wahl das ganze Land zu kaufen.»


«de Volkskrant»: Trump First statt America First

AMSTERDAM: Ex-Sicherheitsberater John Bolton rechnet in einem Buch mit Präsident Donald Trump ab. Dazu meint die niederländische Zeitung «de Volkskrant» am Freitag:

«Es war stets seltsam, was die beiden aneinander fanden. Bolton ist ein entschiedener Befürworter militärischen Eingreifens, wenn es den Interessen der USA dient, während Trump nichts von Interventionen wie jener im Irak hält - seines Erachtens eine «Dummheit». Doch in einem Punkt stimmten die beiden rührend überein: America First! Unter diesem Motto zog Trump Amerika aus dem Klimaabkommen, aus Abrüstungsverträgen und aus dem Atomdeal mit dem Iran zurück. Doch letzendlich verstand Bolton, dass diese Politik in Wirklichkeit hinauslief auf Trump First.»


«NZZ»: Weißes Haus versucht Bolton zu diskreditieren

ZÜRICH: Zum Enthüllungsbuch des ehemaligen US-Sicherheitsberaters John Bolton schreibt die «Neue Zürcher Zeitung» am Freitag:

«Viele dieser Anekdoten werden informierten Lesern in den Grundzügen bekannt vorkommen. Das Weiße Haus wiederum wird versuchen, den Autor als frustrierten Bürokraten zu porträtieren, sind doch die Ideen und Vorstöße des langjährigen Sicherheitspolitikers selbst in seiner eigenen Partei nicht mehrheitsfähig. Es sei geradezu «niedlich», spottete die Trump-Beraterin Kellyanne Conway am Mittwoch, wie die im Weißen Haus versammelte Journalistenschar nun John Bolton unterstütze - nachdem die Hauptstadtpresse ihn lange Jahre als Kriegstreiber bezeichnet hatte.»

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