Argentinier wählen neuen Präsidenten

​Weiter so oder Kurswechsel 

Wahlen zur Legislative in Argentinien. Foto: epa/Enrique Garcia Medina
Wahlen zur Legislative in Argentinien. Foto: epa/Enrique Garcia Medina

BUENOS AIRES: In der entscheidenden Stichwahl geht es um die Zukunft der zweitgrößten Volkswirtschaft Südamerikas, deren Bürger unter hoher Inflation, Armut und Schulden leiden. Das Land steht am Scheideweg: Ein selbst ernannter «Anarchokapitalist» will Argentinien eine Radikalkur verordnen.

Inmitten einer schweren Wirtschaftskrise haben die Argentinier einen neuen Präsidenten gewählt. Bei der Stichwahl am Sonntag trat Wirtschaftsminister Sergio Massa von der linken Regierungskoalition gegen den libertären Populisten Javier Milei an. In den jüngsten Umfragen lagen die beiden fast gleichauf.

«Wir entscheiden darüber, in welchem Land wir in den kommenden Jahren leben werden», sagte Massa nach seiner Stimmabgabe am Sonntag. Rund 35 Millionen Menschen waren zur Wahl aufgerufen. Es herrscht Wahlpflicht. Der amtierende Staatschef Alberto Fernández sagte in der Hauptstadt Buenos Aires: «Wir müssen die Demokratie respektieren und bewahren.»

Argentinien steht vor einer echten Richtungsentscheidung: Während Wirtschaftsminister Massa für eine Fortsetzung der Regierungspolitik mit starken Eingriffen des Staates in die Wirtschaft steht, verspricht er selbst ernannte «Anarchokapitalist» Milei eine radikale Kehrtwende: Er will den US-Dollar als gesetzliches Zahlungsmittel einführen, die Zentralbank sowie viele Ministerien abschaffen und die Sozialausgaben radikal kürzen.

«Niemand mit so extremen Ansichten in Wirtschaftsfragen ist je zum Präsidenten eines südamerikanischen Landes gewählt worden», sagte der Ökonom Mark Weisbrot vom US-Forschungsinstitut Center for Economic and Policy Research. «Er erkennt kaum eine legitime Rolle der Regierung in einigen der wichtigsten Politikbereiche an, die die meisten Menschen als notwendig für eine demokratische, humane und stabile Gesellschaft ansehen.»

Die von Milei geplante Radikalkur kommt vor allem bei jungen Leuten gut an. Viele kennen nur ein Leben im ständigen Krisenmodus, sind vom politischen Establishment enttäuscht und wollen einen Neuanfang.

Regierungskandidat Massa hingegen dürfte die bisherige Politik mit massiven staatlichen Eingriffen in die Wirtschaft und umfangreichen Sozialprogrammen grundsätzlich fortsetzen. Zuletzt griff er tief in die Staatskasse, um die Wähler bei Laune zu halten. Er ordnete massenhafte Neueinstellungen im öffentlichen Dienst an, genehmigte höhere Freibeträge bei der Einkommensteuer und gewährte Einmalzahlungen für Angestellte und Pensionäre. Medienberichten zufolge pumpte Massa in den vergangenen Monaten umgerechnet mehrere Milliarden Euro in die Wirtschaft, rund 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Der Mitte-links-Politiker schürte zuletzt die Angst vor einem sozialen Kahlschlag, sollte sein Rivale Milei die Wahl gewinnen.

Die zweitgrößte Volkswirtschaft Südamerikas steckt in einer tiefen Wirtschaftskrise. Die Inflationsrate liegt bei über 140 Prozent, rund 40 Prozent der Menschen in dem einst reichen Land leben unterhalb der Armutsgrenze. Argentinien leidet unter einem aufgeblähten Staatsapparat, geringer Produktivität der Industrie und einer großen Schattenwirtschaft, die dem Staat viele Steuereinnahmen entzieht. Die Landeswährung Peso verliert gegenüber dem US-Dollar immer weiter an Wert, der Schuldenberg wächst ständig.

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Norbert Kurt Leupi 20.11.23 13:00
Exzentriker gewinnt die Wahl
Aber so lang er keine Mehrheit im Parlament hat , kann der Anarchokapitalist und Trumpanhänger mit seiner Kettensäge keinen grösseren Schaden anrichten . als das Land schon hat ! Noch schlimmer als er , wird seine
ultra-konservative Vizepräsidentin sein , eine Anhängerin der ehemaligen Militärjunta und Tochter eines Offiziers ! " Muchas veces , la nueva idea inicil se acaba perdiendo en caos " !