Selenskyj verspricht Rückholung der Krim

Die Nacht im Überblick

Am Strand von Saky steigt Rauch nach einer Explosion auf. Auf der von Russland annektierten ukrainischen Halbinsel Krim im Schwarzen Meer ist Munition auf einem russischen Luftwaffenstützpunkt explodiert. Foto: Uncredited
Am Strand von Saky steigt Rauch nach einer Explosion auf. Auf der von Russland annektierten ukrainischen Halbinsel Krim im Schwarzen Meer ist Munition auf einem russischen Luftwaffenstützpunkt explodiert. Foto: Uncredited

KIEW: Seit 173 Tagen wehrt sich die Ukraine gegen die russische Invasion. Der ukrainische Präsident Selenskyj forderte die Russen auf, gegen den Krieg zu protestieren: Wer schweige, sei mitschuldig. Ein Überblick zum Geschehen in der Nacht und ein Ausblick auf den Tag.

Die Ukraine kann im Streit um das russisch besetzte Atomkraftwerk Saporischschja auf die breite Unterstützung westlicher Staaten zählen. 42 Länder und die EU veröffentlichten in Wien eine Erklärung, in der sie den sofortigen Abzug der russischen Truppen von dem Kraftwerk und eine Rückgabe der Kontrolle an die Ukraine forderten. In der Stadt Enerhodar, die direkt an dem AKW liegt, schlugen wieder Artilleriegeschosse ein. Die Ukraine und Russland werfen sich seit Wochen gegenseitig vor, Europas größtes Kernkraftwerk zu beschießen und damit eine atomare Katastrophe heraufzubeschwören.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj rief die Bevölkerung Russlands auf, ihre Stimme zur Unterstützung der Ukraine zu erheben. «Das Böse findet in einem solchen Maßstab statt, dass Schweigen einer Mitschuld gleichkommt», sagte er in seiner Videoansprache am Sonntag. Russland hat die Ukraine am 24. Februar angegriffen und führt den Krieg immer weiter. Aussichten auf eine Verhandlungslösung gibt es derzeit nicht. Die Ukraine wehrt sich am Montag den 173. Tag gegen die Invasion.

42 Länder fordern Abzug russischer Truppen aus AKW

«Die Stationierung von russischen Militärs und Waffen in der Atomanlage ist inakzeptabel», hieß es in der Wiener Erklärung zu Saporischschja vom Sonntag. Sie war im Namen der Europäischen Union und ihrer Mitgliedsländer unterzeichnet worden, aber auch von Staaten wie den USA, Großbritannien, Norwegen, Australien, Japan oder Neuseeland. Russland verletze die Sicherheitsprinzipien, auf die sich alle Mitgliedsländer der Internationalen Atomenergie-Behörde (IAEA) verpflichtet hätten.

Die Kontrolle über das AKW müsse den befugten ukrainischen Behörden übergeben werden. Dann wiederum könnten Experten der IAEA zeitnah ihre Aufsichtspflicht über die Arbeit der Ukrainer wahrnehmen. Eine IAEA-Mission in das Kernkraftwerk ist bislang nicht zustande gekommen. Ein Streitpunkt ist angeblich, ob die Experten über ukrainisch oder russisch kontrolliertes Gebiet anreisen.

Die 42 Länder stellten sich hinter die IAEA und deren Direktor Rafael Grossi. Dieser bemühe sich um die Sicherheit der ukrainischen Atomanlagen und respektiere dabei die «volle Souveränität der Ukraine über ihr Territorium und ihre Infrastruktur». Dies lässt sich als Hinweis auf eine Anreise über ukrainisches Gebiet verstehen.

Nach Artilleriebeschuss unbekannter Herkunft auf ein Wohnviertel von Enerhodar am Sonntag berichteten die russische und die ukrainische Seite übereinstimmend von einem getöteten Zivilisten. Der Mann sei Mitarbeiter im AKW gewesen, teilte der Kraftwerksbetreiber Enerhoatom mit. Zwei weitere Bewohner der Stadt seien verletzt worden.

Selenskyj an Russen: Wer schweigt, macht sich mitschuldig

«Wenn Sie die russische Staatsbürgerschaft haben und schweigen, bedeutet dies, dass Sie nicht kämpfen, was bedeutet, dass Sie das unterstützen», sagte Selenskyj in Kiew. Im Unterschied zu früheren Appellen an die Bevölkerung des kriegführenden Nachbarlandes sprach der Präsident sie aber nicht auf Russisch, sondern auf Ukrainisch an.

Umfragen zufolge unterstützt eine Mehrheit der Russen den Kurs von Präsident Wladimir Putin. Die Aussagekraft ist aber unsicher. Offene Kritik am Krieg wird vom russischen Machtapparat streng bestraft. In vielen EU-Ländern, vor allem im Osten, wird die Forderung lauter, Russen keine Visa mehr für Reisen in die EU zu erteilen.

Russische Armee rückt im Donbass vor

Nach Angaben des ukrainischen Generalstabs hat die russische Armee Geländegewinne bei der seit Tagen angegriffenen Kleinstadt Bachmut im Donbass erzielt. Im Kiewer Lagebericht war von einem «teilweisen Erfolg» der Russen die Rede. An anderen Stellen seien Angriffe abgewehrt worden, so bei dem Ort Pisky außerhalb von Donezk. Mit starken Stellungen bei Pisky hat die ukrainische Armee seit 2014 verhindert, dass die prorussischen Separatisten von Donezk den zerstörten Flugplatz der Stadt reparieren und militärisch nutzen.

Fast alle Orte entlang der Frontlinie im Osten lagen unter russischen Feuer. Nach Einschätzung westlicher Militärbeobachter kommt der Angriff im Donbass langsamer voran als noch vor einigen Wochen.

Weitere Getreideschiffe auf dem Weg

Der erste Getreidefrachter im Auftrag der Vereinten Nationen hat den ukrainischen Hafen Piwdennyj verlassen und ist mit Weizen für Afrika unterwegs. Das Welternährungsprogramm der UN (WFP) habe den Frachter «Brave Commander» gechartert, teilten die Behörden des Gebietes Odessa mit. Die 23.000 Tonnen Weizen sind nach UN-Angaben für Äthiopien bestimmt.

Die UN und die Türkei hatten Ende Juli Vereinbarungen vermittelt, dass die Ukraine trotz des russischen Angriffskrieges wieder Getreide über ihre Schwarzmeerhäfen ausführen kann. Seit Anfang August haben mehr als ein Dutzend Frachter ukrainisches Getreide abtransportiert. Allerdings waren die ersten Transporte kommerziell.

Die UN befürchten Lebensmittelknappheit und Hunger in armen Teilen der Welt, wenn die Ukraine als ein wichtiger Getreidelieferant ausfällt. Die Schiffe und ihre Fracht werden jeweils bei der Durchfahrt durch die türkische Meerenge Bosporus kontrolliert. Am Sonntag erhielten dort zwei Schiffe die Genehmigung zur Fahrt in die Ukraine, drei weitere sollen am Montag kontrolliert werden.

Das wird am Montag wichtig

Russlands Präsident Putin besucht in der Nähe von Moskau die internationalen Armee-Spiele. Der Wettbewerb zwischen Soldaten aus Russland und aus befreundeten Ländern ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Putin wird nach Angaben des Kremls auch die militär-technische Ausstellung «Army-2022» besuchen.

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Guenter Scharf 17.08.22 17:50
Wolfsburg und Gifhorn
@michael wob, 10.08.22, 18:00: Da habe ich ja 23 Jahre lang nur hut 20 km entfernt von dir gewohnt - in Gifhorn. Dann hat's mich für 42 Jahre nach Bremen getrieben (200 km weg). Und 2019 dann nach Phuket/Thailand (gut 9.000 km weg).
TheO Swisshai 15.08.22 07:10
@Marco Polo & @Michael / Angriffskrieg
Glauben Sie etwa die NATO oder die Ukraine hätten eines Tages Russland angegriffen?
Laredo 15.08.22 04:27
@Marco Polo
Schon mal was vom Budapester Memorandum gehört?
Die Ukraine, Belarus und Kasachstan besassen nach dem Zerfall der Sowjetunion haufenweise Atomwaffen. Die Ukraine war Anfang der 1990er-Jahre faktisch die drittgrößte Atommacht der Welt. Der Verzicht auf Atomwaffen im Gegenzug zu Sicherheitsgarantien: Das war Inhalt des "Budapester Memorandums" 1994. Auch Russland sagte damals der Ukraine eine Achtung seiner Souveränität zu. Gleichzeitig sperrte sich Russland gegen die NATO-Osterweiterung.
Boris Jelzin befürchtete damals in Budapest 1994, dass die NATO-Osterweiterung die Demokratie in Russland gefährde. Drei Jahre später allerdings erkennt Russland das Recht der osteuropäischen Staaten auf eine NATO-Mitgliedschaft an.
Also ist die damalige Vereinbarung "keine Erweiterung der NATO in Richtung Osten" von Russland selber ausser Kraft gesetzt worden.
Fakt ist, Russland brach mit dem Einfall in die Ukraine sein eigenes Wort! Und das schon bei der Besetzung der Krim!
Noch was zu Atomwaffen ... egal wo und in in welchen Massen die stationiert sind, in einem Atomkrieg gibt es keine Gewinner, nur Verlierer! Dabei ist völlig piepegal, wer den ersten Schuss gehabt hat. Das weiss auch Putin ... von daher mit A-Waffen zu drohen ... pffft.
Marco Polo 13.08.22 23:22
Beitritt weiterer Staaten in die Nato
Günther Scharf: es geht sich nicht darum den Länder den Beitritts-Wunsch abzusprechen sondern die Länder daraufhinweisen, dass es eine Vereinbarung mit Russland gibt, dass es keine Erweiterung der NATO Richtung Osten gibt. Diese Vereinbarung und Zusage an Russland gibt es und dann kann man weitere Länder nicht aufnehmen. Warum sollte das Russland akzeptieren? Akzeptiert die USA eine Militärische Station der Russen auf Kuba? Nein warum soll Russland denn alles einfach hinnehmen müssen. Die USA würde umgehend mit Kreig Drohnen.
Derk Mielig 11.08.22 17:10
@Franke
Der Krieg begann 2014 mit der Besetzung der Krim, also mit der Besetzung eines souveränen Staates.
Was für Sie offensichtlich ist, muss nichts mit der Realität zu tun haben.
Jürgen Franke 11.08.22 16:00
Mielig, offensichtlich ist Ihnen nicht
bekannt, wann dieser Krieg tatsächlich begann. Information ist nicht Ihre Stärke. Erfreulich Ihre deutlichen Worte der USA-Aktivitäten.
Derk Mielig 11.08.22 14:50
@Franke
Ich muss mich über die kriegerischen Aktivitäten der USA nicht informieren, denn mir sind die Schweinereien bekannt. Allerdings hat das kaum etwas mit der Situation in der Ukraine zu tun.
Und weil Sie ja scheinbar so gut informiert sind, wiederhole ich noch einmal meine Frage, seit wann ist es legitim, ein Land zu überfallen, weil es seine Souveränität in Anspruch nehmen könnte?
Derk Mielig 10.08.22 22:10
@Franke
Das Sie den Kommentar nicht überblicken können, wird niemanden verwundern. Was soll daran mutig sein, solchen Quatsch zu behaupten, dass ist im wohlwollensden Sinne verrückt, oder schlimmeres. Und seit wann ist es legitim, ein Land zu überfallen, weil es seine Souveränität in Anspruch nehmen könnte?
Jürgen Franke 10.08.22 21:30
Lieber Michael, Du hast viel Mut für
Deine Aussage um 16"10 benötigt. Personen, die sich mit der amerikanischen Außenpolitik auskennen, werden Dir auch zustimmen. An der Produktion von Waffen für Kriege verdienen die USA reichlich. Wenn Kriegsgebiete fluchtartig verlassen werden müssen, bleibt Kriegsgerät zurück.
Guenter Scharf 10.08.22 18:00
Atomwaffen in der Ukraine? Reine Spekulation!
@michael, 1ü.08.22, 17:20:
1) Mag sein, dass Polen Atomwaffen stationiert haben will. Aber will's die NATO?
2) Welchen Schauspieler aus Kiew meinen Sie? Ich kenne mich mit der ukrainischen Kulturszene gar nicht aus. Falls Sie den ehemaligen Schauspieler/Comedian W. Selensky meinen: Der ist seit einiger Zeit Premierminister des Landes. Sie können spekulieren, worauf er scharf ist. Aber ohne NATO-Beitritt wäre eine Stationierung von Atomwaffen nicht möglich. Eher lagert Russland Atomwaffen auf der Krim.
Da bleibt zu hoffen, dass die ukrainische Armee mit den neu entwickelten Waffen mit großer Reichweite erst mal noch mehr russische Munitionsdepots auf der Krim zerstört.
Guenter Scharf 10.08.22 17:50
QD-Widerspruch
@michael wob, 10.08.22, 17:30: sich halte es auch für zwecklos, mit QDzu diskutieren. Aber deren Meinung kann ich nicht unwiderprochen stehen lassen.
P. S.: wob = Nachname? Oder aus WOB = Wolfsburg?
Guenter Scharf 10.08.22 17:10
Amerikanische Atomwaffen auf der Krim? Quatsch!
@Michael, 10.08.22, 16:10: Was soll die Unsinnsbehauptung, dass die USA angeblich vorgehabt hätten, bei einem NATO-Beitritt der Ukraine Atomwaffen auf der Krim zu stationieren? In keinem einzigen Land, das nach dem Zerfall der UdSSR der NATO beigetreten ist, sind amerikanische Atomwaffen stationiert! Die Russland nächstgelegenen lagern in der Türkei.
Guenter Scharf 10.08.22 16:40
Osteuropäische Länder geknallt? NEIN!
@Michael, 10.08.22, 16:10: Die NATO hat sich keine Länder einverleibt. Die osteuropäischen Länder (Polen, baltischen Staaten, etc.) haben dich selbständig zum Beitritt zur NATO entschlossen. Wollen Sie den Ländern ihr Selbstbestimmungsrecht absprechen?
Derk Mielig 10.08.22 15:50
@Michael
Hätte das DR den Krieg nicht begonnen, wäre, zumindest durch Krieg, gar kein Menschenleben ausgelöscht worden.
Und, um mal bei Ihrer Logik zu bleiben, wenn die UdSSR sich 1941 ergeben hätte, dann hätten die Coronaheulsusen einen richtigen Grund, sich über Polizeigewalt zu beschweren, wenn sie sich das dann überhaupt trauen würden, wegen der dann tatsächlich fehlenden Meinungsfreiheit und so.
Norbert K. Leupi 10.08.22 14:40
Der Verrückte / Herr Michael
Das sehe ich auch so : wenn Selenskyj weiterhin den " Reizdarm Putins " ärgert , liegt Kiew eines Tages in Schutt und Asche !