Lung Sen macht sich Gedanken

Diverse Leserbriefe und Berichte, letztere nicht nur im FARANG, haben Lung Sen bewogen, einmal über das horizontale Gewerbe nachzudenken. Durch seine Tätigkeit war er immer hautnah am Geschehen, hat zwischen Thai-Frau und Farang-Mann viele Dramen, aber auch einige gute Verbindungen miterlebt. Bei über einem viertel Jahrhundert in Pattaya hatte er Einblick in das Geschehen hinter den Kulissen und weiss, was aus dem 1977 damals 20 jährigen Mädchen geworden ist. Er kennt ihre Geschichte.

Oi kam aus dem Isaan, woher die Mehrzahl der Mädchen stammt, aber viele kommen auch aus dem Norden, der Gegend um Chiang Mai und Chiang Rai. Oi war eine sehr hübsche junge Dame, der es Vergnügen machte, Nacht für Nacht mit einem anderen Mann ins Bett zu hüpfen. Sie hatte zahlreiche Verehrer, viele „Stammkunden“ und musste sich manchmal einen Terminplan anlegen, wer wann nach Pattaya kam, auf das sich nicht zwei ihrer Verehrer versehentlich trafen.

Sie bekam für ihre Dienste viel Geld, das sie auf die Bank brachte und dort hortete; gab es doch damals noch 12 Prozent Zinsen. An die Eltern wurde, nachdem Oi die Schulden beim Barbesitzer abbezahlt hatte, Monat für Monat eine kleine Summe überwiesen. Inzwischen besitzt die Familie ein stattliches Haus und viel Grundbesitz. Im Jahre 1995 fühlte Oi, dass es mit ihrer aktiven Zeit vorbei war.

Von dem Ersparten kaufte sie sich eine Bar an der Soi Wong-Amat und wurde zur Mama San. Sie brachte genügend Erfahrung mit und hat heute einen florierenden Betrieb.

Eine Ausnahme Ganz und gar nicht. Lung Sen kennt weitere 18 Frauen von damals, die heute in guten Verhältnissen leben, die mit einem Thai oder einem Farang verheiratet sind.

Aber es war Oi, die mir viel über die Hintergründe erzählte, warum Mädchen sich diesem Gewerbe hingeben. Nein, nicht wegen Armut oder Arbeitsmangel im heimischen Dorf. Viel mehr spielte die Bildung eine grosse Rolle. Und die war und ist bei den Frauen aus dem Isaan mehr als schwach. Die meisten Bar Mädchen gingen nur vier Jahre in die staatliche Grundschule, einige auch die vollensechs Jahre.

Mit dem dort Gelernten konnte sich keine junge Frau in einem Büro, Hotel oder Geschäft als Angestellte bewerben. Geld zur Weiterbildung war nicht vorhanden. Und deshalb gingen sie alle in die Touristenorte, um die Farang zu bedienen, wie es aus manchen Berichten herauszulesen ist Weit gefehlt! Denn um in das horizontale Gewerbe zu gehen, muss eine Frau auch die Veranlagung und Einstellung dazu haben. Das trifft aber nur bei wenigen zu, und sogar diese müssen sich überwinden, nehmen manches Mal Beruhigungs-tabletten, um mit einem fetten, stinkenden Farang ins Bett zu steigen. Es kommt durchaus vor, dass sie die Begleitung eines Menschen, der ihnen nicht zusagt, ablehnen.

Diese Mädchen wissen genau, dass sie nur bei und mit Farang eine Chance haben. Die eigenen Landsleute stehen nicht auf die tiefbraune Hautfarbe, die platte Nase und die teilweise wulstigen Lippen. Der Thai bevorzugt helle Hautfarbe, den chinesischen Typ Frau.

Die Mehrzahl der Mädchen, die sich nicht prostituiert, findet sehr wohl Arbeit. Sei es als Zimmermädchen im Hotel, als Serviererin in einem Restaurant, als Gärtnerin und und und . . . Selbst zu Hause kann das Mädchen Arbeit finden. In den Dörfern werden handwerkliche Produkte hergestellt, wie Matten aus Schilfstroh, ferner Seidenstoffe, Holzschnitzereien, Körbe, Hüte und vieles mehr aus Bambus. Das alles beweist: Es kommt auf die Einstellung zum Sexgewerbe an. Manche mögen es, die meisten jedoch lehnen es ab.

Wer versucht, die hübsche Rezeptionistin seines Hotels zum Abendessen einzuladen, der bekommt eine Abfuhr. Kein anständiges Mädchen wird sich mit einem Farang in der Stadt, in der sie wohnt und arbeitet, zeigen wollen. Wird sie von Bekannten gesehen, ist der gute Ruf dahin.

Will man hier in Kontakt kommen, so gelten die gleichen Sitten wie daheim: langsames Herantasten und, fühlt man die positive Reaktion der Umworbenen, ein Rendezvous vereinbaren weit ab vom Wohnort.

Oi weiss, dass ihr Gewerbe eigentlich nicht dem buddhistischen Ideal entspricht. Aus diesem Grund wird vor dem Hausaltar gebetet. Die Mädchen bitten vielmehr um Vergebung und Nachsicht, für das, was nun getan werden muss. Sie erklärt Lung Sen, dass auch das nur Heuchelei sei, eine Beruhigung für ihr Ego.

Den Buddha kann man nicht anbeten, wie er selbst lehrte, denn er existiert ja nicht mehr, er ist in das Nirwana gegangen = hat sich selbst aufgelöst. Das Ideal wäre, die vier edlen Wahrheiten:

  1. das Leben ist Leiden;
  2. das Leiden kommt durch die Begierden;
  3. löst man sich von den Begierden, hat das Leiden ein Ende, und
  4. den achtfachen Pfad der Lehren, der die Begierden auslöscht, zu befolgen. Jemand, der ohne Begierden ist, wird nicht mehr wiedergeboren. Er löst sich auf ins Nichts. Sind aber beim Tod noch Begierden vorhanden, erfolgt die Wiedergeburt, und somit beginnt das Leiden von neuem.

Der Buddhismus ist keine Religion mit Dogmen, sondern eine Lehre, wie der Mensch von den Begierden frei wird. Jeder ist für sein Schicksal selbst verantwortlich, bekommt nach dem Tod die Quittung für sein geführtes Leben, und deshalb würden Mönche auch nie jemanden davon abhalten, der etwas tun möchte, was eigentlich gegen die Lehren des Buddhismus verstösst. Es werden einzig weise Ratschläge erteilt.

Oi weiss auch, wie hoch sich neue Bar Mädchen in Pattaya verschulden. Haben sie doch bei ihrer Ankunft nichts dabei. Da müssen die richtigen Kleider gekauft werden, Schuhe, Makeup, Parfüm und vieles mehr. Das Geld streckt der Barbesitzer vor, und es dauert sehr lange, bis diese hoch verzinste Schuld wieder abgetragen ist. Da bleibt über Monate, manchmal gar Jahre kaum Geld für sich selbst, geschweige denn Geld, das man nach Hause schicken könnte.

Da muss Lung Sen an das deutsche Sprichwort denken: Jeder ist seines Glückes Schmied. Die einen wollen eine anständige Arbeit, verurteilen aber nicht jene, die den leichten und doch so schweren Weg in die Prostitution gehen.

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