Lung Sen macht sich Gedanken

Während Lung Sen diese Zeilen schreibt, sitzt meine liebe Gaysorn mit den Kindern unter dem Weihnachtsbaum und packt Geschenke aus. Deutsche Weihnachtslieder erfüllen den Raum, und esist sorichtig heimelig.„ . . . segne den Vater, die Mutter, das Kind . . .“, hört Lung Sen gerade aus dem Lied „Süsser die Glocken nie klingen“, und schon ist es aus mit der Besinnlichkeit.

Hat Lung Sen als Kind nicht gelernt, dass Maria Jungfrau war Na gut, den Josef kann man ja Vater nennen, obschon er nicht der Erzeuger war. Wer war es dann, fragte Lung Sen schon damals den Vikar Kopp, der die christlichen Geschichten uns Jungen beibringen wollte und sollte. „Das war der heilige Geist, der den Samen in Maria pflanzte“, gab es als Antwort. Kaum einer von uns Jungs wollte das so recht glauben, waren wir doch schon „aufgeklärt.“

Helmut meinte, der Erzeuger kann nur der Gabriel gewesen sein, denn der war alleine mit Maria und hat die Geburt „verkündet“. Nun, wer so etwas weiss, der muss auch wissen, warum. Und den Heiligen Geist als Erzeuger anzugeben, das erschien uns lächerlich. Auf der einen Seite wollte die Kirche, dass wir nicht an Geister glauben, und auf der anderen Seite sollten wir den Heiligen Geist akzeptieren.

Überhaupt gibt es da viele Ungereimtheiten. Nur zwei sollen hier genannt werden: „Du sollst keine Götter haben neben mir.“ Und doch werden heute unzählige Heilige angebetet, wie Götter verehrt und mit Wallfahrten bedacht.

Da lobe ich den Islam: Gott ist Gott und Mohammed ist sein Prophet. Ende, Aus, Schluss. Da gibt es keine Heiligen, die verehrt werden. Oder die zehn Gebote. Sie beginnen mit „Du sollst nicht. . .“ Das aber ist ein Verbot! Ein Gebot beginnt mit „Du solltest nicht . . .“

Viele Fragen zum Buddhismus wurden Lung Sen anlässlich der letzten Kolumne gestellt. Es wurde klar, dass sehr viele von den Lehren des Buddhas wenig Kenntnis haben. Lung Sen ist sicher kein Experte auf diesem Gebiet, hat sich aber berufsbedingt mit seinem Werk befasst.

Die häufigste gestellte Frage drehte sich um Religion: Ja oder Nein. Eindeutige Antwort: Nein.

Der Buddhismus ist und bleibt eine Lehre. Es gibt keine Dogmen. Das heisst, man muss nichts befolgen, irgendwem gehorchen. Es gibt kein Oberhaupt im Vergleich zum Papst, welcher Regeln aufstellt. Wohl gibt es einen Patriarchen, das Oberhaupt der buddhistischen Mönche. Und eben, nur der buddhistischen Mönche!

Thais und andere an die Lehren des Buddhismus glaubende Menschen sind keine Buddhisten! Buddhisten sind nur die Mönche, weil diese im Kloster versuchen, nach den Lehren des Buddhismus zu leben. Im normalen täglichen Leben ist dies nicht möglich, da man zu vielen Begierden ausgesetzt ist, diese kaum unterdrücken oder gar abschaffen kann.

Es ist daher auch falsch zu sagen, dass in Thailand 95 Prozent der Bevölkerung Buddhisten sind. Richtig wäre: 95 Prozent glauben an die Lehren des Buddhas. Darum, und nur darum geht es in der ursprünglichen Lehre des Buddhas: Sämtliche Begierden auszulöschen!

Sritharta Gautama lebte selbst in Saus und Braus, voller Begierden, mit Frau und Kind als Königssohn über 30 Jahre und musste entdecken, dass dies nicht der richtige Weg des Lebens war. Als er den Palast verliess, wurde er mit Armut, Krankheit, Tod = mit dem Leiden konfrontiert, vor dem er im Palast abgeschirmt worden war. Feststellen musste er nun, dass das Palastleben im Grunde auch ein Leiden war. Das erschreckte ihn so sehr, dass er sich Bettelmönchen anschloss, die das Leiden bekämpften, indem sie sich voll auf den Geist konzentrierten, hungerten, den Bedürfnissen entsagten. Es gelang nicht.

Erst als er einem Musiker zuhörte, der seinem Sohn erklärte, dass eine Saite auf der Gitarre, zu straff gespannt, genauso wenig einen guten Ton bringe wie eine zu schlaff gespannte Saite. Es viel ihm wie Schuppen von den Augen: Der mittlere Weg führt zum Ziel. Er begann wieder zu essen, versenkte sich jedoch in die Meditation, mit der er die Begierden auslöschte. Er überwand die letzte Begierde, indem er den Töchtern einer Göttin widerstand, die ihn verführen wollten. Somit war er frei jeglicher Begierde und wurde nicht wieder geboren.

Das, liebe Leser, ist Sinn und Zweck des Buddhismus. Sich lösen von den Begierden, auf das man nicht ein neues Leben voller Leiden beginnt. Lung Sen spricht hier vom Hinajana (Kleinen Fahrzeug) Buddhismus, denn wie alle Lehren oder Religionen gibt es verschiedene Richtungen, je nach Auslegung der Schriften. Der Buddhismus ist tolerant, wie keine andere Lehre oder Religion. Geisterglaube wird genau so zugelassen wie andere Religionen toleriert werden.

In den Mönchsorden kann jeder, unabhängig von seinem Glauben, eintreten. Ob Christ, Muslim oder Hindu. In den Mönchsorden eintreten heisst ja nur zu versuchen, nach den Lehren des Buddhas zu leben, also den Begierden zu entsagen. Das gelingt auf keinen Fall immer. Man sehe nur auf den verehrten Mönch Luang Por Koon, der ständig eine Zigarre in der Hand hält.

Was soll’s Auch er versucht die Begierde zu bekämpfen, hat es aber noch nicht geschafft. Kann ja noch kommen. Und jeder Raucher weiss, was für ein Kampf es ist, dieser Begierde zu entsagen.

Niemand und nichts können einem helfen. Die innere Ruhe, Gelassenheit und Stärke muss jeder selbst finden. Als Hilfe stehen lediglich die Lehren des Buddhas zur Verfügung. In der Tripitaka wurde aber auch festgehalten, wie jener Sritharta Gautama zum Buddha = zum Erleuchteten wurde, welche Qualen er litt und sich selbst besiegte. Nach dem Tod erhält der Mensch, der nicht begierdenfrei lebte, die Quittung seines Lebens. Er kann als Tier, Pflanze, Mensch oder anderem wieder geboren werden – das Leiden beginnt aufs Neue.

Lung Sen möchte zum Denken anregen und gleichzeitig allen Lesern ein gesundes, frohes neues Jahr 2005 oder 2548 wünschen, indem er die Frage stellt: Wie oft haben Sie schon gelitten Warum Die Antwort ist des Rätsels Lösung.

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