Löffel aus Bomben - Der geheime Krieg der CIA

Das Team von UXO Laos (Unexploded Ordinance Laos) trägt den Auslösedraht zur Sprengung einer Mörsergranate und anderer Blindgänger auf einem Feld im Dorf Sam Syae in der Nähe von Phonsavan. Foto: epa/Barbara Walton
Das Team von UXO Laos (Unexploded Ordinance Laos) trägt den Auslösedraht zur Sprengung einer Mörsergranate und anderer Blindgänger auf einem Feld im Dorf Sam Syae in der Nähe von Phonsavan. Foto: epa/Barbara Walton

PHONSAVAN: Laos gilt als das meist bombardierte Land der Erde. Der geheime Krieg der USA scheint fast vergessen - aber die Bevölkerung leidet bis heute. Droht der Ukraine und Gaza ein ähnliches Schicksal?

«Alles hier in der Gegend ist aus Bomben gemacht», sagt Reiseleiter Kham Dee und zeigt auf die idyllische Landschaft der Provinz Xieng Khouang. «Öllampen, Kochtöpfe, Zaunpfähle, sogar die Kuhglocken.» Bei der Ankunft im Ban Napia «Spoon Village» im Nordosten von Laos wird klar, wovon er spricht. An Häuserwänden lehnen Fragmente von Streubomben, rostige Raketenwerfer, Stapel von Granaten, sogar der Flügel eines Militärflugzeugs. Die Waffenreste werden eingeschmolzen und in Nützliches verwandelt - Löffel vor allem. Die sogenannten Kriegslöffel sind in Laos ein begehrtes Souvenir.

Der südostasiatische Binnenstaat gilt - pro Kopf gemessen - bis heute als das meist bombardierte Land der Welt. Zwischen 1964 und 1973 flogen amerikanische Piloten hier im Auftrag des US-Geheimdienstes CIA rund 580.000 Einsätze und warfen durchschnittlich alle acht Minuten eine Flugzeugladung Bomben ab.

Als vor 50 Jahren - am 3. Juni 1974 - die letzte Maschine der CIA-eigenen Fluglinie Air America das Land in Richtung Thailand verließ, waren 270 Millionen Streubomben gefallen. Dutzende Millionen detonierten nicht und blieben als heimtückische Blindgänger in Reisfeldern, Dschungeln und Wiesen zurück.

Ein Zeitraffer-Video im Besucherzentrum der britischen Minenräumorganisation MAG (Mines Advisory Group) in der Stadt Phonsavan zeigt, wie das Land Tag für Tag, Jahr für Jahr von einem unablässigen Bombenhagel bedeckt wurde. Ohne Wissen der Welt. Selbst der Kongress in Washington war nicht über den Krieg informiert, den die CIA in dem 13.000 Kilometer entfernten Land führte.

Dabei war Laos offiziell neutral, wurde aber schnell zum Spielball im Kampf der USA gegen den Kommunismus. Besonders betroffen von den Luftangriffen war der Nordosten an der langen Grenze zu Vietnam, durch den der berühmte Ho-Chi-Minh-Pfad verlief. Über diesen wurden während des Vietnamkriegs die nordvietnamesischen Truppen im Süden mit Nachschub versorgt. Gleichzeitig befürchtete die CIA einen Domino-Effekt und eine Ausbreitung des Kommunismus in ganz Südostasien, denn auch in Laos gab es eine pro-kommunistische Bewegung: die Pathet Lao.

Und so nutzte die CIA das «Land der eine Million Elefanten» als Basis für eine der größten Militäroperationen ihrer Geschichte. Sie rekrutierte zahlreiche Mitglieder verschiedener Bergstämme, allen voran der Hmong, stattete die Truppen mit Waffen aus und schickte sie in den Guerilla-Kampf gegen die Pathet Lao.

Ihr geheimes Hauptquartier war eine Stadt, die auf keiner Landkarte verzeichnet war: Long Cheng im laotischen Dschungel. Teilweise wohnten 40.000 Menschen auf der Luftbasis, und für einige Jahre war Long Cheng der am meisten angeflogene Flugplatz der Welt. «Wir kamen vom Himmel und zerstörten alles, was sie besaßen, alles, was sie liebten und schätzten», sagt der US-Anti-Kriegs-Aktivist Fred Branfman in der Arte-Dokumentation «Amerikas geheimer Krieg in Laos» von 2014.

Nach dem Inkrafttreten eines Waffenstillstandsabkommens zogen die USA sich aus Laos zurück - und hinterließen ein Land voller Bombenkrater und Blindgänger. Vielerorts schlummert die Streumunition noch immer im Boden - zumeist tennisballgroße Minibomben, «Bombies» genannt.

Der verniedlichende Name trügt: Seit dem Ende des Krieges sind Schätzungen zufolge mindestens 20.000 Menschen durch solche nicht detonierte Kampfmittel (UXOs) ums Leben gekommen. 40 Prozent davon waren Kinder. Droht den Menschen in der Ukraine und Gaza ein ähnliches Schicksal?

Experten sind davon überzeugt. «Die Ukraine wird jahrzehntelang unter Landminen und UXOs leiden, genau wie andere europäische Länder nach dem Zweiten Weltkrieg», sagte Henrik Færch, Direktor des dänischen Minenräumunternehmens Damasec Global Group, der Deutschen Presse-Agentur. In dem Konflikt hätten beide Parteien sowohl alte als auch hochmoderne Arten von Munition, Raketen, Streumunition und Landminen eingesetzt. «Zusätzlich werden von Drohnen abgeworfene UXOs in Zukunft viele Probleme bei den Räumungsarbeiten verursachen.»

Es könne rund 100 Jahre dauern, bis alle Kriegsrelikte in der Ukraine aufgespürt seien, sagte Færch. «Aber ich glaube eigentlich nicht, dass jemals alles geräumt sein wird.» Auch im flächenmäßig viel kleineren Gazastreifen zeichnet sich nach sieben Monaten Krieg ein ähnliches Bild ab, wie Pehr Lodhammar vom Minenräumdienst der Vereinten Nationen (UNMAS) im April mitteilte.

Durchschnittlich zehn Prozent der Munition, die bei Luftangriffen abgeworfen werde, bleibe als Blindgänger zurück, erläuterte er und fügte hinzu, es würde schon jetzt etwa 14 Jahre dauern, den Gazastreifen von allen UXOs zu befreien. Der frühere Air-America-Pilot Charlie Weitz bringt es in der Arte-Doku auf den Punkt: «Wenn man wissen will, wie im 21. Jahrhundert Kriege geführt werden, muss man zurück nach Laos schauen.»

Die Laoten haben in den vergangenen 50 Jahren gelernt - ja lernen müssen - mit den unzähligen, gefährlichen Relikten zu koexistieren und sie gar im Alltag zu nutzen. Der Englischlehrer Somchit Pouangsavat gießt seit 15 Jahren in seiner Hütte Löffel, Flaschenöffner und Schlüsselanhänger aus verschiedenen Waffenteilen, die in der Gegend gefunden wurden. 800 Stück am Tag schafft er manchmal in seinem kleinen Ofen. Viele werden auf Touristenmärkten in der Nähe als Andenken verkauft.

Jahrelang seien allein aus seinem Dorf Dutzende Einwohner von den heimtückischen Bombies getötet worden, erzählt er. Und auch wenn die Zahlen deutlich gesunken sind, werden noch regelmäßig Menschen getötet oder verstümmelt: Im vergangenen Jahr wurden 27 schwere Unfälle mit Blindgängern gemeldet, 2022 waren es 20. Mehr als ein Dutzend Menschen starben, darunter mehrere Kinder. «Für uns geht der Krieg bis heute weiter», sagt Pouangsavat und dreht nachdenklich eine Granate in seiner Hand.

Die, die eine solche Explosion überleben, sind entweder erblindet oder haben Arme oder Beine verloren. Dazu passt der Titel eines Videos der Mines Advisory Group, das Besuchern die furchtbaren Folgen der CIA-Geheimoperation verdeutlicht: «Surviving the Peace». Denn nicht nur Konflikte wollen überlebt werden, auch in Friedenszeiten droht noch jahrzehntelang Lebensgefahr. In Laos hat ein halbes Jahrhundert nicht ausgereicht, um das Land vom Trauma eines fast vergessenen Krieges zu befreien.

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Michael R. 03.06.24 16:20
Ja, ja, der Ami ...
... vertrat und vertritt auch heute nur die hehrsten und edelsten Ziele. Und wenn dann mal ein paar Hundertausend drauf gehen, oder das eine oder andere kleine Kriegsverbrechen vorkommt dann ist das alles nicht so schlimm, denn für die wirklich schlimmen Sachen kann man ja immer noch auf den Deutschen mit seinem Dolf verweisen.
Und sollte es mal ganz schlimm kommen, schreibt Hollywood die Geschichte einfach um ...
Roland 03.06.24 13:29
Pressefreiheit
Herzlichen Dank an den Farang für diesen interessanten Artikel. Meine Freunde und ich wünschten uns mehr solcher beleuchtenden Artikel von den Mainstream Medien. Nach meiner Meinung sind die meisten westlichen Mainstream Medien jedoch unglücklicherweise zum Sprachrohr der jeweiligen Regierungen verkommen. Aus diesem Grunde versuche ich selber verschiedene Ansichten zu einem Thema zu verarbeiten, um meine eigene Meinung zu bilden. Wir dürfen uns glücklich schätzen, dass wir noch eine Meinungsfreiheit haben, wenn auch in je länger je mehr beschränktem Masse.
Jörg Testmeier 03.06.24 00:20
Herbert Thielen 02.06.24 20:00
Sie haben ja recht damit, dass hier schon immer wieder abstruses Gebrabbel geschrieben wird. Allerdings sehe ich das nicht so tragisch, da wir gar nicht wissen mit wie vielen verschiedenen alter egos hier so ein Typ unterwegs ist. Schauen Sie mal wer das hier beispielsweise geschrieben hat. Grüsse Jörg Obermeier
Herbert Thielen 02.06.24 20:00
@Ole / @ Khun Kanhachin
Da bin ich aber an eurer Seite. Was hier gelegentlich verzapft wird, spottet tatsächlich jeder Beschreibung. Da will tatsächlich ein Schreiber(ling) kriminelle Elemente mit einer "lebenslangen Einreise belegen". Einfach irre. Mir drängt sich ohnehin seit geraumer Zeit der Verdacht auf, dass die "Tasten-Terroristen" auf dieser Plattform immer mehr die Oberhand gewinnen, während die wenigen "Edelfedern" nach und nach immer mehr in den Hintergrund gedrängt werden oder freiwillig ins "selbstgewählte Exil" gehen. Aber das ist natürlich und selbstverständlich wie immer nur meine bescheidene Meinung.....
Jürgen Franke 02.06.24 18:30
Diesen interessanten Artikel sollte
jeder zweimal lesen, bevor er die USA hochleben läßt. Das Verhalten der USA, nach Kriegsende diente nicht in allen Fällen, der Welt Frieden zu bringen. Jeder Mensch hat jedoch die Möglichkeit, die geschichtlichen Fakten nach seinen Vorstellungen zu interpretieren.
Ole Bayern 02.06.24 16:50
Monruedee Kanhachin u.a.
... ein wirklich wahrer und guter Beitrag .
Solche unwissenden Typen wie " Michael " u.a., die die Freiheit unserer Gesellschaft hassen , weil diese Leute mit der gebotenen Freiheit ganz offensichtlich auch nichts so recht auf die Reihe bekommen haben , sei gesagt ... ohne die USA könnten sie mit Sicherheit nicht in TH ihren Lebensabend verbringen.
Dann wäre nämlich der eiserne Vorhang nicht an der Elbe gelegen , sondern am Rhein oder gar weiter westlich.
Und was dies bedeutet hätte ... dann für alle Deutsche .... einfach einmal ein paar Landsleute fragen , welche das Pech hatten unter russischer und kommunistischer Kontrolle der Ostzone aufwachsen zu müssen , was Unfreiheit denn so recht bedeutet.

VG Ole
Jörg Obermeier 02.06.24 16:30
Monruedee Kanhachin 02.06.24 16:00
Völlig sinnlos darauf einzugehen. Immer wenn das alter ego "michael" rausgeholt wird, dann nur um zu provozieren.
Monruedee Kanhachin 02.06.24 16:00
Herr Michael
Wenn ich die Ironie verstehe: Die USA bringt Frieden in die Ukraine? Die USA hat den Indochinakrieg angezettelt? Die USA hat den zweiten Weltkrieg angezettelt? Den ersten auch? War es nicht eher so? Kaiser Wilhelm der Zweite....oder der der Schlächter Hindenburg? oder AH....die nicht verschwindenwollende Kolonialmacht "la grande nation" in tongkinchin? und last but not least....our little man Wohltäter alias Attila the Hunn? Wäre die USA nicht gewesen, würden Sie die wahrscheinlich aktuelle ErsatzGroßmacht es sei denn Sie wären einer der Mitläufer oder Spitzel, nur hinter Gittern kennen, falls Sie, zugegeben durchaus verständlich, kritisieren! Nur durch die USA geniessen Sie die Freiheiten die Sie jetzt haben!
Michael 02.06.24 15:10
Tja, die Amis...
Bringen sie doch immer nur Frieden in die Welt...