Rückkehr zu Kämpfen «nicht hinnehmbar»

Libyens Premierminister Abdul Hamid Dbeibah. Foto: epa/Yoan Valat
Libyens Premierminister Abdul Hamid Dbeibah. Foto: epa/Yoan Valat

TRIPOLIS: Große angelegte Kämpfe gab es in Libyen seit 2020 nicht mehr. Dauerhafte Stabilität oder gar Frieden ist im Bürgerkriegsland aber weiterhin nicht in Sicht. Nach der Festnahme eines Kommandeurs tragen verfeindete Milizen ihren Konflikt in Tripolis erneut mit schweren Waffen aus.

Libyens Ministerpräsident Abdul Hamid Dbaiba von der Regierung in der Hauptstadt Tripolis hat die jüngsten Kämpfe dort als «nicht hinnehmbar» bezeichnet. «Das Land kann keinerlei unverantwortliches Verhalten tolerieren», sagte Dbaiba am späten Mittwochabend. Der Kommandeur der sogenannten 444. Brigade, dessen Festnahme am Flughafen durch eine verfeindete Miliz die Gefechte am Montag auslöste, wurde unterdessen freigelassen. Bei den Kämpfen in Tripolis - die schwersten in Libyen seit Monaten - wurden seit Montag 55 Menschen getötet und etwa 140 weitere verletzt.

In mehreren Gegenden von Tripolis brach am Mittwochabend Jubel aus über die Freilassung von Kommandeur Mahmud Hamsa, wie Augenzeugen berichteten. Auch Feuerwerk war am Himmel zu sehen. Einige sprachen dabei vom «Ende der Kämpfe unter Libyern» sowie «einem Ende des Blutvergießens und eine Rückkehr zur Stabilität».

Örtliche Medien verbreiteten Fotos, die Hamsas Freilassung zeigen und die Rückkehr in den Kreis seiner Familie. Dbaiba selbst bestätigte die Freilassung zunächst nicht, erklärte die Kämpfe aber für beendet und sagte, nun kehre wieder Normalität ein. Vor dem Hauptquartier der 444. Brigade wurde laut Augenzeugen ebenfalls gefeiert, unter anderem mit Luftschüssen und Gesängen für Hamsa.

In Libyen war nach dem Sturz von Langzeitmachthaber Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 ein Bürgerkrieg ausgebrochen, der bis heute andauert. In dem faktisch gespaltenen Land ringen zwei Regierungen um die Macht. 2020 trat eine Waffenruhe in Kraft. Vereinzelt kommt es aber immer wieder zu Gewalt und Zusammenstößen verfeindeter Milizen. Der Konflikt wird zusätzlich durch ausländische Staaten befeuert.

Experte Jalel Harchaoui vom britischen Royal United Services Institute (RUSI) sprach von einer weiteren Gefahr für die «brüchige Stabilität der libyschen Hauptstadt». Der Konflikt zwischen der Miliz SDF und der 444. Brigade, der sich viel um die Kontrolle über den Flughafen drehe, habe sich verschärft. «Tripolis und Umgebung sind Quelle für Prestige und viel Geld», sagte Harchaoui. Die Kontrolle über einen Hafen, Geschäftsbezirk oder eben den Flughafen seien «erstrebenswerte Stücke von Hoheitsgebiet».

Die Miliz SDF, auch bekannt als Rada, hatte Hamsa am Flughafen festgenommen auf dem Weg nach Misrata. Beide Milizen mobilisierten daraufhin ihre Truppen, Fahrzeuge und schwere Waffen im Süden von Tripolis. Andere Milizen schlossen sich den Kämpfen teils an. Sie erinnerten daran, dass in Libyen «trotz eines Endes der großangelegten Gewalt seit 2020 keine echte Reform des Sicherheitssektors und keine Entwaffnung von Milizen verfolgt wurde», sagte Harchaoui.

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