Sorgen vor Cholera-Ausbruch

Ein Mann sitzt neben den Gräbern der Opfer der Sturzflut. Foto: Yousef Murad/Ap/dpa
Ein Mann sitzt neben den Gräbern der Opfer der Sturzflut. Foto: Yousef Murad/Ap/dpa

BENGASI: In den Katastrophengebieten in Libyen herrschen vielerorts Chaos und Verwirrung. Es mangelt etwa an Koordinierung der verschiedenen Hilfslieferungen. Es wächst die Sorge vor Ausbruch von Krankheiten. Derweil nennt die Regierung im Osten erste konkrete Todeszahlen.

Auch eine Woche nach Beginn der verheerenden Überschwemmungskatastrophe in Libyen ist die Lage in den besonders betroffenen Gebieten im Osten des Bürgerkriegslandes unübersichtlich. Internationale Helfer beklagen einen Mangel an Koordination bei der Verteilung der verschiedenen Hilfslieferungen. Noch immer werden unter den Trümmern der teils zerstörten Hafenstadt Darna Leichen vermutet.

Die dort im Osten herrschende Regierung des faktisch zweigeteilten Landes bezifferte die Zahl der offiziell registrierten Todesfälle mit Stand Freitagabend auf 3166. Die Zahl werde aber wahrscheinlich steigen, hieß es. Unterdessen geht in Darna die Furcht vor einem möglichen Ausbruch der Magen-Darm-Krankheit Cholera um.

«Es ist dringend eine Koordination der Hilfe nötig», berichtete die Organisation Ärzte ohne Grenzen am Freitagabend. Die Überlebenden benötigten jetzt vorrangig Unterkünfte, Nahrung und medizinische Grundversorgung wegen der Sorge vor Cholera und Mangel an sauberem Wasser, erklärte UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths in Genf.

Das Gesundheitsministerium in der Hauptstadt Tripolis im Westen des faktisch zweigeteilten Bürgerkriegslandes warnte laut der Zeitung «Arab News», in Darna gebe es Grundwasser, das mit Leichen, Tierkadavern, Müll und chemischen Substanzen verschmutzt sei. «Wir bitten die Menschen dringend, sich den Brunnen in Darna nicht zu nähern», wurde Gesundheitsminister Ibrahim Al-Arabi zitiert. In Darna seien bereits Dutzende Kinder durch verschmutztes Wasser erkrankt, sagte der Leiter des Nationalen Zentrums für Krankheitsbekämpfung.

In den vergangenen Tagen hatte es widersprüchliche Angaben zur Zahl der Todesopfer gegeben, die zwischen rund 5000 und 11.000 schwankten. Angesichts dieses Wirrwarrs erhob der Gesundheitsminister der rivalisierenden Regierung im Osten des Landes, Othman Abdel Jalil, den Anspruch, dass fortan nur Zahlen seines Hauses Gültigkeit hätten. «Das Gesundheitsministerium ist für die Daten verantwortlich, und alle Zahlen müssen von diesem Ministerium übernommen werden», sagte Abdul Jalil auf einer Pressekonferenz am Freitag. Die Zahl von 3166 Toten mit Stand vom Freitagnachmittag werde wahrscheinlich steigen.

Die Rivalität zwischen den Regierungen im Osten und der im Westen des Landes erschwert laut Experten die Koordinierung der Hilfsmaßnahmen. Internationale Helfer sprechen von einer «katastrophalen humanitären Lage» und chaotischen Zuständen in Darna. Der Bürgermeister der verwüsteten Stadt, Abdel-Moneim al-Gheithy, hatte dem arabischen Sender Al-Arabija gesagt, dass es ausgehend von den zerstörten Bezirken allein in seiner Stadt «18.000 bis 20.000 Tote» geben könne.

Der Sprecher des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) in Libyen, Baschir Omar, sagte der Deutschen Presse-Agentur, dass es angesichts der weiterhin unübersichtlichen Lage noch zu früh sei, verlässliche Angaben zur Gesamtzahl der Toten zu machen. «Die Katastrophe spielt sich immer noch ab. Die Rettungseinsätze laufen. Deshalb können wir die endgültige Zahl der Todesopfer oder Verletzten nicht vorhersagen», sagte der Sprecher. Das Internationale Rote Kreuz hat unterdessen 5000 Leichensäcke nach Benghazi einfliegen lassen.

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