Ist der Wohlstand in Deutschland und Europa in Gefahr?

 Foto: Orlando Bellini / Fotolia.com
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Wer in diesen Tagen in Deutschland weilt, kann sich seines Lebens erfreuen. Traumhaftes Wetter, angenehme Temperaturen sowie hervorragende kulinarische Angebote machen neben vielen anderen Dingen das Leben lebenswert. Deutschland scheint sich wohlzufühlen. Umweltschutz steht in vielen Bereichen an erster Stelle, trotzdem beginnt es unter der Oberfläche zu brodeln. Immer mehr führende Politiker erwärmen sich für Themen wie Sozialismus und Enteignung. Zusammenhänge zwischen verschiedenen Politikfeldern werden oft nicht gesehen oder ignoriert. Welche Konsequenzen sind zu erwarten?

Aktuelles aus dem Hause Siemens veranschaulicht die Entwicklung. Das Unternehmen treibt den Umbau in einen Digitalkonzern voran und folgt dabei den Vorgaben der Politik, die weg will von Kohlekraftwerken und hin zu erneuerbaren Energien. Das Gasturbinen- und Kraftwerksgeschäft wird entsprechend härter und weniger profitabel. Allein im letzten Jahr schrumpfte der Gewinn im Kraftwerksgeschäft bei Siemens um drei Viertel auf 377 Millionen Euro. Als Konsequenz trennt sich Siemens von der Sparte und damit auch von mehr als 6.000 Mitarbeitern. Wie schon zuvor andere Sparten bringt man jetzt auch das Kraftwerksgeschäft an die Börse. Ein großer Erfolg ist unter den gegebenen Vorzeichen jedoch nicht zu erwarten, wahrscheinlicher ist ein Tod auf Raten.

Wäre Siemens ein Einzelfall, könnte man darüber hinwegsehen. Doch Deutschland beginnt an vielen Ecken zu bröckeln. Während Wirtschaftsminister Peter Altmaier von Europäischen Champions träumt, schwächelt die Deutschland AG. Nach dem Dieselskandal versuchen sich VW, Daimler & Co an Elektromobilität. Ausgang ungewiss. Thyssenkrupp, Symbol deutscher Industrialisierung versinkt im Chaos. Der Vorstand ist mit seinen strategischen Zielsetzungen der letzten Jahre endgültig gescheitert. Sowohl die Aufspaltung des Unternehmens als auch die Schaffung eines europäischen Stahl-Champions sind vom Tisch. Auch bei Thyssenkrupp verlieren als direkte Folge davon 6.000 Menschen ihre Arbeit. Der ehemalige Branchenprimus Deutsche Bank ist eine Ruine nach Jahren des Missmanagements. Bayer könnte nach dem Kauf des umstrittenen Glyphosat-Herstellers Monsanto ebenfalls ins Trudeln geraten. Der gegenwärtige Börsenwert dieser Traditionsunternehmen spricht eine eindeutige Sprache: Während derzeit beispielsweise Amazon, Apple und Microsoft jeweils an der Trillion-Dollar-Marke arbeiten, dümpeln Thyssen (8,2 Milliarden Euro), die Deutsche Bank (14,9 Milliarden Euro) und Bayer (56,7 Milliarden Euro) vor sich hin.

Multidimensionale Ansätze sind gefragt

Deutschland und auch seine Nachbarn stehen am Scheideweg. Nach wie vor ist die Ausgangsposition gut, doch scheinen gerade in der Politik viele Akteure die Prioritäten nicht bei der Erhaltung des Wohlstandes zu setzen. Man braucht kein Prophet zu sein, um die Auswirkungen der Digitalisierung innerhalb der nächsten zehn Jahre einschätzen zu können. Deutschland und Europa haben diese He­rausforderung noch nicht wirklich angenommen. Will man in den nächsten Jahren nicht stetig Marktanteile an aggressive Mitbewerber aus aller Welt verlieren, müssen Industrie und Mittelstand beim Thema Digitalisierung deutlich mehr Gas geben als bisher.

In diesem Umfeld finden derzeit in Deutschland Sozialismus- und Enteignungsdebatten statt. Zum Tag der Arbeit äußerte sich Juso-Chef Kevin Kühnert ablehnend zur bestehenden Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Konkret meint er: „Mir ist weniger wichtig, ob am Ende auf dem Klingelschild von BMW staatlicher Automobilbetrieb oder genossenschaftlicher Automobilbetrieb steht, oder ob das Kollektiv entscheidet, dass es BMW in dieser Form nicht mehr braucht. Die Verteilung der Profite muss demokratisch kontrolliert werden. Das schließt aus, dass es einen kapitalistischen Eigentümer dieses Betriebes gibt.“ Es liest sich, als hätte Deutschland die DDR-Erfahrung nicht gemacht. Kevin Kühnert war allerdings gerade erst geboren, als das hoffentlich letzte sozialistische Experiment auf deutschem Boden ein jähes Ende fand. Genauso wenig nachvollziehbar ist die Haltung von Grünen-Chef Habeck der sich die Enteignung von Wohnungen als Mittel der Politik vorstellen kann. Wer dann zukünftig neue Wohnungen bauen soll, bleibt offen.

Im Ergebnis ist in Europa und vor allem in Deutschland ein Umdenken erforderlich. Eindimensionale Ansätze reichen nicht, multidimensionales Denken und Handeln ist gefragt.


Über den Autor

Christian Rasp ist Rechtsanwalt und seit 1992 in Thailand, Hongkong und China tätig. Er leitet ein spezialisiertes Consulting-Haus, lebt und arbeitet in Hua Hin, Bangkok und Hongkong. Die Kolumne Nachgefragt“ beschäftigt sich vorwiegend mit aktuellen ökonomischen Fragestellungen, die es verdienen, etwas genauer unter die Lupe genommen zu werden.

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Thomas Knauer 29.05.19 10:16
Das es schwieriger wird in der Wirtschaft war sicher, noch immer brummt sie und vor Allem der Mittelstand hält sie am Laufen. Das dies nicht ewig so weiter geht liegt an vielen Faktoren.
Die Menschen sind satt und die Innovation schwindet, es fehlt in vielen Bereichen Personal. Ist sicher nicht nur der in manchen Branchen üblichen Bezahlung zu verdanken, Handwerk das sehr gute Löhne zahlt findet auch keine Mitarbeiter mehr.
Für die Konzerne, gerade die Autoindustrie , ist die Entwicklung, unabhängig von der Politik, weiter geschritten und sie kommen nicht mehr mit. Satt und träge dümpeln sie in ihrem Teich und genießen die Pfründe. Da stellt sich ein Spitzenmanager vor die Presse und fabuliert die E Autos wären die Zukunft und ihre Entwicklung sollte gefördert werden. In anderen Regionen laufen sie bereits. Auf die Wasserstoffbetriebenen Autos geht er nur beiläufig ein, wären teuer und nicht serienreif, dabei fehlen hier lediglich die Tankstellen.
Vieles was in der Wirtschaft nicht gut läuft ist selbstverschuldet und der Fehler wird bei den Anderen gesucht, ein Phänomen das weit verbreitet ist.