Die Reise in einem verrückten Bus

Foto: Orlando Bellini/Fotolia.com
Foto: Orlando Bellini/Fotolia.com

Im Herbst 2023 kommen in Deutschland die Dinge in Bewegung. Die Älteren erinnern sich vielleicht an einen Hollywood-Streifen aus dem Jahre 1976 mit dem Titel „Die haarsträubende Reise in einem verrückten Bus“, der am Abgrund endet.

In Deutschland ist Fahrer Olaf am Steuer nicht zu beneiden – um im Bild zu bleiben. Sobald ihm seine Instinkte nahelegen nach rechts oder links zu lenken, greifen ihm seine Co-Lenker ins Lenkrad und halten eisern den Kurs auf den Abgrund. Inhaltlich wird die Überforderung der derzeit politisch Verantwortlichen von Tag zu Tag deutlicher. Wenn beispielsweise Wirtschaftsminis­ter Habeck in der FAZ vom 11. Oktober darüber lamentiert „aus Berlin heraus könne man schwer das Wachstum in China ankurbeln“, so könnte ihm jemand erklären, dass es völlig genügt, wenn er sich erfolgreich um Deutschland kümmert. Noch peinlicher in den letzten Tagen nur Europas Geheimwaffe Josep Borrell, der Mitte Oktober als Beauftragter der EU bei einem Besuch in China mit totaler Unkenntnis weltwirtschaftlicher Funktionszusammenhänge zum Fremdschämen einlädt, wenn er Chinas Leis­tungsbilanz kritisiert. Kennt der Mann die Leistungsbilanzen der EU? Kennt er den Unterschied zwischen bilateral und unilateral? Offensichtlich nicht.

Mit Blick auf die Bundesregierung fällt immer mehr auf, wie monothematisch diese mit Blick auf das Klima unterwegs ist. Dabei ist nicht zu kritisieren, dass wichtige Themen in diesem Bereich adressiert werden, schlecht ist jedoch, wenn so gut wie alles andere liegen bleibt.

Die Zeichen der Zeit erkennen

Vor kurzem haben Bert Rürup, Chef-Ökonom des Handelsblatts und Michael Hüther, Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft, sehr überzeugend auf dringende Themen neben der Klimakrise hingewiesen, die wir nicht länger ignorieren sollten, wenn wir uns nicht langfristig wirtschaftlich kaum reparable Schäden zufügen wollen. Der Klimawandel ist ein wichtiges Thema, allerdings nicht das einzige, um das sich eine Regierung kümmern muss. Medien und Werbung tun gut daran, die Zeichen der Zeit zu erkennen und sich auf eine erwachende Bevölkerung einzustellen. Wer sich tiefer mit Werbung in diesem Zusammenhang beschäftigen möchte, sei auf das neu erschienene Buch von Oliver Errichiello verwiesen mit dem Titel: Werbung für den Zeitgeist. Wenn bunte Kampagnen in Wirtschaft und Politik die Wirklichkeit ignorieren.

Gründung neuer Parteien

Interessant aktuell auch die Ankündigung Sahra Wagenknechts mit der Gründung einer neuen Partei ernst zu machen. Eiskalt zieht sie damit der Linkspartei den Stecker des Fraktionsstatus und verlässt das bisherige Schema von rechts und links. Ihre Analyse der Unfähigkeit der gegenwärtigen Regierung ist zutreffend, allerdings bleibt zu sehen, wie die tatsächliche Politik der Hardcore-Kommunistin aussehen wird, falls die Parteigründung ein Erfolg wird.

Radikaler Regierungsumbau

Es kommt auf jeden Fall Bewegung in das politische Geschehen in Deutschland und das ist gut so. Interessant auch, unabhängig von Ankündigungen der Gründung neuer Parteien, hält sich in Berlin hartnäckig das Gerücht, der Kanzler plane noch vor Weihnachten einen radikalen Regierungsumbau mit Hilfe der Union. Warum Dezember? Vielleicht, weil die aktuelle Ministerriege am 08.12.2021 vereidigt wurde? Nach aktueller Regelung gilt für Minister, die nach einer Amtszeit von mehr als zwei, aber weniger als vier Jahren durch Ausscheiden des Kanzlers oder Auflösung des Bundestages ihr Amt verlieren, eine sogenannte rechtliche Fiktion, wonach ihre abgeleistete Amtszeit bei der Berechnung des Ruhegehalts als Amtszeit von vier Jahren gewertet wird. Deshalb erwerben sie bereits nach zwei Jahren Dienstzeit den vollen Anspruch von rund 4.500 Euro pro Monat, sobald sie die Altersgrenze erreichen. Einer Verkäuferin, die nach 40 Jahren harter Arbeit weniger als 1.000 Euro Rente erhält, dürften die Augen tränen. Ganz unwahrscheinlich ist diese Variante jedenfalls nicht, falls Olaf Scholz den Abgrund und damit auch den freien Fall seiner SPD doch noch vermeiden möchte.

Zum Schluss noch ein freundlicher Hinweis an alle Fahrgäs­te des Busses Bundesrepublik Deutschland: Es ist problemlos möglich, einen Abgrund auf der Fahrt zu diesem Abgrund zu ignorieren. Dies gilt allerdings nur bis zum Erreichen der Abbruchkante.


Über den Autor

Christian Rasp ist Rechtsanwalt und seit 1992 in Thailand, Hong Kong und China tätig. Er leitet ein spezialisiertes Consulting Haus und ist seit 2016 als Chairman einer der ältesten digitalen Marketingagenturen in Südostasien tätig. Feedback zum Gastbeitrag per E-Mail erwünscht!

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.